Perspektiven

Problematik fehlender Perspektiven

Der Großteil der betroffenen Frauen muss irgendwann ausreisen.

Das Hauptinteresse seitens der Justiz ist die Verfolgung der Täter und ein revisionssicheres Urteil. Die Frau als Opferzeugin wird mehr oder weniger nur als Instrument für eine gute Aussage angesehen. Doch auch die Qualität der Zeugenaussage wird durch die unsichere Situation der Zeuginnen verringert. Die Gefährdung, in welche sie sich durch ihre Aussage begibt, wird zwar nicht geleugnet, aber alle Schutzmaßnahmen enden mit dem Prozeßende. Danach sollen die Frauen wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, wo nicht selten die Händler bereits warten.

Selbst Frauen, die mehrere Jahre in Deutschland gelebt und während dieser Zeit als Zeuginnen zur Verfügung gestanden haben, sind nicht vor Abschiebung sicher. Weder eine gelungene Integration (Schulabschluss, Berufstätigkeit, soziales Umfeld) noch eine notwendige therapeutische Begleitung traumatisierter Frauen genügen den Ausländerbehörden als "humanitäre Gründe", um einen Aufenthalt zu erteilen. Auch das Vorliegen geschlechtsspezifischer Asylgründe (v.a. bei Opfern des Menschenhandels aus muslimischen Ländern) wird bis dato nicht anerkannt -  möglicherweise kann dies jetzt über das neu geregelte Zuwanderungsgesetz erreicht werden.

Es ist dringend erforderlich, daß über das Verfahren hinausgehende Perspektiven für die Frauen erarbeitet werden. Zumindest muß die Rückkehr einer Opferzeugin in jedem Fall in Kooperation mit Beratungsstellen und verlässlichen Behörden im Heimatland vorbereitet werden.

Die Fachberatungsstellen leisten Ihre Unterstützung grundsätzlich unabhängig von einer Zeuginnenaussage im Strafverfahren und unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Wird die Ausreise erforderlich, leistet die Fachberatungsstellle auf Wunsch der Betroffenen Unterstützung bei der Organisation und Durchführung der Rückreise. Staatlicherseits wird allein die Rückreise bezahlt.

Situation nach der Rückkehr

Im Heimatland sind die Frauen häufig mit derselben wirtschaftlichen Notsituation konfrontiert, wie vor ihrer Ausreise. Selbst wenn ihnen im Rahmen der Gerichtsverfahren Entschädigungsgelder zugesprochen wurden, stehen diese Mittel ihnen nicht mehr zum Aufbau einer neuen Existenz zur Verfügung, da sie auf ihre Sozialleistungen angerechnet wurden.

Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, das die Frauen entweder als „Illegale“ und abgeschoben oder nach Abschluss eines für sie oftmals beschwerlichen Strafverfahrens, in dem sie als Zeuginnen ausgesagt haben, verlassen haben, sehen sie sich mit derselben Situation wie zuvor konfrontiert.

Jede Frau, die Opfer von Menschenhandel wurde, muss Stigmatisierung befürchten, wenn sie über das Erlebte nach ihrer Rückkehr spricht. Aus diesen Gründen möchten die Frauen lieber schweigen oder gar nicht nach Hause zurückkehren.

Den oft traumatisierten Frauen könnte durch eine qualifizierte psychotherapeutische Betreuung geholfen werden. Eine solche ist in den meisten Herkunftsländern jedoch nicht üblich. Menschen, die eine therapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, werden z.T. als psychisch krank abgestempelt

Die Frauen müssen in den meisten Fällen nach ihrer Rückkehr in materieller, psychischer und gesellschaftlicher Hinsicht mit einer deutlich schlechteren Situation als vorher fertig werden.

Hilfsprogramme gibt es nur sehr eingeschränkt, und die geringen Mittel der NGOs reichen bei weitem nicht aus. Zudem fehlt es an einem staatlichen Ansatz zur Bekämpfung von Menschenhandel. So kommt es nicht selten vor, dass die Frauen den gleichen Weg nochmals gehen und erneut Opfer von Menschenhandel werden.

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