BAG, Urteil vom 16.5.2012
Aktenzeichen 5 AZR 268/11

Stichpunkte

Arbeitsgerichtsverfahren unter anderem um Lohnforderung wegen Lohnwuchers; Anforderungen an den Nachweis einer verwerflichen Gesinnung auf Arbeitgeberseite; tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung nur bei grobem Missverhältnis, wenn Wert der Arbeitsleistung mindestens doppelt so hoch wie der Lohn.

Zusammenfassung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) lehnt einen Anspruch des Klägers auf weitere Lohnzahlung ab und weist seine Revision zurück. Der Kläger hatte von 2002 bis 2009 aushilfsweise als Rettungssanitäter gearbeitet. Er erhielt bis Ende 2007 für den Nachtdienst einen Stundenlohn von 3,20 und für den Tagesdienst von 5,20 Euro. Ab 2007 gab es einen einheitlichen Stundenlohn von 5,11 Euro. Der entsprechende Tariflohn lag bei 8,- Euro. Der Kläger hatte unter anderem weitere Lohnzahlungen wegen sittenwidriger und daher unwirksamer Lohnabsprache beantragt.

Zur Frage der Sittenwidrigkeit stellt das BAG fest, dass zwar ein auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Lohn vorlag, da dieser weniger als zwei Drittel des Tariflohns betrug. Hinzukommen müssten aber weitere sittenwidrige Umstände wie eine verwerfliche Gesinnung auf Arbeitgeberseite. Das Gericht führt aus, dass, wenn der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung, ein grobes Missverhältnis vorliegt und dieses eine verwerfliche Gesinnung annehmen lässt. Dann reiche es aus, wenn der Kläger oder die Klägerin darauf verweise. Der oder die Beklagte müssen dann besondere Umstände vortragen, um sich zu entlasten.

Liegt aber "nur" ein auffälliges Missverhältnis vor, weil der Lohn unter der Zwei-Drittel-Grenze liegt, bedürfe es zur Annahme, dass die Vergütungsabrede nichtig ist, zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden könne, dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die schwache Position des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt habe. Dies sah das Gericht hier nicht gegeben, da der Kläger sich immer wieder bei seinen Einsätzen auf die Lohnabsprache einließ, ohne dass dies aus einer Druck- oder Notsituation heraus geschah.

In dieser Entscheidung setzt sich das Gericht auch mit Fragen zu Ein-Tages-Arbeitsverhältnissen und Betriebsübergang auseinander.

Entscheidung im Volltext:

BAG_16_05_2012 (PDF, 121 KB, nicht barrierefrei)

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