Arbeitsgerichtsverfahren um Lohnforderungen; Lohnwucher; Bestätigung der sogenannten 2/3-Grenze zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit von Lohnvereinbarungen; Ausführungen zur Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Lohn sowie zur Feststellung der Üblichkeit eines Tariflohns.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hebt auf die Revision der Klägerin hin das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg auf und verweist zur Neuverhandlung und Entscheidung an dieses zurück.
Die Klägerin war von 1992 bis 2002 im Gartenbaubetrieb des Beklagten als ungelernte Hilfskraft beschäftigt. Beide Parteien waren nicht tarifgebunden. Die Klägerin, eine Portugiesin, sprach und verstand kein Deutsch. Laut dem in Portugiesisch verfassten Arbeitsvertrag erhielt sie 3,25 € Stundenlohn. Ihre Arbeitszeit war unregelmäßig, bis zu 352 Stunden im Monat. Sie und ihre Familie bekamen vom Arbeitgeber eine Wohngelegenheit auf dem Betriebsgelände gestellt.
Die Klägerin forderte Lohnnachzahlung wegen Lohnwuchers. Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das BAG jedoch hält weitere Feststellungen für notwendig und verweist an das LAG zurück.
Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass eine Entgeltvereinbarung wegen Lohnwuchers unwirksam ist, wenn die Schwächesituation der einen Partei ausgenutzt wird und zwischen den zu gewährenden Leistungen und dem tatsächlichen Lohn ein auffälliges Missverhältnis besteht. Der Senat des BAG stellt fest, dass als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung nicht auf den Abschluss des Arbeitsverhältnisses Bezug zu nehmen ist, sondern auf den gesamten Zeitraum, in dem eine sittenwidrige Lohnvereinbarung in Betracht kommt. Eine ursprünglich wirksame Entgeltvereinbarung kann sittenwidrig und damit unwirksam werden, wenn keine Anpassung an die allgemeine Gehaltsentwicklung stattfindet. Zu berücksichtigen ist außerdem der Gesamtcharakter des Arbeitsverhältnisses, so waren im vorliegenden Fall die gesetzwidrig überlangen und unregelmäßigen Arbeitszeiten der Klägerin mit einzubeziehen, die ihre Ausbeutung verdeutlichten.
Für die weitere Prüfung gibt das BAG dem LAG Hinweise darauf, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Bezug zu nehmen ist zunächst auf den objektiven Wert der Arbeitsleistung, der zu bestimmen ist anhand der Tariflöhne der jeweiligen Branche und Region. Gibt es keine Tarife oder liegt die übliche Vergütung unter dem Tariflohn, ist vom allgemeinen Lohnniveau der Region auszugehen.
Ein auffälliges Missverhältnis sieht das BAG gegeben, wenn der gezahlte Lohn weniger als zwei Drittel des üblichen Tariflohns beträgt. Gegenüberzustellen ist hierbei die regelmäßig gezahlte Vergütung mit dem regelmäßigen Tariflohn, jeweils ohne Einbeziehung von Zulagen oder Ähnlichem. Die konkreten Umstände (z. B. geldwerte Sachbezüge) des Arbeitsverhältnisses haben zudem Berücksichtigung zu finden, da diese unter Umständen zu einer Korrektur der 2/3-Grenze führen können. Gründe für eine solche Korrektur sieht das BAG vorliegend nicht.
Auf subjektiver Seite ist Voraussetzung für das Vorliegen von Lohnwucher nur, dass der oder die Begünstigte das Missverhältnis kennt. Eine besondere Schädigungsabsicht sowie Kenntnis der 2/3-Grenze sind nicht erforderlich. Jedoch muss eine verwerfliche Gesinnung hinzukommen, die anzunehmen ist, wenn der oder die Begünstigte sich leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich das Gegenüber nur aufgrund seiner schwachen Position auf den ungünstigen Vertrag einlässt. Insbesondere hinsichtlich der subjektiven Aspekte und der Üblichkeit des Tariflohns waren im vorliegenden Fall vom LAG noch Feststellungen zu treffen.
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