ArbG Eberswalde, urteil vom 10.9.2013
Aktenzeichen 2 Ca 428/13

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung im Arbeitsgerichtsverfahren; Jobcenter klagt erfolgreich gegen Betreiber eines Pizza-Lieferservice auf Erstattung von an dessen ArbeitnehmerInnen gezahlter Aufstockungsleistungen; umfangreiche Ausführungen zur Feststellung der Sittenwidrigkeit von Löhnen, sowie zur Ermittlung des üblichen Entgelts bei fehlendem Tariflohn; Stundenlohn von unter 3 Euro ist sittenwidrig; Trinkgelder oder Sachbezüge sind nicht auf Arbeitsentgelt anzurechnen

Zusammenfassung

Das Arbeitsgericht Eberswalde (ArbG) verurteilt einen Arbeitgeber dazu, an ein Jobcenter die aufgrund zu niedriger Löhne an seine Angestellten gezahlten Aufstockungsleistungen zurück zu erstatten. Das Jobcenter hatte gegen den Inhaber eines Pizza-Lieferservice geklagt. Dieser hatte seinen ArbeitnehmerInnen Stundenlöhne von unter 3 Euro gezahlt. Da sie davon nicht leben konnten, hatte das Jobcenter Aufstockungsleistungen gezahlt. Diese fordert das Jobcenter aus übergegangenen Vergütungsansprüchen mit seiner Klage vom Arbeitgeber zurück. Es hält die Höhe der Stundenlöhne für sittenwidrig. Das wurde vom Gericht bestätigt. Das ArbG erläutert ausführlich die Feststellung der Sittenwidrigkeit des Lohns aufgrund der vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Kriterien und wie das übliche Entgelt zu ermitteln ist, wenn es keinen Tariflohn gibt. Da die Löhne hier um mehr als die Hälfte unter dem ortsüblichen Entgelt für vergleichbare Tätigkeiten lägen, seien sie sittenwidrig. Dieses besonders grobe Missverhältnis indiziere zudem auch die für den Tatbestand des Lohnwuchers erforderliche verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers. Hätte der Inhaber des Lieferservice die ortsüblichen Löhne gezahlt, hätte das Jobcenter keine Aufstockungsleistungen zahlen müssen. Deshalb muss er jetzt die Leistungen in Höhe von ungefähr 11.000 € an das Jobcenter zurückzahlen. Das Urteil ist rechtskräftig, der Arbeitgeber hat seine Berufung zurück genommen.

 

Entscheidung im Volltext

arbg_eberswalde_10_09_2013 (PDF, nicht barrierefrei, 3,87 MB)

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