Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 18.6.2014
Aktenzeichen L 1 KR 52/14 B ER

Stichpunkte

Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren gegen Krankenkasse auf Übernahme von Therapiekosten; bei dringend indizierter Therapie besteht Anspruch nach Asylbewerberleistungsgesetz; auch nicht im Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zugelassene Therapeut*innen können notwendige Therapien durchführen; aufgrund des Psychotherapeutengesetzes ist von gesicherter Qualität der Behandlung auszugehen

Zusammenfassung

Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) spricht der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren gegen ihre Krankenkasse einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Traumatherapie bei der von ihr gewählten Therapeutin zu. Die Antragsstellerin kommt aus der Kaukasus-Republik Inguschetien und ist alleinerziehende Mutter eines einjährigen Kindes. Sie leidet unbestritten an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer depressiven Störung. Dies ergab sich aus dem Bericht einer Klinik, in der sie über einen Monat aufgrund eines Suizidversuches in Behandlung war. In diesem Bericht und der Bescheinigung einer Psychologin wurde außerdem ein dringender Therapiebedarf attestiert, auch um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Die Klägerin hatte eine Therapie bei einer bestimmten Therapeutin gewünscht. Die Kostenübernahme wurde von der Krankenkasse aber abgelehnt, da diese Therapeutin nicht im Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zugelassen ist. Das LSG stellt zunächst klar, dass von einem umgehenden Behandlungsbedarf im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG auszugehen ist, wenn eine Therapie dringend indiziert ist. Im Falle der alleinerziehenden Klägerin sah das Gericht außerdem einen besonderen Einzelfall, da der Stabilisierung der Psyche der Antragstellerin nicht nur im Hinblick auf ihr eigenes, sondern auch auf das Wohlergehen ihres Kindes eine große Bedeutung zukomme. Außerdem führt das Gericht aus, dass auch Therapeut*innen, die nicht im Sachleistungsprinzip der GKV zugelassen sind, notwendige Therapien im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes durchführen können. Denn das spezielle Sachleistungssystem der GKV sei zu unterscheiden von dem des AsylblG und könne daher keine Einschränkung des aus dem Asylbewerberleistungsgesetz resultierenden Anspruchs begründen. Zur Systematik des AsylbLG gehöre es grundsätzlich nicht, dass nur im Sachleistungsprinzip der GKV zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden können. Auch unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit und Qualitätssicherung sei eine solche Einschränkung nicht begründbar, da seit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes anzunehmen sei, dass die Qualität der Behandlung gesichert ist. Da die Therapeutin ausgeführt hat, sich bei den Therapiekosten an den aktuellen Sätzen der GKV zu orientieren, sei auch davon auszugehen, dass die Therapie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entspricht.

 

Entscheidung im Volltext:

lsg_hamburg_18_06_2014 (PDF, 377 KB, nicht barrierefrei)

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