SG Dresden, Urteil vom 12.12.2016
Aktenzeichen S 3 AS 5728/14

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Erstattung der Fahrtkosten zur Psychotherapie; Ausführungen zu den Voraussetzungen des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II; erforderlich ist ein erheblich überdurchschnittlicher Bedarf, der weder durch Zuwendungen Dritter noch durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann

Zusammenfassung

Das Sozialgericht (SG) verurteilt das Jobcenter dazu, einer Hartz-IV-Bezieherin die Kosten für die wöchentlichen Fahrten zur Psychotherapie zu bezahlen.

Die Klägerin und ihr Sohn gehen seit dem Tod des Mannes bzw. Vaters zwei Mal in der Woche zu einer Psychotherapie. Hierzu müssen sie nach Dresden fahren, die Mutter begleitete ihren damals 12-jährigen Sohn zudem bei seinen Fahrten zur Therapie, da er mehrfach umsteigen musste. Ihre Monatskarten reichten jedoch nicht bis zum Praxisort der Therapeuten, so dass die Frau innerhalb eines halben Jahres fast 200 EUR Zusatzkosten hatte. Die Krankenkasse übernahm diese Kosten nicht. Auch das Jobcenter lehnte die Kostenübernahme ab, da die Fahrtkosten im Regelbedarf enthalten seien. Außerdem hätte sie sich Therapeuten am Heimatort suchen können. Die Frau reichte hiergegen Klage ein. Das Gericht gibt ihr teilweise Recht und stellt fest, dass die Fahrtkosten der Frau als Mehrbedarf vom Jobcenter zu zahlen sind. Das Gericht macht Ausführungen zu den Voraussetzungen des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II. Dies ist eine sogenannte Härtefallregelung, nach der für im Gesetz nicht geregelte Fälle ein Mehrbedarf gezahlt werden soll. Ein solcher Mehrbedarf liegt vor, wenn er weder durch Zuwendungen Dritter noch durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden kann. Auch muss er in der Höhe erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss das Jobcenter die Kosten tragen. Für die Fahrtkosten der Frau zu ihrer eigenen Therapie und als Begleitperson für ihren Sohn führt das Gericht aus, dass im Regelbedarf für Verkehr bei Erwachsenen 2014 monatlich 24,62 € vorgesehen waren. Die Frau hatte diesen Betrag schon mit dem Kauf ihrer Monatskarte für 80 € deutlich überschritten. Die zusätzlichen rund 30 € monatlich konnte sie nicht auch noch zahlen. Damit lag nach Ansicht des SG ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II vor.

Für die zusätzlichen Fahrtkosten des Sohnes in Höhe von rund 6 € monatlich stellte das Gericht jedoch fest, dass diese noch aus dem Regelbedarf zu decken seien. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

 

Entscheidung im Volltext

sg_dresden_12_12_2016 (PDF, 30 KB, nicht barrierefrei)

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