Interessante Entscheidung im Asylverfahren um Feststellung eines Abschiebungsverbotes für von Zwangsverheiratung bedrohte Albanerin; kein effektiver staatlicher Schutz; Verweis auf Länderberichte; Ausweichen in andere Landesteile nicht möglich
Das Verwaltungsgericht (VG) spricht der Klägerin Abschiebeschutz gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu.
Die Klägerin ist albanische Staatsangehörige, war 2015 nach Deutschland gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt, da sie in Albanien von Zwangsverheiratung bedroht sei. Da ihr Antrag abgelehnt wurde, reichte sie Klage auf Flüchtlingsanerkennung ein. Diese reduzierte sie im Laufe des Verfahrens auf Zuerkennung von Abschiebeschutz.
Das VG erkennt einen Anspruch auf Abschiebeschutz zu. Es glaubt der Klägerin, dass sie in Albanien von ihrem Vater gegen ihren Willen verheiratet werden sollte und dass sie, nach ihrer Weigerung bedroht ist und keinerlei Schutz aus ihrem Umfeld zu erwarten hat. Das Gericht sieht zwar Bemühungen des albanischen Staates, die Rechte der Frauen durch Gesetze und bestimmte Maßnahmen zu verbessern, stellt aber unter Berufung auf Berichte des Auswärtigen Amtes und von Amnesty International fest, dass geschlechtsspezifische Gewalt als schwerwiegendes, mit der patriarchalischen Kultur Albaniens verbundenes Problem anerkannt ist und Frauen in der Praxis immer noch keinen Schutz durch Polizei und Behörden zu erwarten haben.
Das VG führt aus, dass arrangierte Ehen besonders im ländlichen Raum üblich und von Zwangsverheiratungen oft nicht zu unterscheiden seien.
Die Klägerin sei für den Fall ihrer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit der Gefahr von Freiheitsberaubung und schweren Verletzungen durch ihre Familie ausgesetzt. Da Albanien ein kleines Land ist, sei es auch nicht möglich, sich dem Zugriff der Familie zu entziehen, insbesondere im ländlichen Raum fehle es an staatlichem Schutz. Aufgrund dieser Gefährdung sprach das Gericht Abschiebeschutz zu.
Entscheidung im Volltext:
vg_gelsenkirchen_03_04_2017 (PDF, 310 KB, nicht barrierefrei)