SG Landshut, Urteil vom 31.1.2018
Aktenzeichen S 11 AS 624/16

Stichpunkte

Interessante Entscheidung im Sozialgerichtsverfahren über Hartz IV-Leistungen für EU-Bürger*innen; Ausführungen zum europarechtlichen Arbeitnehmerbegriff; Au-pair-Tätigkeit als Arbeitnehmer*innentätigkeit einzustufen

Zusammenfassung

Das Sozialgericht (SG) spricht einer Kroatin einen Anspruch auf Hartz IV-Leistungen zu. Die Frau hatte für 7 Monate täglich vier bis fünf Stunden als `Au-pair´ bei einer Familie in Deutschland gearbeitet. Dafür erhielt sie freie Unterkunft und Verpflegung sowie 260 Euro Taschengeld und weitere Zuwendungen, wie Kosten für einen Sprachkurs u.a. Danach war sie mehrere Monate in einem Hotel beschäftigt, kündigte dort aber aus gesundheitlichen Gründen. Als sie sich arbeitssuchend meldete, bekam sie zunächst Hartz IV-Leistungen, die ihr aber wegen Eigenkündigung gekürzt wurden.

Ihr Folgeantrag wurde abgelehnt, da sie weniger als ein Jahr gearbeitet und ihren Arbeitsplatz selbst gekündigt habe. Ihre Tätigkeit als Au-pair sei nicht als Arbeitnehmer*innentätigkeit einzustufen, da diese nicht vorrangig dem Einkommenserwerb diene und könne also nicht mitgezählt werden. Als arbeitsuchende EU-Bürgerin sei sie von Leistungen ausgeschlossen.

Das Sozialgericht wertet dies anders. Es macht Ausführungen zum Arbeitnehmer*innenbegriff i.S. des Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit). Dieser dürfe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht zu eng ausgelegt werden. Wesentliche Merkmale seien die Tätigkeit auf Weisung für jemand anderen und eine Vergütung hierfür.

Auch die Tätigkeit als Au-pair könne als Arbeitnehmer*innentätigkeit gewertet werden. Tätigkeiten ab zehn Wochenstunden stellten in der Regel ein Arbeitsverhältnis dar. Auch die Gewährung von Verpflegung und Unterkunft reichten als Vergütung aus. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis auch nicht freiwillig beendet, sondern aus gesundheitlichen Gründen, wie das ärztliche Attest belege. Damit habe sie länger als ein Jahr gearbeitet und ein Leistungsanspruch sei gegeben.

 

Entscheidung im Volltext:

sg_landshut_31_01_2018 (PDF, 68 KB, nicht barrierefrei)

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