Erfolgreicher Eilantrag einer schwangeren Nigerianerin im einstweiligen Rechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Italien; Gericht sieht keine systemischen Mängel im italienischen Asylsystem, aber für besonders schutzbedürftige Personen wie Schwangere Überstellung nur bei individueller Schutzzusage zulässig; umfassende Darstellung des italienischen Asylsystems; Verweis auf weitere Rechtsprechung
Das Verwaltungsgericht (VG) ordnet im einstweiligen Rechtsschutz die aufschiebende Wirkung der Klage einer Nigerianerin gegen ihre Dublin-Überstellung nach Italien an.
Die Klägerin war im Oktober 2018 nach Deutschland gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt. Sie war nach ihren Angaben über Italien eingereist, wo sie ca. 2 Jahre zur Prostitution gezwungen worden sei. Sie habe fliehen können, die „Madame“ habe ihr aber telefonisch gedroht, sie töten zu lassen, falls sie nicht zurückkehre.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnt den Antrag unter Verweis auf die Zuständigkeit Italiens ab. Der Menschenhandelstatbestand sei mit der Flucht der Klägerin beendet gewesen und im Übrigen zweifelhaft, da die Klägerin keinen Schutz beim italienischen Staat gesucht habe, der bereit und fähig sei, Asylbewerber*innen Schutz zu gewähren.
Das Gericht sieht jedoch ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des BAMF. Es stellt die Anforderungen dar, die an eine Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems und eine Widerlegung der grundsätzlich anzunehmenden Sicherheitsvermutung zu stellen sind. Zwar bestünden keine systemischen Mängel im italienischen Asylsystem, die eine Überstellung grundsätzlich unmöglich machen würden, bei der im fünften Monat schwangeren Frau sei jedoch ein Abschiebehindernis wahrscheinlich. Sie gehöre zum in Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments (Aufnahmerichtlinie) definierten Kreis der besonders schutzwürdigen Personen. Unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung (Tarakhel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 04.11.2014, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.8.2017) kommt das VG zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nur verhindert werden kann, wenn die italienischen Behörden vor der Überstellung eine den speziellen Bedürfnissen der schwangeren Frau gerecht werdende Unterbringung und Versorgung individuell zusichern.
Da dies nicht gegeben ist, sieht das Gericht rechtliche Gründe vorliegen, die gegen eine Abschiebung sprechen, so dass die Klage in der Hauptsache erfolgreich sein würde, was wegen überwiegenden Interesses der Klägerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit dazu führe, dass ihrem Antrag stattzugeben sei.
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