LG Freiburg, Urteil vom 6.8.2018
Aktenzeichen 5/18-6 KLs 160 Js 32949/17

Stichpunkte

Urteil im sog. „Staufener Missbrauchsfall“; Verurteilung wegen Zwangsprostitution und schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern zu 10 Jahren Freiheitsstrafe und Zahlung von 18.000 € Schmerzensgeld an den Nebenkläger; umfassende Ausführungen zur `Hangtäterschaft´ als Voraussetzung für Sicherungsverwahrung

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) verurteilt den Angeklagten wegen schweren Missbrauchs von Kindern, Zwangsprostitution u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und einer Zahlung von 18.000 € an den Nebenkläger.

Der Angeklagte hatte den Stiefvater des zu Beginn der Taten siebenjährigen Nebenklägers im Frühjahr 2016 im Darknet kennengelernt. Der Nebenkläger wurde von seiner Mutter und dem Stiefvater bereits seit Mai 2015 regelmäßig missbraucht. Das Paar überließ das Kind zudem gegen teilweise hohe Geldbeträge Männern, die es im Darknet kennenlernte, zur Vergewaltigung und fertigte Videoaufnahmen der Taten an.

In Absprache mit dem Angeklagten, der dabei für die Kosten aufkam, wurden jeweils für Wochenenden Ferienwohnungen angemietet. In diese zog der Angeklagte für mehrere Tage gemeinsam mit dem Kind, dessen Mutter und/oder deren Lebensgefährten ein. Dabei kam es mehrfach zu Übergriffen, an denen sich zum Teil auch alle drei Erwachsenen beteiligten, wobei es auch zu Gewaltexzessen kam. Der Angeklagte filmte oder fotografierte die Taten und verkaufte die Filme und Fotos später oder nutzte sie für sich.

Insgesamt kam es so in der Zeit von Frühjahr 2015 bis Herbst 2017 zu 17 Fällen von schwerem Missbrauch und Vergewaltigungen an dem Jungen, für die der Angeklagte jeweils zwischen 1000 und 5000 € an die Mutter und deren Lebensgefährten zahlte. Der Junge bekam jeweils 100 €.

Im September 2017 wurden die Mutter und der Stiefvater festgenommen.

Das Gericht stellt fest, dass die Taten ursächlich für eine schwere Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Befindens des Nebenklägers zumindest im Hinblick auf eine Störung seiner Sexualentwicklung seien, was dem Angeklagten auch bewusst gewesen sei. Weiter macht es umfassende Ausführungen im Rahmen der Strafzumessungzu zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechenden Umstände, wobei zu seinen Gunsten insbesondere sein umfangreiches Geständnis gewertet wurde. Zu seinen Lasten fielen unter anderem die Vielzahl der Taten und der lange Zeitraum von über einem Jahr ins Gewicht.

Das Gericht erläutert außerdem ausführlich die Frage der Anordnung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gem. § 66 Strafgesetzbuch (StGB) und sieht hierfür zwar die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB für eine optionale Anordnung der Sicherungsverwahrung gegeben, da der Angeklagte wegen fünfzehn Taten der in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Art jeweils zu Freiheitsstrafen zwischen zwei

Jahren sechs Monaten und sechs Jahren verurteilt wurde. Die materiellen   Voraussetzungen sieht das LG aber nicht gegeben, da der Angeklagte nicht als Hangtäter im Sinne des § 66 Absatz 1 Nr. 4 StGB einzustufen sei.

Maßstab hierfür sei ein innerer Zustand des Täters, der ihn insbesondere aufgrund einer Neigung bestimmte Straftaten immer wieder begehen ließe.

Das Gericht legt, auch unter Berufung auf den zugezogenen Sachverständigen, anhand von in der Person des Angeklagten liegenden Risikomerkmalen und diesen gegenüberstehenden prognostisch günstigen Umständen detailliert dar, warum es im Falle des Angeklagten eine Hangtäterschaft verneint.

Als Risikofaktoren benennt das LG insbesondere die beim Angeklagten vorliegende Sexualpräferenzstörung in Form einer homosexuellen Pädophilie, aus der ein hohes Rückfallrisiko resultiere. Auch die erhebliche Anzahl der Taten und der Umstand, dass die Konfrontation mit dem Leid des Jungen ihn nicht von weiteren Taten abhielten, seien als Risikofaktor einzustufen. Jedoch sieht das Gericht die Faktoren, die für eine positive Prognose sprechen, überwiegen. Hierfür stützt es sich im Wesentlichen darauf, dass der Angeklagte mit seiner Neigung offen umgehe und sich in der Vergangenheit Therapien unterzogen habe, die auch positive Wirkung gezeigt hätten. Auch sei er weiterhin therapiebereit, was hoffen ließe, dass er Verhaltensmuster erlerne, die das Risiko zukünftiger Übergriffe verringerten.

Siehe hierzu  (Aufhebung der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung) BGH Urteil vom 09.05.2015

Entscheidung im Volltext:

lg_freiburg_06_08_2018 (PDF, 1,4 MB, nicht barrierefrei)

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