SG Kassel, Urteil vom 20.8.2020
Aktenzeichen S 11 KG 2/20

Stichpunkte

Positive Entscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Anspruch auf Kindergeldzahlung an sich selbst; Ausführungen zu den Voraussetzungen zu einem solchen Anspruch und den erforderlichen Bemühungen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der Eltern

Zusammenfassung

Das Sozialgericht (SG) verurteilt die Familienkasse zur Zahlung von Kindergeld an den Kläger. Der Kläger ist in Ghana geboren und mit seinem Vater 2014 nach Deutschland gekommen. Er besitzt einen spanischen Pass. Bis Juni 2020 ging er zur Schule, seit Juli 2020 arbeitet er in Vollzeit. Nach seinen Angaben kennt er seine Mutter nicht. Mit dem Vater hat er in München zusammengelebt, bis es zu einem Zerwürfnis kam, da der Vater den Kläger nach Ghana schicken wollte und der Kläger in eine andere Stadt zog. Dort übernahm das Jugendamt die Vormundschaft für ihn. Dem Kläger ist der Aufenthaltsort seines Vaters unbekannt. Auf Antrag des Jugendamtes wurde zunächst Kindergeld bis Juni 2019 an den Kläger und das Jugendamt gezahlt. Im August 2019 beantragte der Kläger Kindergeld zur Auszahlung an sich. Dies lehnte die Familienkasse ab, da kein Anspruch gem. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gegeben sei. Es fehle an ausreichenden Bemühungen des Klägers zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der Eltern. Das Gericht legt die umfassenden Ausführungen des Beklagten zu den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG dar. Insbesondere seien danach von dem Kind alle Anstrengungen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der Eltern zu erwarten, sei es durch Nachforschung bei Verwandten oder durch Einschaltung von Suchdiensten.

Der Kläger hat in der Verhandlung vor dem SG angegeben, er habe nach der Trennung vom Vater zunächst keinen Kontakt zu diesem gewollt, da er nicht nach Ghana zurückgeschickt werden wollte. Spätere Versuche, den Vater über Handy zu erreichen, seien dann erfolglos gewesen. Auch Nachfragen bei Verwandten in Ghana nach dem Aufenthaltsort des Vaters seien ohne Ergebnis geblieben.

Das SG hält diese Angaben des Klägers zu seinen Bemühungen für glaubhaft. Ebenso geht es davon aus, dass zuvor seitens des Jugendamtes Versuche zum Auffinden des Vaters unternommen wurden. Das SG weist außerdem darauf hin, dass Suchdienste wie der des Deutschen Roten Kreuzes zur Ermittlung des Aufenthaltsortes nicht in Anspruch genommen werden könnten, da diese ausdrücklich darauf verwiesen, nicht zum Zwecke der Durchsetzung von Kindergeldansprüchen zur Verfügung zu stehen.

Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass dem Kläger keine missbräuchliche Unkenntnis des Aufenthaltsortes seiner Eltern vorzuwerfen sei.

Ein Kindergeldanspruch sei aber nur für den Zeitraum bis zur Aufnahme der Vollbeschäftigung gegeben.

 

 

 

Entscheidung im Volltext:

 

sg_kassel_20_08_2020 (PDF, 286 KB, nicht barrierefrei)

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