Interessante Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gegen Abschiebungsanordnung; Duldung gem. § 60a AufenthG für Betroffene von sexueller Belästigung wegen besonderen persönlichen Interesses am Ausgang des Verfahrens; zur Erforderlichkeit der Erklärung der Strafverfolgungsbehörden zur Notwendigkeit der Anwesenheit der ausländischen Person
Das Verwaltungsgericht (VG) ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsandrohung an. Die Klägerin hatte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht, Opfer sexueller Belästigung gemäß § 184i Strafgesetzbuch (StGB) geworden zu sein und Anzeige erstattet zu haben.
Das VG stellt fest, dass sie damit nachträglich Umstände vorgetragen habe, die ihr Interesse am vorläufigen Verbleib in Deutschland das öffentliche Interesse am Vollzug der Abschiebung überwögen. Es ergebe sich zwar kein Anspruch auf eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), da hiernach eine Abschiebungsaussetzung nur in Betracht komme, wenn die Strafverfolgungsbehörden die Anwesenheit einer ausländischen Person zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens für notwendig erklären. Vorliegend handele es sich aber zum einen um ein Vergehen und kein Verbrechen und vor allem fehle es an der erforderlichen Erklärung von Staatsanwaltschaft oder Strafgericht. Das VG hebt hervor, diese Erklärung obläge allein den Strafverfolgungsbehörden und könne nicht von der Ausländerstelle oder dem VG ersetzt werden.
Das VG sieht aber einen Duldungsgrund gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG gegeben, da die Klägerin als Betroffene der sexuellen Belästigung ein besonderes persönliches Interesse am Ausgang des Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens habe. Das Fehlen der Erklärung der Strafverfolgungsbehörden zur Notwendigkeit der Anwesenheit einer ausländischen Person für ein Strafverfahren könne nicht dazu führen, dass Verbrechensopfern nicht eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilt werden könne.
Zwar liege kein Verbrechen vor, aber weil gegen den Beschuldigten mehrere Anzeigen vorlägen und die Klägerin selber Opfer geworden sei und ihr besonderes Interesse am Ausgang des Verfahrens glaubhaft gemacht habe, habe sie einen dringenden persönlichen Grund und ein erhebliches öffentliches Interesse für eine Duldungserteilung glaubhaft gemacht.
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