Positive Entscheidung im Asylverfahren um Flüchtlingsanerkennung für nigerianische von Menschenhandel Betroffene
Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einer Nigerianerin die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen.
Die Frau war 2014 mit ihrem Ehemann und zwei gemeinsamen Töchtern nach Deutschland eingereist und hatte Asyl beantragt. Bei ihrer Anhörung hatte sie angegeben, 2003 aus Nigeria ausgereist zu sein. Dort habe sie als Friseurin gearbeitet und ein Mann habe ihr gesagt, damit könne sie in Europa viel Geld verdienen. Sie sei über Frankreich nach Italien gereist, wo sie einer Frau zugeführt worden sei und man ihr eröffnet habe, sie müsse in der Prostitution ihre Schulden abarbeiten. Falls sie sich widersetze, würde sie oder ihre Verwandten umgebracht. Als sie nicht arbeiten wollte, sei ihr gesagt worden, sie müsse zuerst 45.000 € abbezahlen.
Sie sei nach ungefähr 6 Monaten geflohen und von einer Frau zu einer Kirche gebracht worden, wo ihr geholfen wurde. Die Frau verfolge sie noch und in Nigeria sei sie gefährdet.
Ihr Antrag wurde in vollem Umfang abgelehnt und die Abschiebung der Familie nach Nigeria angedroht.
Die Familie legte Klage ein. In der mündlichen Verhandlung gab die Frau an, seit ihrer Flucht von der `Madame´ und den Hintermännern nicht behelligt worden zu sein, aber die Menschenhändler*innen würden ihren Verwandten in Benin City fortdauernd nachstellen.
Das VG sieht die Voraussetzungen der Flüchtlingsanerkennung gem. § 3 AsylGesetz (AsylG) erfüllt. Sie sei als Opfer von Menschenhandel vorverfolgt aus Nigeria ausgereist
Das Gericht erläutert die Vorgehensweise der Menschenhandelsorganisationen in Nigeria umfassend und stellt die Sanktionsmechanismen dar. Hierin lägen menschenrechtswidrige Verfolgungshandlungen gem. § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2. AsylG.
Weiter führt es unter Bezug auf das VG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2014 und das VG Regensburg, Urteil vom 19.10.2016 aus, dass rückkehrende Betroffene als bestimmte soziale Gruppe i.S.d. § 3b Abs.1 Nr. 4 AsylG zu sehen seien. Schutz seitens des Staates habe diese Gruppe nicht zu erwarten.
Hinsichtlich einer der Klägerin im Falle der Rückkehr drohenden Gefahr erneuter Verfolgung, räumt das Gericht ein keine klaren Erkenntnisse zu haben, da es unterschiedliche Berichte gäbe. Es macht daher Ausführungen zur Vorgehensweise bei einer Risikoeinschätzung. Risikoinduzierende Faktoren seien beispielsweise Höhe der `Schulden´, Alter, Bildungs- und Familienstand, finanzielle Mittel etc., familiäres Unterstützungsnetzwerk). Auf Grundlage dieser Indikatoren sei bei der Klägerin von einer hohen Gefährdung auszugehen. Ihre Schulden seien als hoch einzustufen, sie habe Anzeige bei der italienischen Polizei erstattet und die Hintermänner stellten ihrer Familie fortdauernd nach. Unter Bezug auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2019 stellt das VG klar, es sei davon auszugehen, dass im Falle der Rückkehr die gesamte Familie zurückkehre. Aufgrund der großen Bedeutung der Familie in Nigeria sei es ohne familiäre Anbindung nicht möglich, Fuß zu fassen, im Falle der Klägerin, die 16 Jahre in Europa gelebt habe umso mehr. Eine Rückkehr könne daher nur zur Familie der Klägerin oder ihres Ehemannes geschehen. In beiden Fällen sei sie durch die Händlerringe leicht auffindbar.
Entscheidung im Volltext: