LG Köln, Beschluss vom 25.2.2022
Aktenzeichen 102 KLs 17/20

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung des Landgerichts Köln zu Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren; (Schwerer) Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in 72 Fällen über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten

Zusammenfassung

Das Landgericht Köln (LG) verurteilt den Angeklagten wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 72 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Übergriff, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 23 Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren.

Das LG verurteilt den Angeklagten darüber hinaus, an die Neben- und Adhäsionsklägerinnen Schmerzensgeld zu zahlen. Dieses einmal in Höhe von 5.000 EUR, einmal in Höhe von 10.000 EUR und einmal in Höhe von 35.000 EUR. Das Gericht stellt fest, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Nebenklägerinnen alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den zu ihrem Nachteil begangenen, der Verurteilung des Angeklagten zu Grunde liegenden Taten zu ersetzen.

Der Angeklagte ist katholischer Priester. Er missbrauchte neun Nebenklägerinnen über einen Gesamtzeitraum von 25 Jahren. Dem Verfahren lagen anfangs Taten zum Nachteil seiner drei Nichten sowie einer weiteren Nebenklägerin zugrunde. Nachdem in der Hauptverhandlung fünf weitere Geschädigte Missbrauchstaten des Angeklagten geschildert hatten, hat die Staatsanwaltschaft diese Taten im Wege der Nachtragsanklage in das Verfahren einbezogen. Der Angeklagte hat die Taten eingestanden.

In Bezug auf die Adhäsionsanträge stellt das LG fest, dass der Angeklagte mehrfach und vorsätzlich die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen verletzte.

Der Adhäsionsklägerin L1 spricht das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 EUR zu. Das Gericht betont die Häufigkeit und Schwere der Taten und die gravierenden Rechtsgutsverletzungen. Dabei berücksichtigt das LG, dass große Teile der Kindheit und Jugend der Betroffenen von den vielfachen sexuellen Übergriffen des Angeklagten geprägt waren, der sie zu diesem Zweck in ein manipulatives Netz von Kontrolle, Einflussnahme und Abhängigkeit verstrickte. Zudem müsse die Betroffene mit den psychischen Folgen der Taten leben. Aus diesen Gründen befindet das Gericht ein erhebliches Schmerzensgeld für angemessen. Der Adhäsionsklägerin I2 spricht das LG 10.000 EUR und der Adhäsionsklägerin L 5.000 EUR Schmerzensgeld zu. Dies begründet das Gericht mit der, im Vergleich zu den Taten gegenüber L1, geringeren Häufigkeit der Übergriffe und dem kürzeren Tatzeitraum. Gleichwohl bewertet das Gericht die Folgen der Tat in beiden Fällen als erheblich, was die Zubilligung eines nicht nur geringfügigen Schmerzensgeldes rechtfertigt. Das ist insbesondere für die Adhäsionsklägerin I2 der Fall, die Opfer eines schweren sexuellen Kindesmissbrauchs durch den Angeklagten wurde. Bei ihr hat das LG auch bereits eingetretene, ganz erhebliche Tatfolgen für die Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt.

 

Entscheidung im Volltext:

LG_Koeln_25_02_2022 (PDF, 192 KB, nicht barrierefrei)

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