LG Berlin, Urteil vom 19.6.2023
Aktenzeichen 525 KLs 28/22

Stichpunkte

Deutliches Urteil des Landgerichts Berlin gegen drei Angeklagte wegen sexueller Nötigung, gefährlicher Körperverletzung, versuchter Zwangsprostitution, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, Bedrohung; Entschuldigung und Zahlung von insgesamt 22.000 EUR im Rahmen eines Täter-Opferausgleichs; Anbahnung einer Liebesbeziehung vor der Tat strafmildernd berücksichtigt

Zusammenfassung

Das Landgericht Berlin (LG) verurteilt einen von drei Angeklagten (D) wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter schwerer Zwangsprostitution, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzt. Die Tatsache, dass sich zwischen der Nebenklägerin und dem Hauptangeklagten in den zwei Monaten vor der Tat eine Liebesbeziehung angebahnt hat, berücksichtigt es strafmildernd. Zwei weitere Angeklagte (T und N) verurteilt das LG wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur sexuellen Nötigung, versuchter schwerer Zwangsprostitution und Bedrohung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, deren Vollstreckung es ebenfalls für beide Angeklagte zur Bewährung aussetzt.

Der Angeklagte D, der schon vor der Tat wusste, dass die Nebenklägerin im Escort-Service arbeitete, hatte schon bei ihrem Kennenlernen im September 2022 den Entschluss gefasst, die Nebenklägerin auf Dauer als Prostituierte für sich arbeiten zu lassen und ihre kompletten Einnahmen zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhaltes zu vereinnahmen. Bereits im Vorfeld der Tat hatte er sie daher mehrfach gedrängt, für ihn zu arbeiten und ihm ihren gesamten Verdienst auszuhändigen. Im Gegenzug hatte er Schutz und einen Fahrer (den Angeklagten T) angeboten. Die Nebenklägerin, die – neben der Beziehung zu seiner Verlobten M – eine Liebesbeziehung mit ihm pflegte, hatte das ausgeschlagen.

Der Angeklagte D akzeptierte ihre Ablehnung nicht und war zudem über eine kompromittierende SMS der Nebenklägerin an M verärgert. Er fasste daraufhin gemeinsam mit T und N den Plan, sie für die SMS zu bestrafen und sie gefügig zu machen und für D arbeiten zu lassen.

Unter dem Vorwand mit ihr reden zu wollen, holte D die Nebenklägerin am 26.10.2022 aus der Nähe ihrer Wohnanschrift mit dem Auto ab. Unter einem weiteren Vorwand stiegen T und N in der Nähe ins Auto ein. Sie fuhren die Nebenklägerin zur Wohnung von M, in der sie sie wegen der SMS zur Rede stellten. N durchsuchte ihr Handy nach Nachrichten und zeigte diese D, woraufhin dieser die Nebenklägerin mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Im weiteren Verlauf schlug auch mindestens einer der beiden anderen auf Arme und Rücken der Nebenklägerin ein. T nahm ein Messer und schnitt der stark verängstigten Nebenklägerin ihre hüftlangen Haare unordentlich auf Schulterlänge ab, während D und N ihre Hände festhielten und einer von ihnen drohte, die Nebenklägerin ins Bein zu stechen bzw. sie umzubringen. N drohte, ihr die Fingernägel mit einer Zange herauszureißen. D zerrte sie auf den Balkon der im 6. Obergeschoss gelegenen Wohnung und drohte, sie über das Geländer zu schubsen. Zurück im Wohnzimmer forderte D sie erneut auf, für ihn zukünftig als Prostituierte zu arbeiten und ihre gesamten Einnahmen an ihn abzuliefern. Er befahl ihr, sich vollständig auszuziehen und sich auf das Bett zu legen. Er kündigte an, dass sie sie zu dritt vergewaltigen und ein Video davon ins Internet stellen würden. Die Nebenklägerin kam der Aufforderung nach. D beugte sich über die entkleidete Nebenklägerin, begann sie zu küssen und zu berühren, obwohl sie ihm sagte, dass sie das nicht wollte. T und N gaben vor, das Geschehen zu filmen. Im Anschluss gab D vor, den beiden Mitangeklagten aufzugeben, zum Auto der Nebenklägerin zu gehen und es anzuzünden, um die Nebenklägerin zur Zusammenarbeit mit ihm zu bewegen. N und T verließen daraufhin die Wohnung. Der in der Wohnung mit der Nebenklägerin zurückgebliebene D veranlasste sie, sich rücklings auf das Bett zu legen. Er machte vier kurze Videos von ihrem gesamten, unbekleideten Körper, inkl. des Intimbereichs, und drohte sie im Internet zu veröffentlichen, wenn sie nicht einwillige für ihn zu arbeiten. D drohte der Nebenklägerin außerdem, ihre Tochter zu entführen und ihre Schwester zu vergewaltigen, sollte sie seiner Aufforderung nicht Folge leisten. Um der Situation zu entkommen, gab die Nebenklägerin vor, für ihn als Prostituierte zu arbeiten. Nach der vorgegebenen Zusage rief D die beiden Mitangeklagten an und verkündete, dass er sich mit der Nebenklägerin geeinigt hätte. N schlug vor, die Nebenklägerin für die SMS nachhaltig zu bestrafen, schnitt ein weiteres Stück ihrer Haare ab und schlug sie mit dem Messergriff auf den Kopf. D hieß die beiden Mitangeklagten an, die Tathandlungen zu beenden. Sie verließen die Wohnung mit der Nebenklägerin und brachten sie zu ihrer Wohnanschrift zurück.

Neben Schmerzen litt die Nebenklägerin psychisch unter dem Eindruck des Geschehens, konnte für mehrere Wochen nur mit Angst die Wohnung verlassen und nicht in vollem Umfang ihrer Arbeit als Prostituierte nachgehen. Sie befürchtete bis zur Urteilsverkündung Repressalien durch die Angeklagten und deren Angehörige.

Bereits während der Untersuchungshaft zahlte D an die Angeklagte 14.500 EUR; im Rahmen der Hauptverhandlung weitere 4.500 EUR. T und N zahlten jeweils 1.000 EUR. Alle Angeklagten entschuldigten sich bei der Nebenklägerin für ihr Verhalten.

Nach mehrtätiger Vernehmung der Nebenklägerin gestanden die Angeklagten die Tat, wobei N ein Teilgeständnis ablegte, was das LG strafmildernd berücksichtigt. Die Tatsache, dass sich zwischen der Nebenklägerin und dem Hauptangeklagten in den zwei Monaten vor der Tat eine Liebesbeziehung angebahnt hatte, berücksichtigt das LG in bedenklicher Weise ebenfalls strafmildernd.

Kernpunkte

sexuelle Nötigung, gefährliche Körperverletzung, versuchte Zwangsprostitution, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, Bedrohung; Entschuldigung und Entschädigungszahlung im Rahmen eines Täter-Opferausgleichs

 

Entscheidung im Volltext:

LG_Berlin_19_06_2023 (PDF, 192 KB, nicht barrierefrei)

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