OLG Celle, Beschluss vom 1.11.2023
Aktenzeichen 2 Ws 293/23

Stichpunkte

Klarstellende Entscheidung des Oberlandesgericht Celle (OLG) im Strafverfahren wegen Zwangsprostitution nach § 232a Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. StGB; Abgrenzung zwischen strafbarem Versuch und strafloser Vorbereitung; Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze des Versuchs nach § 22 StGB

Zusammenfassung

Das Oberlandesgericht Celle (OLG) hat auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft beschlossen, dass der Beschluss des Landgerichts Hannover (LG) vom 22.09.2023 teilweise aufgehoben wird. Zunächst bestätigt das OLG die Entscheidung des LG, wonach eine Anklage wegen des Versuchs einer Veranlassung zur Prostitution einer Person unter 21 Jahren gem. § 232a Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) und wegen des Versuchs zur Veranlassung zur Prostitution unter Drohung mit einem empfindlichen Übel nach § 232a Abs. 3 StGB nicht zugelassen wird. Das OLG hält demgegenüber einen hinreichenden Verdacht wegen versuchter Nötigung gem. § 240 Abs. 1 und 3 StGB zum Nachteil von einer der zwei Betroffenen für gegeben und beschließt, den Straftatbestand der versuchten Nötigung zur Anklage zuzulassen und darüber das Hauptverfahren zu eröffnen.

Das OLG nimmt Bezug auf den Beschluss des LG vom 22.09.2023, durch den zwei von vier Taten nicht zur Anklage zugelassen wurden. Dabei ging es um zwei Tatvorwürfe: der Angeklagte soll jeweils versucht haben, eine andere Person unter 21 Jahren zu veranlassen, die Prostitution aufzunehmen, wobei er in einem Fall einer Person zu diesem Zweck mit einem empfindlichen Übel gedroht haben soll. Nach den Feststellungen des LG hat der Angeklagte einer der beiden betroffenen Personen damit gedroht, Säure in ihr Gesicht zu kippen, um sie zur Prostitutionsausübung zu bringen. Beide Betroffenen haben die Prostitutionsausübung stets abgelehnt und sind der Prostitution nicht nachgegangen.

Das OLG ist – genauso wie das LG – der Auffassung, dass die Handlungen wegen versuchter Zwangsprostitution mangels hinreichenden Tatverdachts nicht zur Anklage zuzulassen seien, mit der Folge, dass auch die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen sei. Zur Begründung nimmt es Bezug auf die Rechtsprechung des BGH vom 01.06.2022, in der der BGH den strafbaren Versuch der schweren Zwangsprostitution nach § 232a Abs. 3 StGB von straflosen Vorbereitungshandlungen abgrenzt. Das OLG kommt damit zum Ergebnis, dass die vorgeworfenen Handlungen des Angeklagten keine strafbaren Versuchshandlungen, sondern straflose Vorbereitungen waren. Bei der Bewertung wendet das OLG die allgemeinen Grundsätze und die Definition des Begriffs `Versuch´ gem. § 22 StGB an. Strafbarkeit des Versuchs erfordere bei Erfolgsdelikten eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts, was auch bei der Veranlassung zur Prostitution gelte. Dafür sprächen der Wortlaut der Regelung in § 232a Abs. 2 StGB, der Wille des Gesetzgebers, der Sinn und Zweck des Straftatbestandes der Zwangsprostitution als auch die Gesetzessystematik. Das Versuchsstadium bei schwerer Zwangsprostitution sei erreicht, wenn die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen durch die Handlung des Täters direkt gefährdet sei und die Handlung unmittelbar zur Aufnahme der Prostitution führe, ohne die Notwendigkeit von weiteren Zwischenschritten. Im vorliegenden Fall sei es, trotz des Drängens des Angeklagten, nicht zur Aufnahme der Prostitution gekommen, weil die betroffenen Personen stets abgelehnt haben. Eine konkrete Gefährdung der sexuellen Selbstbestimmung habe daher nicht vorgelegen.

Zugleich stellt das OLG fest, dass hinreichender Tatverdacht wegen des angedrohten Säureangriffs besteht, der den Tatbestand der versuchten Nötigung gem. §§ 240 Abs. 1 und 3 StGB erfüllt. Denn anders als bei der versuchten Zwangsprostitution, beginne die versuchte Nötigung schon mit dem Einsatz des Nötigungsmittels, auch wenn dieses nicht zum gewünschten Ziel führt.

Infolgedessen hebt das OLG die Entscheidung des LG dahingehend auf, dass der Tatvorwurf einer versuchten Nötigung in die Anklage aufgenommen wird.

 

Entscheidung im Volltext:

OLG_01_11_2023 (PDF, 3,27 MB, nicht barrierefrei)

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