OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.1.2024
Aktenzeichen ORs 36 SRs 752/23

Stichpunkte

Erfreuliche Revisionsentscheidung im Strafverfahren wegen Körperverletzung und Bedrohung; Angaben der Ehefrau im Gewaltschutzverfahren vor dem Familiengericht im späteren Strafverfahren auch bei Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht verwertbar; Senat betont: Gewalt in der Ehe ist keine Privatsache

Zusammenfassung

Die 1. Strafkammer des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe verwirft die Revision eines Angeklagten gegen seine Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung und Bedrohung. Der Mann hatte seine von ihm getrenntlebende Ehefrau in ihrer Wohnung aufgesucht, ihr mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mit einem Messer gedroht, sie umzubringen. Die Frau hatte vor dem Familiengericht einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt und sich dabei auch auf ihre polizeiliche Vernehmung berufen und eine Kopie des Vernehmungsprotokolls übergeben.

Das Amtsgericht hatte den Mann wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt; das Landgericht die Berufung des Angeklagten hiergegen verworfen.

Auch seine Revision hiergegen, wird vom OLG als unbegründet verworfen. Der Mann hatte sich insbesondere dagegen verwandt, dass bei seiner Verurteilung die Angaben seiner Ehefrau gegenüber dem Familiengericht verwertet wurden, weil diese sich später im Strafverfahren auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte. Darin sah er einen Verstoß gegen das Verwertungsverbot aus § 252 der Strafprozessordnung (StPO).

Der Senat sieht jedoch kein Verwertungsverbot gegeben. Er macht Ausführungen zum Vernehmungsbegriff des § 252 StPO, der weit zu fassen sei und frühere Aussagen von Zeugnisverweigerungsberechtigten beträfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasse dies Aussagen des*der Zeugnisverweigerungsberechtigten in anderen zivil- oder strafrechtlichen Verfahren, die den oder die Angehörige*n belasten könne und diene dem Schutz der Zeugnisverweigerungsberechtigten vor Konflikten zwischen Wahrheitspflicht und familiären Bindungen.

Ausschlaggebend sei dabei aber für die Verwertbarkeit im Strafverfahren, ob die Vernehmung amtlich initiiert war. Dies sei nicht der Fall bei Angaben der Geschädigten gegenüber dem Familiengericht im Gewaltschutzverfahren, weil die Betroffene sich von sich aus an das Gericht gewandt und die Angaben gemacht habe. Hierbei verweist das OLG u.a. auf eine Entscheidung des OLG Hamburg (08.03.2018).

Dies sei auch nicht anders zu beurteilen, weil die Frau sich beim Familiengericht auf die Protokolle der polizeilichen Vernehmung bezogen hatte, die für sich gesehen unverwertbar seien. Hier habe die Frau sie jedoch aus freien Stücken und zur Vereinfachung vorgelegt.

Bemerkenswert ist die abschließende Bemerkung des Senats, dass der Umstand, dass nicht alle die*den Angehörige*n potentiell belastenden Angaben, die die Schutzsuchenden gegenüber potentiellen Helfer*innen machen, der Verwertbarkeit entzogen werden könnten. Dies `torpediere nicht den wiederhergestellten Familienfrieden´, wie die Revision gemeint hatte, sondern trage dem Rechnung, dass Gewalt in der Ehe keine Privatangelegenheit, sondern auch unabhängig von Stellung eines Strafantrages (bei öffentlichem Interesse) von der Staatsanwaltschaft zu verfolgen sei.

Kernpunkte

Gewaltschutzgesetz, Verwertungsverbot, Verwertbarkeit der Angaben vor Familiengericht bei späterer Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht

 

Entscheidung im Volltext:

olg_karlsruhe_30_01_2024 (PDF, 55 KB, nicht barrierefrei)

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