VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.6.2024
Aktenzeichen 5a K 5061/23.A

Stichpunkte

Positive Entscheidung im Asylverfahren um Flüchtlingsschutz für von Zwangsprostitution betroffene Albanerin; umfassende Ausführungen zur Situation der Frauen in Albanien; häusliche Gewalt; Gericht spricht subsidiären Schutz zu

Zusammenfassung

Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Klägerin einen subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Die Frau ist albanische Staatsangehörige. 2021 ist sie nach Deutschland eingereist und hat einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Sie hatte angegeben, seit Sommer 2021 schon in Albanien und dann auf ihrer Flucht nach Deutschland von mehreren Männern zur Prostitution gezwungen worden zu sein. Im September 2021 gelang ihr in D. dem Zuhälter zu entkommen. Der Zuhälter und die Mittäter hätten sie durch Todesdrohungen gefügig gemacht. Sie habe versucht, sich an die Polizei zu wenden, auf der Polizeistation aber einen der Beamten als Kunden wiedererkannt.

Das VG hält die Angaben der Frau aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks für glaubhaft und sieht die Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gegeben. Die Frau habe im Falle einer Rückkehr mit Gewalttaten zu rechnen, insbesondere, da sie für den Polizisten eine gefährliche Zeugin sei, aber auch, weil die Zuhälter von ihr den entgangenen Gewinn einfordern würden.

Das VG stellt unter Bezug auf verschiedene Berichte zur Situation der Frauen in Albanien diese umfassend dar. Es gäbe zwar Bestrebungen, auf gesetzlicher Ebene die Situation der Frauen zu verbessern und insbesondere Schutz vor häuslicher Gewalt zu implementieren, die gesetzlichen Vorgaben seien aber nur lückenhaft und die Umsetzung nicht ausreichend. Die vorhandenen Schutzeinrichtungen würden dem Bedarf nicht gerecht. Gewalt gegen Frauen sei im patriarchalen Albanien ein ernsthaftes und weit verbreitetes Problem.

Im Rahmen der Gefahrenprognose gehe es nicht allein um gesetzliche Regelungen, auf die sich Betroffene theoretisch berufen könnten, sondern um die tatsächliche Umsetzung staatlicherseits. Eine solche effektive staatliche Schutzgewährung sei nicht gegeben. In einem kleinen Land wie Albanien mit clanbasierten Strukturen sei die Gefahr, gefunden zu werden, auch bei Ausweichen in andere Landesteile und selbst bei Unterbringung in einem Frauenhaus groß. Dies gelte besonders, wenn die Bedrohung, wie bei der Klägerin, von der Polizei ausgehe.

Entscheidung im Volltext:

vg_gelsenkirchen_10_06_2024 (PDF, 4,3 MB, nicht barrierefrei)

Gefördert vom
Logo BMFSFJ
KOK ist Mitglied bei

Kontakt

KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Lützowstr.102-104
Hof 1, Aufgang A
10785 Berlin

Tel.: 030 / 263 911 76
E-Mail: info@kok-buero.de

KOK auf bluesky