Positive Revisionsentscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Kostenübernahme für stationäre psychiatrische Behandlung von Asylbewerber*innen; Erstattungspflicht bei akuter Erkrankung; umfassende Ausführungen zu den Voraussetzungen einer akuten Erkrankung; auch bei behandlungsbedürftiger Verschlimmerung chronischer Erkrankung
Das Bundessozialgericht (BSG) weist die Revision eines Sozialamts gegen die Verurteilung zur Kostenübernahme für die stationäre psychiatrische Behandlung eines Asylbewerbers zurück.
Der Kläger ist ein afghanischer Staatsangehöriger, der über Italien nach Deutschland eingereist war. Sein Asylantrag war abgelehnt worden und er bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach einem Suizidversuch seines Mitbewohners im Flüchtlingsheim, wandte der Kläger sich wegen psychischer Probleme an ein Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge. Er wollte dort an einer ambulanten Stabilisierungsmaßnahme teilnehmen. Seinen Antrag auf Übernahme der Fahrtkosten lehnte das Sozialamt Ende Februar 2019 ab. Mitte März wurde er als Notfall wegen Verdachts einer schweren depressiven Episode und posttraumatischer Belastungsstörung stationär aufgenommen. Für die ca. vierwöchige Behandlung stellte das Krankenhaus ihm knapp 900 EUR in Rechnung. Der Kläger hatte am Tag seiner Aufnahme ins Krankenhaus einen Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialamt gestellt. Diesen sowie den Widerspruch gegen die Ablehnung, lehnte das Sozialamt ab, da es sich nicht um eine akute, schmerzhafte Erkrankung handele. Auf die Klage hiergegen, verurteilte das Sozialgericht das Sozialamt zur Kostenübernahme. Dieses legte Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) wies diese jedoch zurück, da es eine Kostenübernahmeverpflichtung aus §§ 4,6 AsylbLG gegeben sah. Eine vollstationäre psychiatrische Behandlung des Klägers sei zur Sicherung seiner Gesundheit u.a. nach einem ärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes unerlässlich gewesen. Kostenübernahme für ambulante Maßnahmen habe das Sozialamt ja zu einem Zeitpunkt, zu dem diese noch eine Alternative hätten sein können, abgelehnt.
Hiergegen legte das Sozialamt Revision ein. Diese weist das BSG mit vorliegendem Urteil zurück. Es stellt fest, dass der Mann einen Leistungsanspruch aus § 4 Abs.1 S. 1 AsylbLG hat.
Die stationäre psychiatrische Behandlung des Klägers gehöre zum Leistungsumfang des § 4 Abs. 1 AsylbLG zur Behandlung akuter Erkrankungen. Das BSG erläutert den Begriff `akute Erkrankung´, der nicht gesetzlich definiert sei. Darunter zu verstehen sei ein plötzlich und heftig verlaufender Zustand, im Gegensatz zu chronischen Erkrankungen. Das Gericht betont jedoch, auch bei bestehenden chronischen Erkrankungen seien akute Behandlungsbedarfe zu berücksichtigen, wenn sie medizinisch dringend seien. Der Gesetzgeber habe mit dem AsylbLG eine angemessene medizinische Versorgung sicherstellen wollen, die der Menschenwürde entspricht. Ausgeschlossen seien jedoch Behandlungen, die nicht eindeutig medizinisch notwendig seien oder nicht innerhalb der kurzen Aufenthaltsdauer abgeschlossen werden könnten. Eine akute Erkrankung, die stationär behandelt werden musste, habe beim Kläger vorgelegen.
§ 4 AsylbLG erfasse auch akute psychische Erkrankungen, denn das Leistungsangebot für psychisch Kranke dürfe nicht hinter dem für körperlich Kranke zurückbleiben. Ebenso könne auch eine chronische Erkrankung bei einer Verschlimmerung als akute Erkrankung eingestuft werden. Dies sei beim Kläger der Fall gewesen. Die Behandlung habe auch während der Dauer seines Aufenthaltes abgeschlossen werden können.
Der Beklagte habe auch Kenntnis gehabt, da das behandelnde Krankenhaus ihn am Tag der Aufnahme über die stationäre Behandlung des Klägers informiert und der Kläger auch Leistungen beantragt habe. Das Gesetz erfordere jedoch auch keine vorangehende Genehmigung durch den Leistungsträger.
Das Landessozialgericht (LSG) habe die akute Erkrankung des Klägers festgestellt, was vom Beklagten nicht substantiiert angefochten worden sei.
Kostenübernahme nach AsylbLG bei stationärer psychiatrischer Behandlung
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