Artikel 4 EMRK; Menschenhandel; Positive Verpflichtungen des Staates; Effektive Untersuchung; Verfahrensdauer; Schutz von Menschen mit besonderen Verletzlichkeiten
Die Klägerin, eine slowakische Staatsbürgerin, befand sich seit ihrer Kindheit in staatlicher Obhut und später unter der Kontrolle einer Familie, die sie wirtschaftlich ausbeutete. In einer Phase der Obdachlosigkeit wurde die Klägerin an einen Mann übergeben, der sie nach Großbritannien brachte, wo sie unter seiner Kontrolle zur Prostitution gezwungen wurde. Nach ihrer Rückkehr in die Slowakei durch ein Programm zur Unterstützung von Betroffenen des Menschenhandels wurde sie in ein Schutzprogramm aufgenommen. Später wurde sie jedoch ausgeschlossen, als die slowakischen Behörden die Vorwürfe gegen den Mann, der sie zur Prostitution gezwungen hatte, auf Zuhälterei reduzierten, anstatt eine Untersuchung wegen Menschenhandels durchzuführen.
Der EGMR stellte fest, dass die slowakischen Behörden gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 EMRK verstoßen haben, da sie keine effektive Untersuchung der Menschenhandelsvorwürfe durchgeführt haben. Obwohl Anhaltspunkte für Menschenhandel vorlagen, wie etwa die Rekrutierung der Klägerin in einer sozialen und wirtschaftlichen Notlage und ihre systematische Ausbeutung, beschränkten sich die Ermittlungen auf den Vorwurf der Zuhälterei. Der Gerichtshof kritisierte insbesondere:
Der EGMR verurteilte die Slowakei zur Zahlung von 26.000 EUR wegen immaterieller Schäden sowie 15.000 EUR für Kosten und Auslagen. Erneut macht der EGMR damit klar, dass Staaten die Pflicht haben, bei Verdacht auf Menschenhandel gründlich und effektiv die Strafvorwürfe zu untersuchen, um den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Entscheidung im Volltext: