Gleichbehandlung – Leiharbeit – Arbeitsunfall – Entschädigungsanspruch – Tarifvertrag
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass Leiharbeitnehmer*innen im Falle eines Arbeitsunfalls Anspruch auf die gleichen Entschädigungen haben wie direkt beim entleihenden Unternehmen angestellte Arbeitnehmer*innen.
Im vorliegenden Fall aus Spanien schloss ein Leiharbeitnehmer einen Vertrag mit einem Unternehmen und wurde an ein anderes Unternehmen im Transportsektor überlassen. Während dieser Überlassung erlitt er einen Arbeitsunfall, der zu einer dauerhaften vollständigen Berufsunfähigkeit führte, was letztlich zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses führte. Der Arbeitnehmer forderte daraufhin eine Entschädigung gemäß dem Tarifvertrag des Transportsektors, die für solche Fälle vorgesehen ist. Die beklagten Unternehmen argumentierten jedoch, dass der für Leiharbeit geltende Tarifvertrag Anwendung finde und eine solche Entschädigung nicht vorsehe. Das mit dem Fall befasste spanische Gericht legte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor, um zu klären, ob diese tarifvertragliche Ungleichbehandlung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH bestätigte die Rechtsauffassung des Klägers und entschied, dass eine solche Ungleichbehandlung zum Nachteil von Leiharbeitnehmer*innen gegen Unionsrecht verstößt.
Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit
Der EuGH stellte fest, dass die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit darauf abzielt, Leiharbeitnehmer*innen während der Dauer ihrer Überlassung die gleichen wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu garantieren wie den beim entleihenden Unternehmen unmittelbar beschäftigten Arbeitnehmer*innen. Grundlage hierfür ist insbesondere Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, der den Grundsatz der Gleichbehandlung festschreibt.
Begriff der „wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“
Der Begriff ist in Art. 3 Abs. 1 lit. f der Richtlinie definiert. Darunter fallen Bedingungen hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsentgelts sowie anderer wesentlicher Elemente des Beschäftigungsverhältnisses. Der Gerichtshof stellte klar, dass auch tarifvertraglich vorgesehene Entschädigungen im Falle von Arbeitsunfällen, die eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben, unter diesen Begriff fallen können, da sie eine Kompensation für den Einkommensverlust darstellen und eng mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft sind.
Kein Unterlaufen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Der EuGH entschied, dass Leiharbeitnehmer*innen Anspruch auf dieselben Entschädigungen haben wie direkt beim entleihenden Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer*innen, sofern diese Leistungen als Teil der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gelten. Auch eine tarifvertragliche Ungleichbehandlung darf den durch die Richtlinie garantierten Schutz nicht unterlaufen.
Dieses Urteil des EuGH stärkt den Grundsatz der Gleichbehandlung und betont die Notwendigkeit eines einheitlichen Schutzniveaus für alle Arbeitnehmer*innen. Es stellt klar, dass Entschädigungen für Arbeitsunfälle, die im entleihenden Unternehmen gewährt werden, auch Leiharbeitnehmer*innen zustehen. Auch durch Tarifvertrag kann hiervon nicht abgewichen werden. Dies stärkt den Schutz von Leiharbeitnehmer*innen und fördert faire Arbeitsbedingungen unabhängig vom Beschäftigungsstatus.
Entscheidung im Volltext: