BGH, Urteil vom 22.4.1997
Aktenzeichen 1 StR 701/96

Stichpunkte

Strafverfahren wegen Lohnwuchers; erstmalige Bestätigung der 2/3-Grenze zur Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Lohnvereinbarungen.

Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof (BGH) verwirft in seiner Entscheidung die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung wegen Lohnwuchers durch das Landgericht (LG) Passau. Erstmalig wird dadurch die sogenannte 2/3-Grenze bestätigt, der zufolge ein auffälliges Missverhältnis und somit Lohnwucher vorliegt, wenn der gezahlte Lohn weniger als zwei Drittel des Tariflohns beträgt.

Der Angeklagte, ein Bauunternehmer, hatte von 1991 bis 1993 zwei tschechische Grenzgänger als Maurer beschäftigt. Er zahlte ihnen einen Stundenlohn von 12,70 DM, obgleich der Tariflohn zu der Zeit bei 19,- DM lag und er seinen übrigen Arbeitern 21,- DM zahlte. Dem Arbeitsamt gegenüber machte er diesbezüglich falsche Angaben und bewirkte dadurch die erforderlichen Arbeitserlaubnisse.

Bei seiner Prüfung bestätigt der Bundesgerichtshof, dass sich der strafrechtliche Tatbestand des Wuchers auch auf Arbeitsverhältnisse bezieht, da die Arbeitsleistung regelmäßig einen Vermögensvorteil für den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin darstellt. Bei der Beurteilung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, muss der Vorteil auf Seiten des Täters bzw. der Täterin liegen. Vorteile des Opfers, wie die höhere Kaufkraft des geringeren Lohns in Tschechien im Vergleich zur Kaufkraft des Tariflohns in Deutschland, bleiben außer Betracht.

Hier hatte das Landgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zutreffend den Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber mit dem geltenden Tariflohn gleichgesetzt und dem gezahlten Lohn gegenübergestellt. Die Frage, ob ein hier bestehendes Ungleichgewicht ein auffälliges Missverhältnis im Sinne des Lohnwuchers (§ 302a Absatz I, Satz 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch, alte Fassung) darstellt, ist vom Richter zu beurteilen und vom Revisionsgericht nur dann zu korrigieren, wenn ein Rechtsfehler vorliegt. Ein Rechtsfehler wäre zum Beispiel gegeben, wenn die Wertung des Richters dem Grundgedanken des Gesetzes widerspricht. In diesem Fall wurde das Ausnutzen der Schwächesituation eines anderen zum eigenen Vermögensvorteil unterbunden. Ein Rechtsfehler liegt nicht vor. Das Landgericht hatte ein auffälliges Missverhältnis angenommen, wenn nur zwei Drittel des Tariflohns gezahlt werden. Diese Grenze hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet.

Entscheidung im Volltext:

BGH_22_04_1997 (PDF, 67 KB, nicht barrierefrei)

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