Aktuelles im KOK

Gute Vorhaben zum Thema Menschenhandel im Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode wurde am Mittwoch von der neuen Regierung veröffentlicht. Es soll unter anderem Verbesserungen für Betroffene von Menschenhandel, bei der Umsetzung der Istanbul Konvention und im Aufenthaltsrecht geben.

Es ist begrüßenswert, dass der Koalitionsvertrag für die Jahre 2021-2025 der neuen Regierung von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP an vier Stellen Bezug zu dem Thema Menschenhandel nimmt. Betroffene von Menschenhandel sollen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft erhalten. Dies stellt eine wichtige und lange von den spezialisierten Fachberatungsstellen und dem KOK geforderte Neuerung dar. Auch wurde festgehalten, dass die Bekämpfung von Menschenhandel ressortübergreifend koordiniert, die Unterstützungssysteme für Betroffene verbessert und ihre Rechte gestärkt werden sollen. Ein Schwerpunkt der Arbeit der Sicherheitsbehörden soll auf der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität liegen, auch der „Kampf gegen Menschenhandel“ soll intensiviert werden. Bei dem Thema Gleichstellung wird auf Gewaltschutz und Menschenhandel eingegangen, allerdings wird hier lediglich auf die sexuelle Ausbeutung Bezug genommen, mit dem Vorhaben eines Nationalen Aktionsplans und einer unabhängigen Monitoringstelle zur Umsetzung der Europaratskonvention. Die Bekämpfung von Arbeitsausbeutung und weiteren Ausbeutungsformen wird nicht explizit benannt.

Zum Thema Finanzierung von Frauenhäusern hält der Vertrag ebenfalls begrüßenswerte Vorhaben fest: „Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Wir bauen das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung“ (S. 115). Die Frauenhauskoordinierung hat bereits eine Stellungnahme verfasst, in der die Vorhaben zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen begrüßt und besonders in der Umsetzung der Istanbul-Konvention wesentliche Fortschritte erwartet werden. Allerdings äußert sich FHK zu dem Bereich Familienrecht in einigen Punkten kritisch. Die FHK weist zu Recht darauf hin, dass bei Regelungen zur Finanzierung nicht die Fachberatungsstellen vergessen werden dürfen. Zudem soll die ILO Konvention Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ratifiziert werden.

Des Weiteren soll das „komplizierte System der Duldungstatbestände“ geordnet werden. Das Aufenthaltsrecht soll überarbeitet werden und das Bleiberecht für bestimmte Personengruppen schneller ermöglicht werden.  Statt Kettenduldungen soll es ein „Chancen-Aufenthaltsrecht“ geben, dies ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG). Die Beschäftigungsduldung soll entfristet und Anforderungen realistisch und praxistauglicher gefasst werden. Die "Duldung light" soll abgeschafft werden und die Möglichkeit der Klärung der Identität von Ausländer*innen über eine Versicherung an Eides geschaffen. Jedoch bleibt, dass der Zeitraum der Duldung nicht auf ein Bleiberecht angerechnet wird, wenn Personen vorgeworfen wird ihre Identität nicht zu klären.

Der KOK begrüßt, dass Meldepflichten von Menschen ohne Papiere überarbeitet werden sollen, damit Kranke nicht davon abgehalten werden, sich behandeln zu lassen. Ebenfalls soll der Zugang für Asylbewerber*innen zur Gesundheitsversorgung unbürokratischer gestaltet werden. Außerdem sollen psychosoziale Hilfe für geflüchtete Menschen verstetigt werden. Hier ist nicht näher erläutert, was dies bedeutet. In Bezug auf Asylentscheidungen sollen die BAMF Entscheidungen qualitativ hochwertiger werden, sodass es zu weniger Klageverfahren kommt. Auch sollen Asylprozesse beschleunigt werden und eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung erfolgen. Sollte dies zu mehr Schnellverfahren führen, könnte es jedoch zu Schwierigkeiten bei der Identifizierung besonderer Schutzbedarfe kommen. Positiv ist auch, dass eine flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung eingeführt werden soll, diese kann mit zu einer Qualitätsverbesserung der Asylentscheidungen führen. Es wird besonders betont, dass vulnerable Gruppen von Anfang an identifiziert und besonders unterstützt werden sollen. Überdies wird das Konzept der AnkER-Zentren von der neuen Bundesregierung nicht weiterverfolgt, allerdings sieht der Koalitionsvertrag keine Absenkung der Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen vor. Es soll eine ressortübergreifende politische Strategie gegen Gewalt entwickeln werden, welche Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Erfreulich ist auch, dass die Istanbul-Konvention vorbehaltslos für jede Frau umgesetzt werden soll. Dies forderten in der Vergangenheit viele Organisationen.

Es soll wieder eine staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer angestrebt und die zivile Seenotrettung nicht mehr behindert werden. Hier soll Frontex eine wichtige Rolle spielen und sich an der Seenotrettung beteiligen. Außerdem soll Frontex auf Grundlage der Menschenrechte und des erteilten Mandats zu einer echten EU-Grenzschutzagentur weiterentwickelt werden. Im Projektnewsletter wurde bereits in der Vergangenheit auf die problematische Sachlage von Frontex hingewiesen. Zudem sollen ausbeuterische Verhältnisse auf den Fluchtwegen und Schleuserkriminalität bekämpft werden. Das Europäische Asylsystem soll grundlegend reformiert werden und eine faire Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit bei der Aufnahme zwischen den EU-Staaten wird gefordert. Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten und die Situation an den Außengrenzen sollen verbessert werden. Jedoch wird nicht darauf eingegangen, wie mit Staaten umgegangen wird, die Standards nicht einhalten.

Kritisch ist, dass der neue Koalitionsvertrag einen Schwerpunkt auf Abschiebungen setzt. Es soll eine „Rückführungsoffensive“ gestartet und Abschiebungen konsequenter durchgeführt werden. Der Bund soll die Länder hierbei unterstützen. Zumindest sollen Kinder und Jugendliche grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen werden. Rückkehrprogramme sollen finanziell ausgebaut werden und es wird weiterhin auf eine Kooperation mit Drittstaaten gesetzt.

Im Bereich Lieferketten soll ein auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte basierendes wirksames EU-Lieferkettengesetz unterstützt werden. Hierbei soll beachtet werden, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert werden. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten soll unverändert umgesetzt und gegebenenfalls verbessert werden. Auch entwaldungsfreie Lieferketten und das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit sollen gestärkt werden.

Der KOK begrüßt, dass das Thema Menschenhandel im Koalitionsvertrag behandelt wird und insbesondere, dass nicht nur auf die Bekämpfung, sondern auch auf die Rechte Betroffener Bezug genommen wird, bspw., dass Betroffene unabhängig von Strafverfahren einen Aufenthaltstitel bekommen sollen. Dass sich der geplante Nationale Aktionsplan auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung beschränken soll ist bedauerlich. Gerade die weiteren Ausbeutungsformen sollten verstärkt in den Blick genommen werden. Hier lässt der Koalitionsvertrag Defizite erkennen, insbesondere, was das Thema Arbeitsausbeutung betrifft.

Dass Frauenhäuser verlässlich finanziert und Kinder nicht mehr in Abschiebehaft genommen werden sollen, ist erfreulich. Bei der Finanzierung des Hilfesystems müssen allerdings die spezialisierten Fachberatungsstellen und Schutzwohnungen unbedingt mitgedacht werden. Es gibt Verbesserungen bezüglich des Aufenthaltsrechts für Geflüchtete und vulnerable Gruppen sollen schneller identifiziert und unterstützt werden. Fraglich ist, wie die Kooperation mit Drittländern aussehen und die Regierung in Bezug auf ihre europäischen Außengrenzen und die Abschiebung von Geflüchteten vorgehen wird. Für mehr Informationen über Lücken und Verbesserungen für Geflüchtete hat Pro Asyl eine Stellungnahme verfasst. Auch die Frauenhauskoordinierung hat eine Stellungnahme herausgegeben.

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