Europawahl 2024: Wahlprüfsteine des KOK

Wie positionieren sich die Parteien zu den Themen und Forderungen des KOK?

Vom 6. bis 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt. In Deutschland wird am 9. Juni gewählt. Damit werden die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt. Europa steht vor Herausforderungen wie menschenrechtlichen Krisen, zunehmendem Populismus, Extremismus und der Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit. Es ist erforderlich, sich auf die im Lissabon-Vertrag festgelegten Werte zu besinnen und nationalistischen Strömungen entgegenzutreten.

Die Europawahl 2024 und die darauffolgende Politik sind entscheidend, um dem Erstarken von nationalistischen und menschenfeindlichen Bewegungen entgegenzuwirken. Der Kampf gegen Menschenhandel und vor allem die Etablierung und Durchsetzung europaweiter Standards in Bezug auf die Rechte und den Schutz Betroffener erfordern eine koordinierte europäische Zusammenarbeit.

Der KOK hat darum die Positionen der Parteien zu relevanten Politikbereichen in Wahlprüfsteinen abgefragt. Unsere Fragen gingen an CDU, SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und Die Linke.

Die Antworten der Parteien wurden mit den Forderungen des KOK zur Europawahl abgeglichen und dahingehend bewertet, ob die Vorhaben der Parteien unseren Forderungen und der Haltung des KOK entsprechen oder diesen im Weg stehen.

Eine Kurzübersicht mit den Positionen der angefragten Parteien zu den Fragen der Wahlprüfsteine ist hier hinterlegt.

Die Grafiken in der Galerie geben einen Überblick über die Antworten. Im Folgenden fassen wir die Antworten der Parteien zu den einzelnen Fragen auch zusammen. Darüber hinaus sind die vollständigen Antworten der Parteien am Ende der Seite verlinkt.

Mit welchen politischen Maßnahmen wird sich Ihre Partei für eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen in Europa und gegen die in vielen Ländern zunehmende Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume einsetzen?

Bündnis 90 / Die Grünen setzen sich für eine europaweite Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen ein. Sie wollen sich für einen Schutzschirm gegen politische Drangsalierung gegenüber NGOs stark machen. Zudem planen sie, den Gesetzesvorschlag zum europäischen Vereinsrecht umzusetzen. Die SPD will einen Sonderfonds für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einrichten, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu stärken und Instrumente zum Schutz der Unabhängigkeit der Medien weiterentwickeln. Die CDU will die Handlungsspielräume zivilgesellschaftlicher Organisationen erweitern – ohne dabei aber konkrete Vorschläge zur Umsetzung zu benennen. Die Linke macht sich stark für einen Stopp von Fördermittezahlungen, wenn EU-Staaten Grundwerte der EU missachten. Bei gravierenden Verletzungen soll es auch die Möglichkeit geben, dem Staat das Stimmrecht zu entziehen. Darüber hinaus setzt sie sich für eine verbindliche Umsetzung der Säule sozialer Rechte der EU neben der Grundrechtecharta ein und macht sich dafür stark, dass das Vetorecht im EU-Rat überwunden wird und das Parlament selbst ein umfassendes Initiativrecht erhält. Die FDP benennt vor allem die Sicherung der Pressefreiheit und will sich für eine Verbesserung des Medienfreiheitsgesetzes einsetzen.

 

 

Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die Arbeits- und Lebensbedingungen aller Menschen in der EU verbessern und in Richtung einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiterentwickeln?

Die Linke fordert einen automatischen Mechanismus zur sozialen Sicherung. Dabei sollen soziale Standards in der EU nur nach oben angeglichen, aber nicht abgesenkt werden dürfen. Als weiteres Ziel nennt sie die Durchsetzung der Mindestlohnrichtlinie und fordert eine verbindliche Richtlinie für ein europäisches Mindesteinkommen, sowie eine Rahmenrichtlinie für eine europäische Erwerbslosenversicherung und Mindeststandards für die Gesundheitsversorgung. Die SPD will durch faire Löhne die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern und setzt sich für Mindeststandards für die Grundsicherungssysteme der EU-Mitgliedstaaten ein. Darüber hinaus setzt sie sich für die Reform des Vergaberechts ein, um ausbeuterische Subunternehmensstrukturen zu beschränken. Bündnis 90 / Die Grünen streben verbindliche Standards an, um den Schutz der Rechte von Arbeitnehmer*innen gegen Ausbeutung besser umzusetzen. Darüber hinaus benennen sie den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle als weiteres Ziel. Die Parteien CDU und FDP haben in ihren Antworten keinen inhaltlichen Bezug zur Frage hergestellt.  

 

 

Welche Prioritäten setzt Ihre Partei in der europäischen Migrations- und Asylpolitik? Welche Pläne haben Sie, den Rückbau des individuellen Rechts auf Asyl aufzuhalten, Menschenrechte auch für Migrant*innen und Geflüchtete zu gewährleisten und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu beenden?

Mit der Befürwortung der GEAS-Reform und den Zielen, irreguläre Migration zu begrenzen und Frontex die Zuständigkeit für Seenotrettung zu erteilen, stehen die Ziele der FDP deutlich den Forderungen des KOK entgegen. Ähnlich gestaltet es sich mit den Plänen der CDU: Sie möchte Schutzsuchende, welche die EU-Außengrenze erreichen, in sogenannte sichere Drittstaaten überstellen und jährliche Resettlementkontingente einführen. In Einklang mit den Forderungen des KOK steht nur die Antwort von der Linken. Sie tritt für eine solidarische und humane Migrations- und Asylpolitik ein und macht sich stark gegen die Inhaftierung von Schutzsuchenden an Außengrenzen und gegen ebenjene Konzepte von Auslagerung von Schutz. Die SPD bezieht sich auch auf die GEAS-Reform und setzt in der anstehenden Umsetzung Aufnahmebedingungen und Zugang zu Asylverfahren in den Fokus. Des Weiteren will sie die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern verbessern, um mit Blick auf den Arbeitskräftemangel Möglichkeiten für die legale Einreise in die EU zu finden. Bündnis 90 / Die Grünen setzen unter anderem auf eine angemessene und menschenwürdige Unterbringung Schutzsuchender – es sollen keine weiteren großen Haftlager entstehen. Sie wollen die EU-Grundrechteagentur stärken und Frauen und vulnerable Gruppen besonders schützen.

 

 

Werden Sie den Schutz der Betroffenen von Menschenhandel und den Zugang zu Unterstützung zur Priorität machen? Durch welche Maßnahmen auf europäischer Ebene kann dies aus Ihrer Sicht gelingen? Werden die geplanten Maßnahmen für alle Betroffenen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, umgesetzt?

Hier setzt Die Linke – wie auch der KOK – auf einen menschenrechtsbasierten Ansatz und will Opferrechte stärken und sich unter anderem für Lohn- und Entschädigungszahlungen einsetzen sowie das Non-Punishment-Prinzip umsetzen. Bündnis 90 / Die Grünen streben eine Überarbeitung der Opferschutzrichtlinie an und machen sich für dauerhafte Bleiberechte und Schutzprogramme für Betroffene von Menschenhandel stark. Darüber hinaus nennen sie den verbesserten Zugang zu Informationen über Opferrechte als Ziel. Die SPD tritt für Verbesserung des Zugangs zu Schutz für Betroffene von Menschenhandel im Asylverfahren ein. Die FDP fordert die konsequente Bekämpfung von Menschenhandel und den Schutz Betroffener. Ein Ziel dabei ist die Förderung der Fachberatungsstellen und deren internationalen Vernetzung. Die CDU nennt keine konkreten Maßnahmen, um Betroffene von Menschenhandel zu unterstützen und zieht sich auf die Aussage zurück, dass Deutschland bereits den EU-Vorgaben zur Bekämpfung des Menschenhandels nachkomme.

 

 

Wie wollen Sie der Ausbeutung von Arbeitskräften (auch grenzüberschreitend) entgegenwirken? Welche Rolle spielen für Sie dabei der Schutz und die Rechte von Wanderarbeitnehmer*innen?

Die SPD benennt drei zentrale Ziele: den Einsatz für eine europäische Sozialversicherungsnummer und einen digitalen Sozialversicherungspass, die Reform der Sicherungssysteme zugunsten des Schutzes mobiler Beschäftigter sowie die Ausweitung des Beratungsstellennetzes zur Fairen Mobilität und Standards zur Verhinderung der Ausbeutung von Saisonarbeitenden. Die CDU tritt für faire Bezahlung, arbeitsrechtliche und soziale Schutzstandards für Arbeitsmigrant*innen sowie verbesserte Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit und -mobilität ein. Die FDP bezieht sich konkret auf die Entwicklung des Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit (NAP) und will in diesem Zusammenhang Maßnahmen ausbauen, welche aber nicht näher benannt werden. Ziel der Linken ist die Verankerung eines verbindlichen Sozialprotokolls in EU-Verträgen, welches soziale Grundrechte und Fortschritt auch im Konfliktfall vor wirtschaftlichen Freiheiten und Wettbewerbsregeln einräumt. Darüber hinaus setzen sie sich für europaweite Beratungsstellen für mobile Beschäftigte sowie für den vollen Sozialversicherungsschutz für Arbeitnehmer*innen ab dem ersten Tag der Beschäftigung ein.

 

 

Wie wollen Sie die Kooperation bei der Ermittlung und Strafverfolgung in grenzüberschreitenden Fällen von Menschenhandel verbessern?

An dieser Stelle entsprechen ausschließlich die Ziele von Bündnis 90 / Die Grünen den Forderungen des KOK. Sie treten dafür ein, dass Mitgliedsstaaten zielgerichtete Aktionspläne erarbeiten und umsetzen und beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die Umsetzung der reformierten Menschenhandelsrichtlinie. Die FDP nennt als zentralen Aspekt die Verbesserung der Koordinierung der europäischen Strafverfolgung, ohne jedoch konkrete Maßnahmen dafür zu benennen. SPD und CDU streben die Stärkung von grenzüberschreitenden Ermittlungen und von Behörden wie Europol an. Die CDU plant darüber hinaus die Umsetzung der EU-Verordnung zur Schaffung einer IT-Plattform zu Steigerung der Effizienz von Strafverfolgungsmaßnahmen. Die Linke ist in der Beantwortung der Frage nicht auf das Thema eingegangen und bezieht sich auch an der Stelle auf Rechte von Betroffenen und die Stärkung von Hilfestrukturen.

 

 

Wie stehen Sie zur Etablierung eines europäischen Verweismechanismus in Fällen von Menschenhandel? Welche Prioritäten sollte dieser haben? Wie werden Sie im Rahmen dessen die Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel länderübergreifend strukturell sicherstellen?

Hier bezogen sich die Antworten in vielen Fällen auf die überarbeitete Menschenhandelsrichtlinie und die darin vorgesehene Etablierung nationaler Verweisungsmechanismen bzw. die Etablierung eines europäischen Verweisungsmechanismus. In diesem Zusammenhang benennt Die Linke die Stärkung von Betroffenenrechten und deren Schutz als zentrales Anliegen. Die FDP sieht in der neuen Richtlinie die Chance, dass Verweismechanismen eine frühzeitige Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel ermöglichen. Damit kann aus Sicht der Partei die Vermittlung von Hilfsangeboten verbessert werden. Dem schließt sich die SPD an und verweist darüber hinaus auf das Ziel einer engeren Zusammenarbeit von Regierung und Zivilgesellschaft. Bündnis 90 / Die Grünen nennen das Schmieden von Allianzen zwischen der Wirtschaft, Fachberatungsstellen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Zudem setzen sie sich für Schulungen von Fachakteur*innen ein, die mit Betroffenen in Kontakt kommen können und die gegebenenfalls dazu beitragen könnten, Täter*innen besser zu identifizieren. Die CDU bezieht sich in ihrer Antwort ebenfalls auf die überarbeitete Richtlinie und deren Vorgabe, eine nationale Kontaktstelle zur grenzüberschreitenden Verweisung Betroffener zu benennen.  

 

 

Welche Bedeutung messen Sie der Europäischen Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels bei?

Bei dieser Frage blieben die Antworten meist schwammig. Die CDU zieht sich vage darauf zurück, dass Deutschland sich an der Umsetzung der überarbeiteten EU-Menschenhandelsrichtlinie und der EU-Strategie gegen Menschenhandel beteiligen soll. Ähnlich fällt die Antwort der SPD aus, auch sie beziehen sich ohne konkret geplante Maßnahmen auf die Umsetzung der Richtlinie. Bündnis 90 / Die Grünen sehen in der EU-Strategie eine Chance, dass sich Akteure zur Praxis austauschen können. Die FDP setzt sich für den Ausbau der Anti-Menschenhandel-Koordinationsstelle der EU ein. Lediglich Die Linke formuliert hier eine konkrete Forderung, nämlich die einer im Rahmen der europäischen Strategie verpflichtenden Einrichtung nationaler Verweismechanismen und Kontaktstellen für die Verweisung der Betroffenen. Sie weist auch darauf hin, dass die Harmonierung nationaler Rechtsvorschriften und Austausch bewährter Verfahren nötig sind für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Strafverfolgung und Justiz.

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