LG Schweinfurt, Urteil vom 17.2.2023
Aktenzeichen 1 KLs 8 Js 14058/21

Stichpunkte

Umfassende Entscheidung im Strafverfahren wegen Zwangsprostitution und sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener; Verurteilung der Mutter der Nebenklägerin und ihres Lebensgefährten zu mehrjährigen Haftstrafen

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) verurteilt den Angeklagten wegen Zwangsprostitution und sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die mitangeklagte Mutter der Nebenklägerin und Lebenspartnerin des Angeklagten verurteilt das Gericht wegen Beihilfe zu zwei Jahren und neun Monaten.

Der Angeklagte hatte die Nebenklägerin als Jugendliche ab 2014 mehrfach sexuell missbraucht. Die Mutter hatte 2015 davon erfahren und dies nicht unterbunden. Als die Nebenklägerin die sexuellen Übergriffe nicht länger dulden wollte, kam es zu einem Gespräch zwischen den beiden Angeklagten und der Nebenklägerin, in dessen Verlauf der Angeklagte der Mutter drohte, er werde sich von ihr trennen, sollte die Tochter ihm nicht weiter sexuell zur Verfügung stehen. Da die Mutter mit dem Angeklagten zusammen ein Geschäft betrieb, forderte sie aus persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Angeklagten ihre damals 17-jährige Tochter auf, sich nicht zu widersetzen. Aus Loyalität zu ihrer Mutter fügte die Tochter sich, so dass sie bis nach Eintritt ihrer Volljährigkeit weiterhin regelmäßig Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten hatte.

Die Mutter selbst ging seit 2014 der Prostitution nach und die beiden Angeklagten beschlossen, auch die Tochter dazu zu bringen. Unter anderem indem sie die Nebenklägerin mit Schulden unter Druck setzten, die diese beim Angeklagten hatte, der ihr den Führerschein und ein Motorrad finanziert hatte, brachten sie die Nebenklägerin Anfang 2017 dazu, auch der Prostitution nachzugehen. Sie vermittelten sie in Pornokinos, über Vermittlungsplattformen, auf denen die Angeklagten zusammen ein Profil der Nebenklägerin erstellt hatten. Später ging sie bis mindestens Anfang 2018 der Prostitution auf Rasthöfen, in Hotelzimmern und einer Mietwohnung der Mutter nach. Von ihren Einnahmen zahlte sie ihre Schulden beim Angeklagten ab und gab ihrer Mutter Geld, das diese für das Geschäft benötigte.

Ende 2021 ging die Nebenklägerin zur Polizei und bat um Geleitschutz, weil sie aus dem Haus der Angeklagten ausziehen wollte. Hieran hatten diese sie zuvor gehindert. Bei dieser Gelegenheit offenbarte die Nebenklägerin der Polizei dann den gesamten Sachverhalt.

Das Gericht setzt sich im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend mit den Aussagen der Angeklagten und der Nebenklägerin auseinander.

Die Aussage der Nebenklägerin hält die Kammer vollumfänglich für glaubhaft, insbesondere seien ihre Angaben vor der Polizei, dem Ermittlungsrichter und vor Gericht konstant gewesen. Ihre Aussagen seien detailreich gewesen und soweit sie Erinnerungslücken gehabt hätte, habe sie diese als solche benannt.

Darüber hinaus gab es weitere Zeug*innenaussagen, die ihre Angaben stützten.

 

Entscheidung im Volltext:

LG_Schweinfurt_17_02_2023 (PDF, 4,1 MB, nicht barrierefrei)

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