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Pressemitteilung des KOK zur Freierstrafbarkeit

Zum Vorstoß der Bundesjustizministerin Frau Zypries in der Zeitung „Die Zeit“ vom 28.09.2006 Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen, erklärt der KOK e.V.: 

Wir, der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. sind ein Zusammenschluss von zur Zeit 39 Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen den weltweit praktizierten Frauenhandel und für die Verwirklichung der Rechte von Migrantinnen einsetzen.

Der KOK e.V. steht in der Gesamtheit seiner Mitglieder für folgende Positionen:

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    Gegen Gewalt an Frauen 

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    Gegen Gewalt in der Prostitution 

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    Gegen Ausbeutung in der Prostitution 

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    Gegen die Kriminalisierung von Frauen – insbesondere Migrantinnen – in der Prostitution 

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    Für Aufklärungskampagnen gegenüber Freiern

Der KOK e.V. fordert daher „pro-aktive“ Maßnahmen, die dem Ausbau des Opferschutzes und der Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema Menschenhandel dienen. Der KOK e.V. hat sich intensiv mit dem Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes Menschenhandel (StrÄnderG) des Bundesrates vom 10.03.2006 (Drucksache 136/06) sowie vom 29.04.2005 (Drucksache 140/05) befasst. Dieser Entwurf enthält u.a. folgende Änderungen:

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    Wiedereinführung von § 180a StGB - Förderung der Prostitution 

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    Erweiterung des Straftatbestandes der dirigistischen Zuhälterei in Übereinstimmung mit der Rechtslage vor Inkraftreten des Prostitutionsgesetzes am 01.01.2002 

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    Einführung neuer Tatbestände gegen die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern: Freierbestrafung durch § 232a StGB.

Nach § 232a StGB soll derjenige/diejenige bestraft werden, welche/r die durch die rechtswidrige Tat nach § 232 StGB geschaffene Lage eines Opfers des Menschenhandels missbraucht, indem er/sie sexuelle Handlungen an diesem vornimmt oder von diesem an oder vor sich oder einem Dritten vornehmen lässt. 

In der Gesetzesbegründung heißt es, dass mit (Wieder-) Einführung dieser Tatbestände dem „Anliegen einer effektiven Bekämpfung des Menschenhandels...Rechnung getragen“ werde. Der KOK e.V. teilt mit weiteren Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft im In- und Ausland einstimmig die Auffassung, dass die alleinige Einführung einer Regelung im Sinne des § 232a StGB unter dem Stichwort „Freierstrafbarkeit“ für sich genommen keine Maßnahme und befriedigende Lösung zur effektiven Bekämpfung des Menschenhandels darstellt. Statt der repressiven Verfolgung sollten der Opferschutz und die Entwicklung eines Problembewusstseins der Gesellschaft hinsichtlich der Thematik Menschenhandel im Vordergrund stehen. Dafür tritt der KOK e.V. entschieden ein.

Der KOK e.V. bekräftigt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass das Verhalten von Männern, die wissentlich und willentlich, d.h. sehenden Auges die Zwangslage einer Frau, die von Menschenhandel betroffen ist, zu ihrer eigenen (sexuellen) Befriedigung ausnutzen unter keinen Umständen (zu rechtfertigen oder) zu billigen ist. 

Der KOK e.V. weist darauf hin, dass einigen Expertinnen und Experten zufolge, ein solches Verhalten nach der jetzigen Rechtslage bereits strafbar ist, was eine weitere Regelung nicht notwendig erscheinen lässt. Vielmehr bedarf es einer konsequenten Anwendung der bereits bestehenden Gesetze durch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Entscheidend ist jedoch, dass den Menschenhändlern – entgegen der Auffassung des Bundesrates sowie der Auffassung von Frau Zypries – mit Einführung dieser Vorschrift nicht die Basis für ihre Machenschaften entzogen wird. Die Basis für den Menschenhandel ist nicht allein die Nachfrage nach derartigen sexuellen Dienstleistungen. Die Ursachen liegen vielmehr in den wirtschaftlichen und sozialökonomischen Missständen in den Herkunftsländern sowie in den sehr restriktiven Zuwanderungsgesetzen der Zielländer.

Hinsichtlich der vom Bundesrat vorgeschlagenen Wiedereinführung der Strafvorschrift der Förderung der Prostitution erklärt der KOK e.V., dass die Mehrheit seiner Mitglieder dies entschieden ablehnt.

Das in diesem Zusammenhang angeführte Argument des Bundesrates, dass sich die durch das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 eingeführten Änderungen nachteilig auf die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden ausgewirkt hätten, ist mit empirischen Daten nicht belegbar.

Der KOK e.V. hat vielmehr festgestellt, dass die EU-Osterweiterung und korrespondierend dazu das Inkrafttreten des FreizügigkeitsG/EU neue Herausforderungen an die Strafverfolgungsbehörden im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung des Menschenhandels stellen. Diesen Herausforderungen haben sie sich in allen Bundesländern nicht ausreichend gestellt. Darüber hinaus stellen fehlende landesrechtliche polizeiliche Befugnisse weitere Strafverfolgungshindernisse dar, vornehmlich die fehlende Möglichkeit des verdachtsunabhängigen Betretens von erkannten und bekannten Wohnungsbordellen.

Der KOK e.V. weist zudem auf die bestehende Inkonsequenz des Gesetzesentwurfs hin. Wenn das Gesetz dem Ziel dienen soll, den „Menschenhändlern die Basis für ihre Machenschaften zu entziehen“, dann stellt sich als erstes die Frage, warum nicht auch diejenigen Personen bestraft werden, welche die Lage eines Opfers von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (vgl. § 233 StGB) bewusst zu ihrem Vorteil ausnutzen.

Der KOK e.V. betont abschließend, dass jedem Opfer des Menschenhandels – auch den Opfern von Menschenhandel in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse - umfangreicher Schutz gebührt und strafrechtliche Vorschriften für sich genommen, diesen Schutz nicht gewährleisten können. Daher sind wir der Auffassung, dass Maßnahmen, wie zum Beispiel die Sensibilisierung von potentiellen Freiern sowie die Verbesserung der aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Situation von Migrantinnen und von Betroffenen des Menschenhandels, aufgebaut und verstärkt werden müssen.

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