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NEUIGKEITEN

Dritter Bericht zur Umsetzung der Europaratskonvention gegen Menschenhandel in Deutschland

Die Expert*innengruppe des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) bewertet die Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels in Deutschland und hat am 07.06.24 ihren dritten Evaluierungsbericht für den Zeitraum 2019-2021 veröffentlicht. Darin erkennt GRETA an, dass Deutschland seit der letzten Evaluierung im Jahr 2019 den politischen und rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel weiterentwickelt hat.

Dazu gehört unter anderem die Einrichtung der Nationalen Berichterstattungsstelle Menschenhandel am Deutsche Institut für Menschenrechte, die Ausweitung des Mandats der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) auf den Bereich Menschenhandel oder die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes. GRETA fordert jedoch weiterhin die Entwicklung eines umfassenden nationalen Aktionsplans bzw. einer Strategie im Kampf gegen Menschenhandel, die alle Formen der Ausbeutung in den Blick nimmt. Die Bundesregierung erarbeitet aktuell einen Nationalen Aktionsplan Menschenhandel und einen Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit.

Der Schwerpunkt der dritten Evaluierungsrunde war der Zugang zur Justiz und zu wirksamen Rechtsbehelfen für Betroffene von Menschenhandel. GRETA kritisiert im Bericht, dass die von Behörden für Betroffenen von Straftaten zur Verfügung gestellten Informationen kaum Spezifisches zum Thema Menschenhandel und Rechte für Betroffene enthalten und zudem nicht in einer für Betroffene verständlichen Sprache verfasst sind. So empfiehlt GRETA den Behörden sicherzustellen, dass mutmaßliche Betroffene von Menschenhandel proaktiv über ihre Rechte informiert werden, einschließlich des Rechts auf eine Erholungs- und Bedenkzeit, die verfügbaren Unterstützungsdienste und die Möglichkeiten, diese zu erhalten. Zudem kritisiert GRETA die Kriterien für den Zugang zu unentgeltlichem Rechtsbeistand in Verfahren vor Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichten als eher restriktiv. Auch das Non-Punishment Prinzip werde in Deutschland bisher nur ungenügend umgesetzt.

Weitere Forderungen, die GRETA aufstellt, umfassen darüber hinaus die sichere Unterbringung von Betroffenen, angemessene Unterstützung durch spezialisierte Fachberatungsstellen sowie das Recht auf Entschädigung, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Der KOK hat im März 2023 einen Bericht bei GRETA eingereicht und auf diese von GRETA aufgegriffenen Punkte sowie weitere aus Sicht der Zivilgesellschaft wichtige Umsetzungsdefizite und Empfehlungen aufmerksam gemacht.

 

Haushaltsverhandlungen lösen Sorge bei Sozial- und Menschenrechtsorganisationen aus

Die Einigung der Regierung auf den Bundeshaushalt 2025 Anfang Juli ist Gegenstand der Kritik zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen. Angesichts vieler strittiger Punkte, verschobener Schwerpunkte und nicht umgesetzter Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sehen sie insbesondere im Bereich der Sozial- und Umweltpolitik grundlegende Vorhaben der Koalition gefährdet. Inwiefern es gelingt, mit Kürzungsvorgaben im Kampf gegen Menschenhandel und beim Schutz der Betroffenen oder in der Migrationsberatung, ebenso wie im Handlungsfeld Gewalt gegen Frauen* den selbstgesetzten Zielen näher zu kommen, scheint vielfach fraglich. Nach der parlamentarischen Sommerpause gehen im Bundestag die Diskussionen über die Einigung weiter. Das Parlament, das die Etatplanung nun von der Bundesregierung übernimmt, wird in den weiteren Verhandlungen eine maßgebliche Rolle einnehmen.

 

Trafficking in Persons (TIP) Report des US-Außenministeriums

Das Büro zur Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel des US-Außenministeriums hat den jährlich erscheinenden Trafficking in Persons Report veröffentlicht. Darin sind neben thematischen Kapiteln jeweils Länderberichte zur Bekämpfung von Menschenhandel weltweit enthalten (diese werden in Kürze als PDF-Version auf der Website veröffentlicht). Jedes Land wird in eine von vier Kategorien eingeordnet, basierend auf dem Ausmaß der Bemühungen der Regierung, die Mindeststandards des Trafficking Victims Protection Act (TVPA) zur Beseitigung des Menschenhandels zu erfüllen. Die deutsche Übersetzung des Länderberichts zu Deutschland wurde online veröffentlicht. Insgesamt erfüllt Deutschland laut Bericht die Mindestanforderungen zur Bekämpfung von Menschenhandel und wird somit weiterhin in Kategorie 1 eingestuft. Erneut werden im Bericht aber die zu milden Strafen für Täter*innen bemängelt. Zudem wird kritisiert, dass es nach wie vor keinen Nationalen Verweisungsmechanismus gibt, Betroffene weiterhin zu selten eine Entschädigung erhalten und die Unterbringungsstruktur für Betroffene von Menschenhandel noch immer unzureichend ist.

 

Lagebild häusliche Gewalt

Am 6.6.24 wurde von Bundesministerin Paus, Bundesministerin Faeser und BKA-Vizepräsidentin Link das Bundeslagebild häusliche Gewalt für 2023 vorgestellt. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, ein Anstieg von 6,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Betroffen sind rund 70% Frauen. Als Formen häuslicher Gewalt erfasst der Bericht auch bestimmte Fälle von Zwangsprostitution und auch Zwangsheirat.
In ihrem Statement zur Veröffentlichung des Lagebildes weist Lisa Paus auf die große Dimension häuslicher Gewalt und die damit verbundene Notwendigkeit eines flächendeckenden Hilfesystems für Betroffene hin, der durch das geplante Gewalthilfegesetz begegnet werden soll.

Verschiedene Verbände, u.a. die Frauenhauskoordinierung oder die Diakonie Deutschland, fordern seit längerem die zügige Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten Gewalthilfegesetzes.

 

Informationen zum EU-Lieferkettengesetz

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), das EU-Lieferkettengesetz, wurde vom Europäischen Rat am 24.05.24 offiziell verabschiedet. Die Mitgliedstaaten müssen dann innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CSDDD Schritte einleiten, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Unternehmen in der EU müssen demnach bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und Umwelt in ihren Aktivitätenketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden. Die Richtlinie sieht zudem vor, dass Betroffene die Möglichkeit haben, Unternehmen vor den nationalen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten für Schäden zu verklagen, die in deren Wertschöpfungsketten entstehen. Das NGO Bündnis European Coalition of Corporate Justice stellt einen Überblick über die CSDDD zur Verfügung, der die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes hervorhebt und Interessierten Personen beim Verständnis von dessen Anwendungsbereich, Inhalt und Absichten helfen soll.

 

Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern - Offener Brief an den Bundeskanzler und die Ministerpräsident*innen

Im Rahmen der Innenminister*innen-Konferenz im Juni wurde über die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten diskutiert. Über 300 Organisationen, darunter auch der KOK, haben aus diesem Anlass einen offenen Brief unterzeichnet, der zum Schutz geflüchteter Menschen aufruft und das Recht auf Asyl als Menschenrecht betont. Die Auslagerung von Asylverfahren ist ineffizient, teuer und gefährdet die Rechtsstaatlichkeit, indem sie Menschenrechtsverletzungen und Risiken für schutzbedürftige Personen erhöht. Die Organisationen weisen in dem Brief darauf hin, dass solche Maßnahmen die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden erhöhen, insbesondere bei besonders schutzbedürftigen Personen wie Menschen mit Behinderung, Kindern, queeren Menschen, Betroffenen von Menschenhandel, Überlebenden von Folter oder sexualisierter Gewalt.

 

Gutachten zum Non-Punishment-Prinzip

Das Gutachten Straffreiheit für Straftaten von Opfern des Menschenhandels? – Zur Umsetzung des Non-Punishment-Prinzips in Recht und Praxis (Vorabversion hier abrufbar) wurde im Auftrag von Arbeit und Leben e.V und der Servicestelle gegen Zwangsarbeit, Ausbeutung und Menschenhandel von Prof. Dr. Tillmann Bartsch, Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Nora Labarta Greven & Marco Kubicki  erstellt. Die Autor*innen bewerten die bestehende Regelung in der Strafprozessordnung als missglückt und schlagen eine  Neuregelung der Norm vor, der eine menschenrechtsbasierte Auslegung des Non-Punishment-Prinzips zugrunde liegt. Diese sollte deutlich reduzierte Anforderungen an das Absehen von der Strafverfolgung stellen, den Kreis einbezogener Straftatbetroffener erweitern und zudem einen eigenen Paragraphen in der StPO erhalten. 

 

Kostenstudie zum Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) veröffentlichte in einer Studie erstmals einen bundesweiten Überblick zu Kosten und den verschiedenen Finanzierungsquellen der Einrichtungen des deutschen Gewalthilfesystems. Die Studie berechnet außerdem zwei Szenarien für den dringend benötigten Ausbau von Frauenhäusern, Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen und bildet damit eine wichtige Grundlage für den erwarteten Entwurf des Gewalthilfegesetzes.

Es wurden Daten über 852 der 1129 Einrichtungen des Gewaltschutzsystems in Deutschland gesammelt. Davon sind 304 Schutzeinrichtungen für von gewaltbetroffene Frauen* mit Kindern und 13 Männerschutzeinrichtungen und Männerberatungsstellen.

Die Studie stellt fest, dass bei einem Vergleich der in der Forschung ermittelten Plätze für Frauen mit ihren Kindern mit den Empfehlungen der Istanbul-Konvention auffalle, dass alle Bundesländer deutlich von der Empfehlung von 2,54 Plätzen pro 10.000 Einwohner*innen entfernt sind.

 

Anstieg des Beratungsaufkommens des Hilfetelefons

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) stellte im Jahresbericht 2023 des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen einen Anstieg der Beratungsanfragen von 12 % im Vergleich zum Vorjahr fest. Das Hilfetelefon besteht seit 10 Jahren und das Beratungsaufkommen ist dem Bericht zufolge so hoch wie nie zuvor. Die zunehmende Bekanntheit des Hilfetelefons aber auch der stärkere öffentliche und politische Fokus auf das Thema Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren könnten hierfür als Gründe gesehen werden. Seit der Einrichtung des Hilfetelefons sei das Beratungsaufkommen von 25.346 Beratungskontakten im Jahr 2014 auf 59.048 im Jahr 2023 gestiegen. Mit 74 % kamen die meisten Beratungsanfragen 2023 von Betroffenen selbst. Auch Betroffene von Menschenhandel oder von Gewalt im Rahmen von Prostitution wenden sich regelmäßig an das Hilfetelefon.

 

Relevante Beschlüsse der Gleichstellungsministerkonferenz

Auf der 34. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und – Minister, –Senatorinnen und Senatoren der Länder (GFMK) wurden am 14 Juni u.a. Beschlüsse zu  der Unterstützung des Hilfesystems beim Schutz vor Cyberstalking, Handlungserfordernissen nach Wegfall des Umsetzungsvorbehalts von Artikel 59 der Istanbul-Konvention und zur Umsetzung des geplanten Gewalthilfegesetzes gefasst.

Die GFMK fordert die Bundesregierung dazu auf, Maßnahmen zur Ertüchtigung des Hilfesystems gegen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt hinsichtlich Cyberstalking und digitalisierter Gewalt in den Bundesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention aufzunehmen und mit entsprechenden Mitteln zu unterstützen.

Außerdem begrüßt die GFMK, dass die Bundesregierung den Vorbehalt gegen die Anwendung von Art. 59 Abs. 2 und 3 der Istanbul-Konvention (Schutz vor & Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie häuslicher Gewalt) nicht verlängert hat (TOP 8.6, 1). Hiermit sind die Vorgaben der Konvention zum Schutz aller gewaltbetroffener Frauen und Mädchen in Deutschland in Gänze umzusetzen, die bestehenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen seien noch nicht ausreichend, um den Anforderungen der Istanbul-Konvention vollumfänglich zu entsprechen.  

Die GFMK fordert zudem die Bundesregierung dazu auf, einen Gesetzentwurf für das geplante Gewalthilfegesetz kurzfristig vorzulegen, der dem Gedanken der Lastenteilung ausreichend Rechnung trägt und konkret im Rahmen der Weiterentwicklung des bisher vorgelegten Diskussionsentwurfs zu benennen, in welcher Höhe und auf welchem Weg der Bund die Kostenbeteiligung übernehmen wird (TOP 8.5).

 

EU-Kommission fordert Mitgliedstaaten zum Schutz von Kindern bei Umsetzung des Migrationspakets auf

Die Europäische Kommission veröffentlichte im Rahmen der Initiative Kinderschutz – Integrierte Systeme eine Empfehlung zur Entwicklung und Stärkung integrierter Kinderschutzsysteme in der EU. Die Initiative soll alle zuständigen Behörden und Dienststellen zu einer ganzheitlichen Zusammenarbeit bei der Verhinderung von Gewalt gegen Kinder ermutigen. Die Empfehlung beruft sich auf bestehende EU Rechtsvorschriften, Konventionen und politische Maßnahmen, um Kinderschutzsysteme zu stärken. Zum Thema geflüchtete Kinder wird von den Mitgliedstaaten gefordert, den Schutz von Kindern bei der Umsetzung des Migrations- und Asylpakets in den Vordergrund zu stellen. Dies umfasst klare und frühzeitige Verfahren zur Bewertung des Kindewohls, angepasste Verfahren und integrierte Fallbearbeitungssysteme. Die Empfehlung besagt ausdrücklich, dass die „Mitgliedstaaten alle erforderlichen besonderen Vorkehrungen für asylsuchende Kinder nach dem Grenzübertritt ermitteln und treffen und dabei die Kontinuität und Stabilität der Betreuung sicherstellen [müssen].“ Die Empfehlungen sind nicht bindend, neben den Mitgliedstaaten werden das Europäische Parlament und der Rat aber aufgefordert, die Empfehlung bei ihren künftigen Beratungen zu berücksichtigen.      

 

Faktenblätter zur Umsetzung von CEDAW in Deutschland online

Die CEDAW Allianz Deutschland, bei der der KOK Mitglied ist hat auf der Website Faktenblätter zur Umsetzung der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau in Deutschland zur Verfügung gestellt.

Faktenblatt zur Umsetzung einzelner Themen von CEDAW in Deutschland

Faktenblatt zu CEDAW allgemein

 

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VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Stellungnahme zum Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Im Rahmen der Verbändebeteiligung nahm der KOK Stellung zu dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Grundsätzlich begrüßte der KOK darin das Vorhaben des Gesetzes, die Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu stärken und Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, wies aber darauf hin, die Dimension der sexuellen Ausbeutung (neben der sexuellen Gewalt) von Kindern und Jugendlichen durchgängig im Gesetzentwurf zu integrieren.

 

Flyer zum neuen SGB XIV

Anfang 2024 ist das neue Soziale Entschädigungsrecht (SER) vollumfänglich in Kraft getreten und löst damit das Opferentschädigungsgesetz ab. Betroffene von Gewalt sollen mit dem neuen Gesetz leichteren Zugang zu Leistungen wie psychotherapeutische Hilfe, Krankenbehandlung, Leistungen zur Teilhabe oder Entschädigungszahlungen bekommen.

In Zusammenarbeit mit der BKSF und dem bff hat der KOK einen Flyer für Betroffene veröffentlicht, der alle wichtigsten Infos zusammenfasst.

Für Mitarbeitende in spezialisierten Fachberatungsstellen haben wir bereits im Januar eine Arbeitshilfe veröffentlicht.

Beide Publikationen können als Printversion gegen ein Entgelt auf der Webseite des bff erworben werden:

Flyer Soziales Entschädigungsrecht (SGB XIV) beim bff bestellen

Broschüre Soziales Entschädigungsrecht (SGB XIV) beim bff bestellen.

KOK-VERANSTALTUNGEN

Fortbildungs- und Vernetzungstreffen

Anfang Juni fand das diesjährige KOK-Fortbildungs- und Vernetzungstreffen in Berlin statt. Die Teilnehmer*innen wurden zu den Regelungen des neuen Sozialen Entschädigungsrechts und deren Anwendung in der Praxis geschult und tauschten sich in Arbeitsgruppen u.a. zu Kooperationsmöglichkeiten mit Traumaambulanzen im Rahmen des neuen SGB XIV aus. Weiteres Schwerpunktthema war die reformierte EU-Richtlinie Menschenhandel und deren anstehende Umsetzung in deutsches Recht. Die Teilnehmer*innen diskutierten, wie die neuen Ausbeutungsformen Zwangsverheiratung und Ausbeutung von Leihmutterschaft in der Praxis von den Fachberatungsstellen bearbeitet warden (können), welche neuen Kooperationserfordernisse und Möglichkeiten es hier gibt und welche veränderten Anforderungen sich ganz konkret an die Fachberatungsstellen ergeben, bspw. im Hinblick auf die Sicherheitskonzepte. An dem Treffen nahmen Vertreter*innen der KOK-Mitgliedsorganisationen, von Beratungsstellen zu Zwangsverheiratung und externe Referent*innen teil.

 

Webseminar Flucht und Menschenhandel

Im Rahmen des Projektes Flucht und Menschenhandel veranstaltete der KOK am 28.05.24 das Web-Seminar „Einführung in das Phänomen Menschenhandel in Deutschland im Kontext von Flucht“ an. Die Grundlagenschulung richtete sich an alle, die mit geflüchteten Menschen arbeiten und eine größere Sensibilität für Ausbeutung und Menschenhandel entwickeln möchten. Zielgruppe waren die verschiedenen Akteur*innen in der Unterstützungsstruktur für Geflüchtete und Mitarbeitende in Behörden, wie Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Ausländerbehörden oder Polizei. Eine Mitarbeiterin von NADESCHDA - Frauenberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel, gab einen Einblick in die praktische Arbeit und es wurden konkrete Handlungsmöglichkeiten für Fachkräfte aufgezeigt.

VERANSTALTUNGEN

Veranstaltung zu vielfältigen Aspekten der Sexarbeit im Land Brandenburg

Am 05.06.24 fand in Potsdam die Tagung Jenseits von Klischees: Eine Tagung über die vielfältigen Aspekte der Sexarbeit im Land Brandenburg statt. Die Veranstaltung wurde von der Fachberatungsstelle IN VIA im Rahmen der 34. Brandenburgischen Frauenwochen organisiert. Ziel der Tagung war es, die individuellen Bedarfe, Herausforderungen und Lebensrealitäten von Sexarbeiter*innen aufzuzeigen und das gesellschaftliche Stigma abzubauen. Die Tagung begann mit der Begrüßung durch Margarete Muresan, Teamleiterin der Fachberatungsstelle IN VIA, gefolgt von einem Grußwort der Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Dr. Antje Töpfer. Carlota Memba Aguado, ebenfalls Vertreterin des Ministeriums, gab einen Überblick über die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes im Land Brandenburg. Anschließend referierte Giovanna Gilges von der Gesellschaft für Sexarbeits- und Prostitutionsforschung über die sozialen und rechtlichen Konsequenzen verschiedener Regulierungsmodelle, darunter auch das Sexkaufverbot. Eléonore Willems von der Deutschen Aidshilfe stellte die Ergebnisse der Studie Was brauchen Sexarbeiter*innen? vor. In der abschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Manuela Dörnenburg, Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg, Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands Sexarbeit e.V. (BesD), sowie Sophia Wirsching (KOK).

 

Deutscher Präventionstag

Vom 10.-11.06. fand in Cottbus der 29. Deutsche Präventionstag mit dem Themenschwerpunkt Sicherheit im Wandel statt.  An einem gemeinsamen Infostand klärten der KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. und IN VIA Beratungsstelle für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind das Publikum zu den unterschiedlichen Ausbeutungsformen auf, sensibilisierte Fachkräfte und regte Vernetzung mit verschiedenen Akteuren an. Zudem stellten sie ihre Arbeit und die der KOK Mitgliedsorganisationen vor und informierten mit thematischen Aufstellern zum Thema Menschenhandel.

 

Sommertagung des Nationalen Rats

Der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen veranstaltete am 27. und 28.06. eine interdisziplinäre Sommertagung in Berlin. Knapp 200 Teilnehmer*innen tauschten sich in verschiedenen Fachforen aus, u.a. zu den Themen kindgerechte Justiz oder Menschenhandel. Der KOK ist Mitglied im Nationalen Rat.

 

Diskussion guter Praktiken und Herausforderungen bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsarbeit im Kontext großer Sportereignisse

Im Rahmen der Mitgliederversammlung von La Strada International NGO-Plattform Ende Juni und anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Comité contre L’Esclavage Moderne (CCEM) und der Olympischen Spiele, die vom 26. Juli bis 11. August 2024 in Frankreich stattfinden, fand am 25.06. eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Thema Zusammenhang von großen Sportereignissen mit Menschenhandel und Ausbeutung in Paris statt. Dabei unterstrichen die Vortragenden, dass Sportereignisse nicht die Ursache für Menschenhandel oder Zwangsarbeit sind, es gebe aber durchaus Zusammenhänge zu berücksichtigen. Die Gründe, warum Menschen in Situationen schwerer Ausbeutung geraten, sind vielfältig. Armut, Konflikte, Ungleichheit, das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten oder sozialer Unterstützung und Diskriminierung gehören dazu. Auch der Mangel an sicheren und legalen Migrationsmöglichkeiten sowie die allgemeine Nachfrage nach billiger und ausbeuterischer Arbeit kombiniert mit dem Fehlen rechtlichen Schutzes setzt Menschen einem erheblichen Risiko der Ausbeutung aus. Obwohl es allgemein an Beweisen für den Zusammenhang zwischen Menschenhandel und großen Sportereignissen mangelt und die Verbindungen komplex bleiben, gibt es Berichte, die darauf schließen lassen, dass große Sportereignisse die Nachfrage nach billiger und ausbeuterischer Arbeit oder Dienstleistungen schaffen. Die Diskutant*innen, Vertreter*innen internationaler Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation, des französischen Arbeitsministeriums und nationaler wie internationaler Nichtregierungsorganisationen, darunter der KOK, unterstrichen, dass es Veränderungen in Bezug auf spezifische Formen des Menschenhandels gibt, wie erzwungenes Betteln, erzwungene Prostitution, erzwungene Kriminalität und Arbeitsausbeutung. Große Sportereignisse können genutzt werden, um Bewusstsein zu schaffen und für Menschenhandel zu sensibilisieren. Sie können mögliche Risiken für Arbeitsausbeutung und sexuelle Ausbeutung, einschließlich Menschenhandel befördern. Die französische Regierung hat Sorgfaltspflichten und Präventivmaßnahmen ergriffen, um Ausbeutung und Missbrauch zu verhindern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bau des Olympischen Dorfs und seiner Lieferketten, Reinigung oder und Catering.

 

UNODC gegen Menschenhandel 14. Arbeitsgruppentreffen und Konstruktiver Dialog

Das UN Office on Drugs and Crime hat am 10.07.24 zum dritten Konstruktiven Dialog über Menschenhandel nach Wien eingeladen. An dem hybrid ausgerichteten Dialog nahmen relevante Interessengruppen, einschließlich nichtstaatlicher Organisationen in Präsenz und online teil, darunter auch Vertreter*innen des KOK. Diese Veranstaltung folgte auf die 14. Sitzung der Arbeitsgruppe zu Menschenhandel, gemäß Paragraph 53 der Verfahren und Regeln für das Funktionieren des UNTOC-Überprüfungsmechanismus.  Im Fokus der 14. Sitzung der Arbeitsgruppe gegen Menschenhandel standen einerseits die Themen Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme und verwandte Verhaltensweisen (Hintergrundpapier) und nationale Fragen und Prioritäten zum Thema Kinderhandel (Hintergrundpapier).  

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Das Kabinett beschloss am 19.06. den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

Hauptziel des Gesetzes ist die gesetzliche Verankerung von Strukturen wie der*dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, dem Betroffenenrat und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Zudem soll durch das Gesetz der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung verbessert werden, Betroffene sollen bei der Aufarbeitung unterstützt werden und Prävention und Qualitätsentwicklung im Kinderschutz sollen gestärkt werden. In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf wies der KOK darauf hin, die Dimension der sexuellen Ausbeutung (neben der sexuellen Gewalt) von Kindern und Jugendlichen durchgängig im Gesetzentwurf zu integrieren (siehe auch unter KOK-Veröffentlichungen in diesem Newsletter). Dies wurde im nun beschlossenen Gesetzentwurf nicht umgesetzt. Der Gesetzentwurf muss nun noch in den Bundesrat und durch die parlamentarische Beratung im Bundestag.

 

EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft getreten

Die erste EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt trat nach Abschluss der Verhandlungen auf EU-Ebene Mitte Juni in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben nun drei Jahre Zeit für die Umsetzung der Regelungen in nationales Recht.

Das neue Gesetz stellt EU-weit weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, nicht einvernehmliche Weitergabe intimer Bilder, Cyber-Stalking, Cyber-Belästigung und Aufstachelung zu Hass oder Gewalt im Internet unter Strafe. Die Richtlinie enthält auch detaillierte Vorschriften über die Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz, die die Mitgliedstaaten den Betroffenen gewähren müssen.

Für Betroffene soll es einfacher werden, eine Straftat anzuzeigen, bspw. soll ermöglicht werden, Cyberstraftaten online zu melden.

Zudem sieht die Richtlinie vor, dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass Betrofffenen spezialisierte Unterstützungsdienste zur Verfügung stehen und Unterkünfte in ausreichender Zahl bereitgestellt werden, die leicht zugänglich sind und den Betroffenen unabhängig von ihrer Nationalität, Staatsbürgerschaft, ihrem Wohnort oder ihrem Aufenthaltsstatus zur Verfügung stehen. 

 

Digitale-Dienste-Gesetz

Das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) trat am 14.05.24 in Kraft. Es bestimmt die Umsetzung des europäischen Digital Services Act (DSA), der Anbieter digitaler Dienste verpflichtet, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Die Bundesnetzagentur ist in Deutschland für die Überwachung der Einhaltung dieser Regelungen zuständig, Grundlage ist das DDG. Die an die  Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) angegliederte Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) soll anhand bestimmter Prüfkriterien Anbietern von Online-Plattformen, die für Kinder und Jugendliche zugänglich sind, nach den Bestimmungen des Digital Services Act (DSA) Orientierung geben, welchen Risiken, wie bspw. Cybermobbing, Cybergrooming oder sexualisierter Gewalt, mit geeigneten strukturellen Vorsorgemaßnahmen zu begegnen ist.

 

Gesetzentwurf gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung - Gefährdung der Rechte von Kindern und Familien  

Der Gesetzentwurf des Innen- und Justizministeriums zur Verhinderung missbräuchlicher Anerkennung von Vaterschaften könnte, nach Ansicht zahlreicher Kritiker*innen, die Rechtssicherheit von Müttern und Kleinkindern gefährden. Bei Eltern mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus soll die Elternschaft des Vaters bis zu fünf Jahre lang überprüft werden. Fehlt der Nachweis der sozialen und genetischen Verbindung, könnten der Aufenthaltsstatus der Mutter und die Staatsangehörigkeit des Kindes entzogen werden.

Der Deutsche Caritas Verband positioniert sich dazu in einer Stellungnahme kritisch. Das neue Verfahren zur Missbrauchsprüfung vernachlässige die soziale Vaterschaft und werde aufgrund dessen zu erheblichen Verzögerungen bei der Vaterschaftsanerkennung führen, damit werde gegen die UN-Kinderrechtekonvention und den grundgesetzlichen Familienschutz verstoßen. Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften beschreibt in seiner Stellungnahme den Gesetzesentwurf als diskriminierend und unnötig, da er ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht stelle und dem Schutz der Familie und Art. 6 GG widerspreche, indem er das familiäre Zusammenleben erschwere. Statt einer Verschärfung wird eine Überarbeitung der Gesetze zum Abbau von Diskriminierungen und die konsequentere Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen sowie das Recht auf familiäres Zusammenleben für alle Kinder und ihre Bezugspersonen unabhängig vom Aufenthaltsstatus gefordert. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) äußert gegenüber den Vorhaben des Referent*innenentwurfs  verfassungs- und familienrechtliche Bedenken.

 

ILO Übereinkommen zu Arbeitsschutz in der Landwirtschaft ratifiziert

Deutschland hat das ILO-Übereinkommen Nr. 184 über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft ratifiziert. Damit werden erstmals umfassende Mindeststandards zu Sicherheit und Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer*innen in der Landwirtschaft normiert. Deutschland erfüllt zumindest formal bereits die im Übereinkommen enthaltenen Standards. Laut IG BAU kann die Ratifikation aber zusätzlich dazu beitragen, die Einhaltung von Regeln zum Arbeitsschutz ernster zu nehmen und stärker zu kontrollieren als bisher.

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

Policy Paper: Geschlechtsspezifischer Gewaltschutz darf nicht vom Aufenthaltsstatus abhängen!

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) befasst sich in einem Policy Paper vom 04.06.24 mit dem Gewaltschutz von Frauen im Aufenthaltsrecht. Für Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte besteht auf der Flucht und im Zielland in besonderem Maße ein Risiko, Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden. Die Istanbul-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, Maßnahmen zum Schutz von ausländischen Gewaltbetroffenen, insbesondere von Frauen, zu ergreifen. Hierzu gehört, Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt im Herkunftsland, auf der Flucht oder im Aufnahmestaat unter bestimmten Umständen ein Aufenthaltsrecht zu vermitteln, bspw. durch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Betroffene häuslicher Gewalt, deren Aufenthaltstitel von dem der Ehe- oder Lebenspartner*innen abhängt.

Mit den Umsetzungsmöglichkeiten der beiden in der Istanbul-Konvention beschriebenen Aufenthaltsrechten für Betroffene häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt, von denen bisher keines in Deutschland umgesetzt ist, beschäftigt sich das Policy-Paper des djb.

 

Handbuch für forensische Befragungen von Kindern in mutmaßlichen Fällen von Menschenhandel

Das vom Ostseerat veröffentlichte Handbook for forensic child interviews in presumed cases of trafficking stützt sich auf Forschungsergebnisse und Erfahrungen von Praktiker*innen. Es enthält Fallbeispiele und Auszüge aus Interviews und stützt sich auf evidenzbasierte Befragungsprotokolle. Im Handbuch werden allgemeine Grundprinzipien vorgestellt, die bei der Untersuchung von Verdachtsfällen von Kinderhandel besonders relevant sein dürften, bspw. in Bezug auf das Gedächtnis und die Kindesentwicklung oder die Zusammenarbeit mit Dolmetscher*innen. So sollen Fachakteure bei der Durchführung von Gesprächen im Rahmen von Ermittlungsverfahren in Verdachtsfällen von Kinderhandel unterstützt werden.

 

Sonderausgabe Anti-Trafficking Review

Die Global Alliance Against Traffic in Women (GAATW) hat eine neue Ausgabe der Zeitschrift Anti-Trafficking Review veröffentlicht. Das Thema der Sonderausgabe ist Armed Conflicts: Migration, Trafficking, and Labour Market. Es werden sieben themenspezifische Beiträge vorgestellt. Einer der Artikel beschreibt beispielsweise die Situation von Flüchtenden aus der Ukraine. Er zeigt auf, dass die Risiken von Menschenhandel, die mit dem Krieg in der Ukraine und den Fluchtbewegungen verbunden sind, dadurch verringert wurden, dass ukrainischen Geflüchteten im Gegensatz zu anderen Geflüchteten in vielen Ländern weitreichende Rechte eingeräumt wurden (bspw. Zugang zu Wohnraum und Arbeit).

 

Publikation zum Thema Zwangsheirat

HEUNI (The European Institute for Crime and Prevention and Control) untersucht in der Publikation Legal approaches to forced marriage die rechtlichen Regelungen zum Thema Zwangsverheiratungen in Deutschland, Spanien, Irland und Finnland. Der Bericht soll politischen Entscheidungsträger*innen und Praktiker*innen helfen und Erkenntnisse für zukünftige Maßnahmen sowie für Diskussionen über Zwangsheirat und Prävention liefern. Er entstand im Rahmen des EU-Projekts EASY zum Thema Zwangsverheiratung.

 

Kriminalisierung von Migration in der EU

Die Platform on International Cooperation on undocumented Migrants PICUM (in der der KOK Mitglied ist) hat das Briefing Between administrative and criminal law: An overview of criminalisation of migration across the EU erstellt. Darin untersucht PICUM die Vermischung von Straf- und Verwaltungsrecht im Zusammenhang mit der Migration. Diese zwei Rechtszweige dienen unterschiedlichen Zwecken, aber diese Unterscheidung verschwimmt, so PICUM, wenn es um die Migrationspolitik geht.

 

Kindgerechte Justiz in der strafgerichtlichen Praxis

Das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Deutsche Kinderhilfswerk haben die Analyse Kindgerechte Justiz in der strafgerichtlichen Praxis – Über die Rechte von Kindern und Jugendlichen als Zeug*innen veröffentlicht. Darin wird kritisch untersucht, inwieweit gerichtliche Verfahren den verbindlichen Anforderungen der UN-Kinderrechtskonvention und den Leitlinien des Europarats für eine kindgerechte Justiz entsprechen. Für die Analyse wurde eine online Befragung der Landesjustizverwaltungen durchgeführt, an der alle 16 Bundesländer teilgenommen haben. Der Fortschritt bei der Umsetzung einer kindgerechten Justiz ist der Analyse zufolge in den Bundesländern sehr unterschiedlich, nicht selten hängt dies auch vom Engagement von Fachkräften ab.

 

Studie der Deutschen Aidshilfe zu gesundheitlichen Bedarfen von Sexarbeiter*innen

Die Deutsche Aidshilfe hat die qualitativ-partizipative Studie Was brauchen Sexarbeiter*innen? zu den gesundheitlichen Bedarfen von Sexarbeiter*innen in Deutschland veröffentlicht. Sie basiert auf einem zweijährigen partizipativen Forschungsprojekt, wurde vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und zeichnet erstmals ein umfassendes Bild über die Bedarfe von Sexarbeiter*innen. Insgesamt 80 Sexarbeiter*innen aus 23 Herkunftsländern haben in Gruppengesprächen ihre Erfahrungen mitgeteilt, unter ihnen solche, die illegale Drogen konsumieren („Beschaffungsprostitution“), trans Menschen, Schwarze Menschen sowie Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGSDATENBANK

Urteil des BGH zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Anwendung geltender Vorschriften zur selbstständigen Tatertragseinziehung

In einer klarstellenden Entscheidung des BGH vom 30.11.2023 wird die Entscheidung des Landgerichts (LG) Oldenburg, das gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten Unternehmen die Einziehung des Wertes der Taterträge von mehr als 10 Mio. Euro anordnete bestätigt und die Revisionen gegen die Entscheidung zur Einziehung des Vermögens verworfen. Die Einziehungsbeteiligten waren erstinstanzlich aufgrund von Strafverfolgungsverjährung vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) freigesprochen worden. Zudem wurde die Einziehung des Wertes der Taterträge von mehr als 10 Mio EUR durch das LG angeordnet, da die Verstöße gegen das SchwarzArbG grundsätzlich gegeben waren. Diese Entscheidung wurde durch den BGH bestätigt, nachdem dieser die Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Anwendung der nunmehr geltenden Vorschriften zur selbstständigen Tatertragseinziehung dem BVerfG vorgelegt hatte. Der BGH macht zudem Ausführungen zum Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und grenzt Arbeitnehmerüberlassung von Arbeitsvermittlung ab.

Das Urteil ist im Kontext Menschenhandel und Ausbeutung relevant, da Vermögensabschöpfung ein wichtiges Instrument ist, um den Täter*innen die durch die Ausbeutung der Betroffenen erzielten Gewinne zu entziehen.

RUBRIK WISSEN – GEÄNDERTE EU-RICHTLINIE MENSCHENHANDEL

Im letzten Schritt des Entscheidungsverfahrens zur Überarbeitung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2011/36) nahm der Rat der EU Ende Mai den überarbeiteten Text an. Am 13. Juni wurde die EU-Richtlinie 2024/1712 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat somit 20 Tage später, also am 14.07.24 in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann eine Frist von zwei Jahren, um die Änderungen und Ergänzungen in nationales Recht umzusetzen.

Die wesentlichsten Änderungen beziehen sich auf die in der Richtlinie enthaltenen Formen von Menschenhandel und Ausbeutung. Zukünftig werden auch Zwangsheirat, illegale Adoptionen und Ausbeutung von Leihmutterschaft in die Liste der Formen der Ausbeutung im Sinne der Richtlinie aufgenommen.

Die ergänzte Richtlinie sieht auch Maßnahmen vor, um der verstärkenden Wirkung, die die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf den Menschenhandel haben können, bspw. die Verbreitung von Bildern, Videos oder ähnlichem Material mit Betroffenen, die die Täter*innen mit Hilfe von IKT ermöglicht oder begangen haben, Rechnung zu tragen. Ein neuer Artikel sieht explizit die Förderung von regelmäßigen Schulungen für Berufsgruppen vor, die mit Betroffenen oder potenziell Betroffenen von Menschenhandel in Kontakt kommen. So soll u.a. die Identifizierung verbessert und Sekundärviktimisierung möglichst vermieden werden. Diese Schulungen müssen menschenrechtsbasiert, auf die Betroffenen ausgerichtet und geschlechtersensibel sein sowie die Interessen von Kindern und Menschen mit Behinderung einbeziehen.

Weiterhin sieht die Richtlinie vor, dass die EU-Länder dafür sorgen, Personen, die wissentlich Dienstleistungen von Betroffenen des Menschenhandels in Anspruch nehmen, zu sanktionieren.

Die Unterstützung und Hilfe für Betroffene sowie Präventionsmaßnahmen sollen ebenfalls durch verschiedene Änderungen gestärkt werden.  

Die Sanktionen für juristische Personen wie Unternehmen, die für Menschenhandelsdelikte verantwortlich gemacht werden, werden verschärft. Sie umfassen künftig den Ausschluss vom Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie den Entzug von Erlaubnissen und Genehmigungen zur Ausübung von Tätigkeiten, die zur Begehung der Straftat geführt haben.

In einem gemeinsamen NGO Statement von La Strada, PICUM, GAATW und weiteren Organisationen begrüßten die Organisationen einige Verbesserungen, die mit der überarbeiteten Richtlinie erfolgen sollen. Die Anwendung der Straffreiheitsklausel auf alle rechtswidrigen Handlungen, zu denen Betroffene von Menschenhandel gezwungen wurden und die starke Anerkennung des Rechts auf internationalen Schutz werden bspw. als positive Änderungen hervorgehoben. Allerdings kritisieren die Organisationen das Versäumnis im Zuge der Überarbeitung verbindlichere Bestimmungen zur Stärkung der Rechte Betroffener von Menschenhandel in die Richtlinie aufzunehmen.

Zivilgesellschaftliche Empfehlungen zur Stärkung von Vorgaben für eine sichere Berichterstattung für Betroffene von Menschenhandel über ihre Ausbeutungssituation, für Entschädigungsleistungen oder für bedingungslosen Zugang zu angemessener Unterstützung, zu Schutz und zu Aufenthalt für Betroffene wurden nicht aufgenommen.

Kritisiert wird zudem die Verpflichtung der Mitgliedstaaten die wissentliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch Betroffene von Menschenhandel unter Strafe zu stellen, während dies zuvor fakultativ war. Dabei gebe es keine Belege dafür, dass diese Maßnahme bei der Bekämpfung des Menschenhandels effektiv oder für die Stärkung der Rechte der Betroffenen wirksam sei. Derzeit haben zwei Drittel der EU-Mitgliedstaaten bereits eine solche Bestimmung, dennoch kommt es nur selten zu Strafverfolgungen und Verurteilungen. Die Organisationen befürchten im Gegenteil die Einschränkung der Rechte von Sexarbeiter*innen sowie von Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung durch eine weitere Kriminalisierung in diesem Bereich.

Nun kommt es darauf an, dass die EU-Mitgliedstaaten den Bestimmungen zu den Rechten und zur Unterstützung der Betroffenen bei der Implementierung in nationales Recht Vorrang einräumen. Die Umsetzung der erweiterten Richtlinie in Deutschland darf sich nicht auf Anpassungen im Strafgesetzbuch beschränken. Die Bundesregierung sollte die Chance nutzen, auch Verbesserungen beim Schutz für und den Rechten von Betroffenen von Menschenhandel in Deutschland voran zu bringen. Effektive Strafverfahren und die Bekämpfung von Menschenhandel können nur in Verbindung mit effektiven Rechten für Betroffene und einer Stärkung ihrer Position gelingen.

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