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NEUIGKEITEN

Rat der EU einigt sich auf Reform der Menschenhandelsrichtlinie

Der Rat der Europäischen Union hat sich am 09.06.2023 auf die Aktualisierung der EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels, basierend auf dem Vorschlag zur Reform der Richtlinie 2011/36 vom Dezember 2022, geeinigt. Zwangsheirat und illegale Adoption werden ausdrücklich als Arten der Ausbeutung genannt, die von der Richtlinie erfasst werden sollen. Zudem sollen die Länder Maßnahmen umsetzen, um Personen zu sanktionieren, die wissentlich Dienstleistungen von Betroffenen des Menschenhandels in Anspruch nehmen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung kann der Rat nun Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufnehmen, das ebenfalls über den Reformvorschlag berät. Die Einschätzung des KOK vom Ende des letzten Jahres findet sich auf der KOK-Website.

 

GRETA Länderbesuch in Deutschland

Eine Delegation der Expert*innengruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels des Europarates (GRETA) besuchte vom 08.-12.05.2023 im Rahmen der dritten Evaluierungsrunde zur Umsetzung des Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels Deutschland und traf sich mit zahlreichen Vertreter*innen staatlicher und zivilgesellschaftlicher sowie wissenschaftlicher Akteure. Der KOK e. V. organisierte am 08.05 ein NGO Round-Table Gespräch in Berlin, bei dem sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter*innen von GRETA austauschten. Wichtige Herausforderungen in Bezug auf die Umsetzung der Europaratskonvention gegen Menschenhandel in Deutschland bspw. die mangelnde Identifizierung Betroffener aller Formen des Menschenhandels, die Notwendigkeit der Verbesserung der Unterstützung minderjähriger Betroffener, die unzureichende Strafverfolgung der Täter*innen oder auch die notwendige Finanzierung und der Ausbau des Unterstützungssystems für Betroffene von Menschenhandel wurden thematisiert. GRETA wird nun einen ersten Bericht entwerfen und nach einer Kommentierung durch die Bundesregierung einen Abschlussbericht voraussichtlich 2024 veröffentlichen.

 

Anstehender Universal Periodic Review (UPR) Prozess des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen

Am 15.06.2023 informierte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen), den Ausschuss für Menschenechte und humanitäre Hilfe über den Ablauf des anstehenden Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review) durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN). Sie betonte die Relevanz, durch das verpflichtende Verfahren einen selbstkritischen Blick auf die Menschenrechtslage im eigenen Land zu werfen und dass die Bundesregierung die Überprüfung ernst nehme. Besondere menschenrechtliche Herausforderungen sah Amtsberg in den Bereichen Asyl, Armutsbekämpfung, Kinderrechte und Diskriminierung. Die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), Beate Rudolf, betonte in der Sitzung zudem die Herausforderungen Deutschlands bei der Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus sowie beim besseren Schutz von Frauen vor Gewalt. Der Bericht des DIMR über die nationale menschenrechtliche Situation, der für das Überprüfungsverfahren ebenso vorzulegen ist, fokussiere sich vor allem auf die Lage von Menschen mit Behinderung, von Kindern, LGBTIQ-Personen und Asylbewerber*innen.

Im Vorfeld der Sitzung des Ausschusses führte die Menschrechtsbeauftragte ein zweistündiges Gespräch mit Vertreter*innen verschiedener Ressorts und den Mitgliedsorganisationen des Forums Menschenrechte, an dem auch der KOK teilnahm und bei dem auf wesentliche Punkte des Alternativberichts des Forums hingewiesen wurde.

Das Prüfverfahren zur Situation der Menschenrechte in den Ländern findet seit 2007 alle vier Jahre statt. Anfang August ist der Regierungsbericht Deutschlands vorzulegen, die Anhörung vor dem Ausschuss findet im November statt.

 

Bündnis gegen sexuelle Gewalt im Netz

Am 03.07. fand das digitale Auftakttreffen des Bündnisses gegen sexuelle Gewalt im Netz statt, das gemeinsam von der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) und dem Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ins Leben gerufen wurde. Der KOK ist Mitglied im Nationalen Rat und ebenso Teil des neuen Bündnisses, welches das Ziel hat, die bisher bereits geleistete Arbeit im Themenbereich digitale sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Nationalen Rat weiter zu stärken.

 

TIP-Report 2023 - Bericht des US-Außenministeriums über Menschenhandel weltweit

Der Trafficking in Persons Report (TIP Report) wird jährlich vom Büro zur Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel im US-Außenministerium herausgegeben. Darin werden die Entwicklungen in 188 Ländern im Bereich des Menschenhandels analysiert, deren Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels bewertet und Empfehlungen an die Länder ausgesprochen.

Die Länder werden in Stufen von 1 bis 3 entsprechend der Einhaltung von Mindeststandards zur Beseitigung des Menschenhandels kategorisiert. Bei der Bewertung stützt sich der Bericht allerdings nicht auf gemeinsame internationale Abkommen sondern auf die Kriterien des Trafficking Victims Protection Act (TVPA) der USA.

Deutschland wird der Stufe 1 zugeordnet. Das bedeutet, dass die Bundesregierung die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels gemäß des TVPA vollständig erfüllt. Der Länderbericht Deutschland gibt Einschätzungen zu Fortschritten bei der Bekämpfung des Menschenhandels und nennt bspw. die Einrichtung der Nationalen Berichterstattungsstelle Menschenhandel oder verstärkte Präventions- und Sensbilisierungsbemühungen vor allem im Rahmen der Fluchtbewegungen aus der Ukraine. Er weist aber auch auf Lücken hin, bspw. die mangelnde Strafverfolgung und Verurteilung in Fällen von Menschenhandel, eine fehlende Strategie zur besseren Identifizierung Betroffener oder die seltene Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen Betroffener und die unzureichende Finanzierung von Fachberatungsstellen sowie fehlende Unterbringungsmöglichkeiten für Betroffene.

Der Bericht bietet eine gute Übersicht über Entwicklungen bei der Bekämpfung von Menschenhandel in den verschiedenen Ländern.

 

Global Slavery Index 2023

Die australische Organisation Walk Free hat den Global Slavery Index 2023 veröffentlicht. Dieser Bericht schätzt, dass 2021 rund 10 Millionen Personen mehr als im Jahr 2016 in Ausbeutungsverhältnissen sind. Außerdem unterstreicht der Bericht, dass das höchste Ausbeutung zwar in Niedriglohnländern besonders häufig ist, einkommensstarke Länder aber durch ihre Kaufkraft stark an dieser Ausbeutung teilhaben. Zwei Drittel der gesamten Arbeitsausbeutungsfälle finden demnach in Zusammenhang mit globalem Handel statt. Eine zentrale Empfehlung des Berichts ist die stärkere Regulierung von Lieferketten. Zudem sollte über Risiken moderner Sklaverei aufgeklärt werden. Die Definition moderner Sklaverei von Walk Free ist sehr weit gefasst und die Berechnungen für den Bericht beruhen auf unterschiedlichen Datenquellen und Methoden beruhen. Genauere Informationen hierzu finden Sie in unserem Newsletter von März 2022.

 

PICUM Bericht zur Situation von Au Pairs und der Anwendung der EU- Richtlinie 2016/801

PICUM hat einen Bericht über die Anwendung der EU-Richtlinie 2016/801 veröffentlicht, der die Situation von Au-Pairs in Europa in den Blick nimmt. Die Richtlinie regelt die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zum Absolvieren eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüler*innenaustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit. Laut dem Bericht werden Au-Pair-Programme in Europa entgegen des eigentlichen Ziels, kulturellen Austausch zu ermöglichen teilweise dafür genutzt, gering bezahlte Haushaltsangestellte zu rekrutieren. Dem Fachkräftemangel im Pflege- und Betreuungsbereich werde häufig durch prekäre Arbeitsmigration von als Au-Pair eingestellten Personen begegnet, die zudem nur eingeschränkt Zugang zu sozialer Sicherung oder professioneller Unterstützung haben.

 

Entwicklungsorganisationen zur EU-Migrationspartnerschaft mit Niger

Brot für die Welt und Misereor haben einen Länderbericht zu humanitären und entwicklungspolitischen Folgen von EU-Migrationspartnerschaften mit Niger veröffentlicht.

Darin gehen die Organisationen der Frage nach, wie die Externalisierung der EU-Migrationspolitik in der Praxis umgesetzt wird, welche Auswirkungen dies auf staatliche Strukturen des Niger sowie auf Migrant*innen und Flüchtende hat. Der Bericht stellt fest, dass weder Migrationsbewegungen noch Menschenhandelsnetzwerke durch die Migrationspartnerschaft gestoppt werden konnten. Stattdessen ergeben sich verheerende menschenrechtliche und ökonomische Folgen für Migrant*innen und die Gesellschaft des Landes insgesamt. Die Organisationen fordern u.a., sicherheitspolitische Fragen stärker von Migrationspolitik zu trennen und zivilgesellschaftliche Akteure bei der Implementierung stärker einzubinden.

 

Weltflüchtlingstag

Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20.06. haben der KOK e.V. und über 40 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen einen Parallelbericht für die Überprüfung der Umsetzung der Konvention gegen Rassismus (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, ICERD) in Deutschland veröffentlicht. Der Bericht hält unter anderem fest, dass geflüchtete Asylsuchende entsprechend dem geltenden Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nur eingeschränkten Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen haben und diese Tatsache eine rassistische Diskriminierung von nicht-deutschen Staatsangehörigen gegenüber deutschen Staatsangehörigen darstellt. Der Parallelbericht appelliert an den UN-Ausschuss CERD, den unterschiedlichen Umgang mit Schutzsuchenden in Deutschland in den Themenkatalog der Anhörung aufzunehmen und die deutsche Bundesregierung in den abschließenden Bemerkungen dazu aufzufordern, die Einschränkungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen.

Pro Asyl veranstaltete zum Weltflüchtlingstag einen Trauermarsch zum Bundestag, um auf die massiven Entrechtung geflüchteter Personen im Zuge der anstehenden GEAS-Reform aufmerksam zu machen und an die Toten an Europas Grenzen zu erinnern. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. wies zudem erneut auf den mangelnden Schutz Minderjähriger in den derzeitigen EU-Reformvorhaben hin.

 

Beschlüsse der GFMK zu Gewalt gegen Frauen

Am 16.06.2023 wurden die Beschlüsse und Entschließungen der 33. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und –minister, senatorinnen und senatoren der Länder (GFMK) veröffentlicht. Einige Beschlüsse zielen auf die Verbesserung des Schutzes von Frauen und Kindern vor Gewalt und den Ausbau von Hilfestrukturen ab. Es wird empfohlen, eine Definition von Femiziden zu etablieren und in der Strafverfolgung, Rechtsprechung und Gesetzgebung zu verankern. Ebenso spricht sich die GFMK dafür aus, das Bundesinvestitionsprogramm Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen zu verlängern, um so den Ausbau von Frauenhäusern zu gewährleisten und den Bedarf an Investitionsmitteln für Einrichtungen des Hilfesystems zu decken. Die GFMK begrüßt zudem die Absicht, ein Gesetz gegen digitale Gewalt zu erarbeiten, weist aber darauf hin, dass im vorgelegten Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums (BMJ) die digitale Gewalt im sozialen Nahraum und die besondere Betroffenheit von Frauen und Mädchen bisher zu wenig berücksichtigt wurden. Sie fordert die Bundesregierung auf, eine repräsentative Studie zu Gewalt gegen Frauen vorzulegen, in der digitale Gewalt im sozialen Nahraum explizit untersucht wird. Auch begrüßt die GFMK das Vorhaben der Bundesregierung, das Recht auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt gegen Frauen abzusichern und bittet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) darum, zeitnah einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sich an den Vorgaben der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, orientiert. Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, sich an den Kosten für den Aufbau des Hilfesystems zu beteiligen, da Bund, Länder und Kommunen in der gemeinsamen Verantwortung gesehen werden, eine tragfähige und dauerhafte Infrastruktur für Betroffene bereitzustellen.

 

Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention

Die EU-Außenminister*innen haben den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention final beschlossen, nachdem das Europäische Parlament bereits am 10. 05. 2023 dem Beitritt mit großer Mehrheit zugestimmt hatte. Der Europäische Gerichtshof bestätigte im Oktober 2021 in einem Gutachten, dass die Europäische Union der Konvention auch ohne die Zustimmung all ihrer Mitgliedsstaaten beitreten kann und machte somit den Weg für einen europäischen Rechtsrahmen frei. Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und stellt als völkerrechtlicher Vertrag in diesem Zusammenhang das erste rechtsverbindliche internationale Instrument dar. In Deutschland ist die Konvention seit 2018 rechtskräftig.

 

Zehn Jahre Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 

Zum 10-jährigen Jubiläum des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen wurde die bisherige Rufnummer vereinfacht. Das Hilfetelefon ist nun unter der Nummer 116 016 rund um die Uhr in Deutschland und in 15 weiteren EU-Mitgliedstaaten erreichbar. Auch die bisherige Nummer 08000 116 016 bleibt für mindestens ein Jahr parallel erreichbar. Das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen ist ein niedrigschwelliges Angebot, das seit 2013 anonyme, vertrauliche und kostenlose Unterstützung für von Gewalt betroffenen Frauen anbietet. Die Nachfrage ist hoch, so haben sich seit dem Start des Angebots etwa 387.710-mal Personen an das Hilfetelefon gewandt. Auch für Betroffene von Menschenhandel ist das Hilfetelefon eine Anlaufstelle, die sie an passende Beratungsangebote weiterverweisen kann. Den Jahresbericht und die Jubiläumsbroschüre des Hilfetelefons finden Sie hier.

 

Concluding Observations des CEDAW-Ausschusses

Am 30.05.2023, wurden die Concluding Observations des CEDAW-Ausschusses veröffentlicht. Der Veröffentlichung waren der Regierungsbericht Deutschlands sowie die Anhörung vor dem CEDAW-Ausschuss Anfang Mai vorausgegangen.
Zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt fordert der Ausschuss u.a., die Zahl der Frauenhäuser zu erhöhen und das Einwanderungsgesetz so zu ändern, dass migrantische Frauen und Mädchen besseren Zugang zum Hilfesystem erhalten. Im Kapitel zu Menschenhandel und Ausbeutung in der Prostitution wird darauf verwiesen, dass es bessere Maßnahmen zur Identifizierung und Meldung von Fällen von Frauen- und Mädchenhandel geben müsse, die durch einen unabhängigen Überwachungsmechanismus, nationale Leitlinien sowie die Schulung von Behörden unterstützt werden könnten. Ebenso wird gefordert, Betroffene von Menschenhandel eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, um den Zugang zu Schutz, Unterstützungsdiensten und Rehabilitationsprogrammen zu gewährleisten. Der Fokus der Empfehlungen beschränkt sich allerdings auf den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, weshalb wichtige Aspekte zu anderen Formen des Menschenhandels und die Situation und Rechte der Betroffenen ausgeklammert bleiben. Auch auf die Finanzierung des Hilfesystems für alle Betroffenen von Menschenhandel wird nicht eingegangen. Die CEDAW Alliance, ein NGO-Bündnis, in dem auch der KOK Mitglied ist, hat bereits im April im Vorfeld der Anhörung ihren Alternativbericht veröffentlicht und im Abschnitt zu Menschenhandel auf diese weiteren Aspekte hingewiesen.

 

Dunkelfeldstudie zur Viktimisierung von Frauen

Das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung des Freistaats Sachsen hat die Dunkelfeldstudie zur Viktimisierung von Frauen durch häusliche Gewalt, Stalking und sexualisierte Gewalt (VisSa Studie) veröffentlicht, um das durch Kriminalstatistiken abgebildete Hellfeld zu ergänzen. Die Studie für Sachsen ergab, dass neun von zehn befragten Frauen bereits als unangemessen empfundenes Verhalten erlebt haben, 30% der Befragten erlebten sexualisierte Gewalt und 45% der Befragten psychische und 35% physische häusliche Gewalt. Die Studie hält weiter fest, dass nur ein Drittel der Befragten professionelle Hilfe oder Fachberatungsstellen in Anspruch nimmt. Bei der qualitativen Datenerhebung von geflüchteten Frauen wurde festgestellt, dass die Gewalterfahrung ein Grund für das Verlassen des Herkunftslandes war und sie nach oder während der Flucht Erfahrung mit Menschenhandel, Kidnapping oder Erpressung machten.

 

Leitfaden für Unternehmen zum Schutz von geflüchteten Arbeitnehmer*innen

Anti-Slavery International und La Strada International haben einen Leitfaden für Unternehmen veröffentlicht, mit dem der Schutz für Geflüchtete vor Ausbeutung in Lieferketten gewährleistet werden soll. Der Leitfaden enthält Empfehlungen an Unternehmen, wie sie der Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten nachkommen und Risiken von Ausbeutung und Menschenhandel für geflüchtete Arbeitnehmer*innen minimieren bzw. verhindern können. Er richtet sich insbesondere an Unternehmen, die in Ländern arbeiten, die an von Konflikten betroffene Gebiete angrenzen oder in denen es eine große Zahl von Flüchtlingen gibt, oder die mit Zulieferern in diesen Ländern zusammenarbeiten.

Der Leitfaden ist hier in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch, Bulgarisch, Polnisch und Rumänisch als Download verfügbar.

 

Frontal Folge zu Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung

Das ZDF Magazins Frontal zeigt am 18.04.2023 einen Beitrag zum Thema Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung in Deutschland. Die Berichterstattung folgt einem Fall von Arbeitsausbeutung, welcher von den spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel mira – Mit Recht bei der Arbeit und dem Fraueninformationszentrum FIZ begleitet wurde und wird. Die Folge, sowie der Teilabschnitt zum Thema Menschenhandel sind in der ZDF Mediathek bis zum 18.04.2025 abrufbar.

 

BKSF Stellungnahme zur Diskussion um organisierte sexuelle und rituelle Gewalt

Die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen Sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF) hat gemeinsam mit den Verbänden DGfPI, bff und BAG Forsa Stellung zu der medialen Diskussion um organisierte sexuelle und rituelle Gewalt genommen. Darin wird betont, dass die polarisierte Diskussionen die Glaubwürdigkeit Betroffener dieser Gewaltform in Einzelfällen nicht zu einem grundsätzlichen Infragestellen der Existenz von Gewaltformen führen dürfen. Es wird hervorgehoben, dass Verleugnung und Diffamierung den betroffenen Personen schaden und eine Reduktion der Unterstützungsmöglichkeiten nach sich ziehen könnte. Die Stellungnahme ist auf der Seite des BKFS veröffentlicht.

 

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VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Kampagne für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes

Zum Internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai sprach sich die von 208 zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Pro Asyl und Amnesty International unterstützte Kampagne für  die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz mit einer Pressemitteilung gegen Arbeitsverbote für Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen aus und fordert das Recht auf faire Arbeit für alle.

Der KOK e.V. unterstützt die Kampagne seit Beginn. In einem gemeinsamen Statement forderten über 60 zivilgesellschaftliche Organisationen bereits Anfang des Jahres das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede.

KOK-VERANSTALTUNGEN

KOK Vernetzungstreffen 2023

Vom 25.-26.05.2023 fand das jährliche Fortbildungs- und Vernetzungstreffen des KOK in Berlin statt. Themenschwerpunkte waren diversitätssensible Beratung, mit einem Fokus auf von Menschenhandel betroffene TINA* (Trans, Inter, Nicht-binäre und agender*) Personen und ein Workshop zu Medienkompetenz, insbesondere zum Umgang mit Medien für NGOs. Teilgenommen haben Vertreter*innen der KOK-Mitgliedsorganisationen.

 

BKA-KOK Praxisfachtag

Vom 28.-29.06.2023 fand der gemeinsame Praxisfachtag des Bundeskriminalamts (BKA) und des KOK in Berlin statt. Dabei ging es vor allem darum, einen Austausch zwischen spezialisierten Fachberatungsstellen und Vertreter*innen der Polizei, inklusive der Bundespolizei sowie auch der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu ermöglichen. Die Teilnehmer*innen tauschten sich zu aktuellen Entwicklungen aus der Praxis aus, reflektierten in Arbeitsgruppen Kooperationsmöglichkeiten und Best-Practices. Inhaltliche Schwerpunkte bildeten u.a. der Umgang mit traumatisierten Betroffenen, die Sensibilisierung für Rechte Betroffener von Menschenhandel und die Bedeutung von Digitalisierung im Menschenhandel. Der Praxistag ist ein regelmäßig stattfindendes Veranstaltungsformat, das gemeinsam durch das Bundeskriminalamt und den KOK konzipiert und umgesetzt wird.

 

Webseminar - Einführung in das Phänomen Menschenhandel in Deutschland im Kontext von Flucht

Am 03.05.2023 fand ein Web-Seminar unter Leitung von Larissa Hilt (KOK e.V.) und Corinna Dammeyer (NADESCHDA) statt, welches umfassende Information zum Thema Menschenhandel im Kontext von Flucht bereitstellte und den Teilnehmenden den Austausch mit Expert*innen ermöglichte. Es richtete sich an alle, die mit geflüchteten Menschen arbeiten und eine größere Sensibilität für Ausbeutung und Menschenhandel entwickeln möchten. Zielgruppe waren die verschiedenen Akteure in der Unterstützungsstruktur für Geflüchtete einerseits, z.B. ehrenamtliche oder professionelle Berater*innen, aber auch Mitarbeiter*innen in Behörden, seien es die Ausländerbehörden, das BAMF oder Polizist*innen. Bei Interesse kann die Aufzeichnung des Webinars von Fachpersonen beim KOK angefragt werden.

VERANSTALTUNGEN

KOK-Infostand auf dem Deutschen Präventionstag in Mannheim

Vom 12-13.06.2023 fand der Deutsche Präventionstag in Mannheim mit dem Schwerpunktthema Krisen und Prävention statt. Der KOK war gemeinsam mit dem Fraueninformationszentrum FIZ Stuttgart mit einem Informationsstand zum Thema Menschenhandel im Kontext von Flucht und Asyl vertreten. Es wurden Elemente der KOK-Ausstellung zu Menschenhandel gezeigt und Informationsmaterial zu Menschenhandel, Ausbeutung und Unterstützung Betroffener angeboten.

 

Fachgespräch von Bündnis 90/Die Grünen: sexuelle Ausbeutung bekämpfen, Betroffene schützen

Am 19.06.2023 veranstaltete die Partei Bündnis 90/Die Grünen ein öffentliches Fachgespräch zum Thema Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und Schutz der Betroffenen. In Vorbereitung auf den ressortübergreifenden Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgehalten ist, moderierten die Bundestagsabgeordneten Filiz Polat, Marcel Emmerich und Denise Loop einen Austausch mit weiteren Expert*innen aus Politik und Praxis, zu den Fragen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung erfolgreich zu bekämpfen und Betroffene besser zu schützen. Vertreter*innen des KOK e.V., der spezialisierten Fachberatungsstelle Kobra e.V. Hannover sowie der Berichterstattungsstelle zu Menschenhandel am Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) waren eingeladen.

 

Flucht, Gewalt, Trauma: die Umsetzung der Istanbul-Konvention für queere Geflüchtete in Deutschland

Das Gunda-Werner-Institut der Heinrich Böll Stiftung veranstaltete am 22.06.23 die Fachkonferenz Flucht, Gewalt, Trauma: Die Umsetzung der Istanbul-Konvention für queere Geflüchtete in Deutschland. Auf zwei Panels wurden Themen wie die juristische Umsetzung der Istanbul-Konvention für queere Geflüchtete und traumasensible Asylverfahren mit Expert*innen diskutiert. Die Aufzeichnung der Konferenz kann auf dem YouTube-Kanal der Heinrich-Böll-Stiftung abgerufen werden.

 

GAATW Regionalkonsultation in Berlin

 Vom 3. bis 4. Juli 2023 fand die Regionalkonsultation der Global Alliance Against Traffic in Women (GAATW) statt, die sich mit der sozioökonomischen Integration von Migrantinnen in Europa befasste. Die Konferenz, die im Refugio Berlin stattfand, brachte verschiedene Organisationen und Netzwerke zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, Herausforderungen zu diskutieren und gemeinsame Lobbyarbeitsschwerpunkte zu identifizieren.

Am ersten Tag wurden die Teilnehmerinnen herzlich willkommen geheißen, und jede Organisation hatte die Möglichkeit, sich vorzustellen und ihren Aufgabenbereich sowie ihre Arbeit im Zusammenhang mit Migrantinnen in Europa zu präsentieren. Anschließend wurden Präsentationen zu den Hindernissen für die sozioökonomische Integration von Migrantinnen in Europa gehalten. Jede Organisation teilte ihre Perspektiven und Erkenntnisse zu diesem Thema mit. Die Präsentationen deckten eine Vielzahl von Hindernissen ab, darunter Sprachbarrieren, Diskriminierung, fehlender Zugang zu Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie unzureichende soziale Absicherung.

Während der Diskussionsrunde wurden die identifizierten Hindernisse reflektiert und analysiert. Es wurde deutlich, dass diese Hindernisse je nach Gruppe von Migrantinnen unterschiedlich ausgeprägt waren und mit Faktoren wie Rasse, Klasse, Ethnizität, Religion, Sexualität und Geschlechtsidentität verknüpft waren. Darüber hinaus wurde erörtert, ob die Hindernisse in ganz Europa weit verbreitet oder stärker in bestimmten Teilregionen oder Ländern anzutreffen waren.

Der zweite Tag der Konferenz konzentrierte sich auf die Lobbyarbeit und die Festlegung von Prioritäten für das kommende Jahr. Der KOK ist Mitglied bei GAATW.

 

TIATAS Konferenz

Am 09.05.23 fand die Abschlusskonferenz der Transnationalen Initiative gegen Menschenhandel im Kontext des europäischen Asylsystems (TIATAS), einem EU geförderten Projekt u.a. mit Jadwiga und in Kooperation mit dem International Rescue Committee (IRC) mit dem Titel Fostering Transnational Cooperation in Combating Human Trafficking within the European Union: Best Practices and Innovative Actions statt. Die Aufzeichnung der Konferenz wurde nun veröffentlicht.

Das Projekt befasste sich mit Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit spezialisierter Beratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel über Landesgrenzen hinweg und stellte Handlungsempfehlungen und verschiedene praktische Tools vor.

 

Regionaler Praxisfachtag von KOK und BAMF

Im Rahmen des Projektes Flucht und Menschenhandel des KOK findet am 15.09. ein regionaler, gemeinsam vom KOK und dem BAMF ausgerichteter Praxisfachtag statt. Die Fachtage fanden bereits in den vergangenen Jahren statt und bieten Mitarbeiter*innen der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel und Sonderbeauftragen für Opfer von
Menschenhandel des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Möglichkeit, sich kennenzulernen und über die jeweiligen Aufgaben und Arbeitsweisen auszutauschen sowie regionale Kooperationen anzustoßen. Durch Inputs, Arbeit an konkreten Fallbeispielen und durch Diskussionen wird Wissen erweitert und die Vernetzung gestärkt.

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

Gesetz zur Beseitigung von Belästigung und Diskriminierung in der Arbeitswelt in Kraft getreten

Das Gesetz zur Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, für das der Bundestag im April mit breiter Mehrheit gestimmt hat, ist am 31.05.2023 in Kraft getreten. Ziel des Übereinkommens ist es, eine rechtliche Grundlage für eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung zu schaffen. Es soll außerdem als internationaler Mindeststandard fungieren und Regelungslücken schließen. Das Übereinkommen hält in Artikel 2 explizit fest, dass die Bestimmungen für Personen ungeachtet ihres Vertragsstatus gelten und unterstreicht in Artikel 5 die Verpflichtung, auf die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit und die effektive Abschaffung der Kinderarbeit hinzuarbeiten. Auch erkennt das Übereinkommen in der Präambel an, dass Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stärker von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung betroffen sind.

 

Gesetzentwurf zur Regelung der Entsendung von Kraftfahrer*innen

Der Bundestag hat am 15.06.2023 den von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zur Regelung der Entsendung von Kraftfahrern und Kraftfahrerinnen verabschiedet. Das Gesetzesvorhaben soll die EU-Straßenverkehrsrichtlinien in nationales Recht umsetzen und den Sektor zudem fair, effizient und sozial rechenschaftspflichtig gestalten sowie mehr Rechtssicherheit schaffen. Ob die Umsetzung der EU-Richtlinien tatsächlich zu einem faireren Wettbewerb und besseren Arbeitsbedingungen führt, war unter den Sachverständigen bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales umstritten. Es wurde von mehreren Sachverständigen darauf hingewiesen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der entsendeten Beschäftigten im Gütertransport sehr prekär seien und dass ausbleibende Lohnzahlungen und das Vorenthalten des Mindestlohns an der Tagesordnung stehen.

 

Kritik an Großbritanniens Gesetzesentwurf zur illegalen Migration

Die Expert*innengruppe des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) äußerte große Besorgnis über einen Gesetzesentwurf zur illegalen Migration (Illegal Migration Bill) aus Großbritannien, da dieser Kernelementen der Konvention Europas zur Bekämpfung des Menschenhandels zuwiderläuft. GRETA befürchtet durch die geplante Gesetzgebung bedeutende Rückschritte bei der Identifizierung von Betroffenen und der Verfolgung von Menschenhändler*innen. Das Gesetz sieht vor, dass nahezu alle Personen, die unter Verstoß gegen die Einwanderungsbestimmungen in das Vereinigte Königreich einreisen und keinen offensichtlichen Asylgrund vorweisen können, inhaftiert und abgeschoben werden. Betroffenen von Menschenhandel und moderner Sklaverei wird dadurch der ihnen rechtlich zustehende Zugang zu Schutzmaßnehmen verweigert. In einem von GAATW veröffentlichten Statement zum Gesetzesentwurf zur illegalen Migration vom 24.05.2023, drücken 50 mitzeichnende Organisationen ihre Besorgnis in Bezug auf den Schutz von betroffenen von Menschenhandel aus und fordern die britische Regierung auf, die vorgeschlagene Gesetzgebung zu überdenken sowie sich entschieden für den Kampf gegen Menschenhandel zu positionieren.

 

Gesetz zur Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Am 23.06.2023 wurde im Bundestag für den vorab noch einmal geänderten Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung gestimmt. Der Gesetzentwurf soll die Fachkräftezuwanderung von sogenannten Drittstaatsangehörigen weiter erleichtern, um die Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarktes besser abdecken zu können und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat am 22.05.2023. warnte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor den Risiken ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse sowie der Absenkung von Sozialstandards und forderte zur Vermeidung dessen die Beschäftigung zu tarifvertraglichen Bedingungen. Der Entschließungsantrag der Linken, der kritisierte, dass das Gesetz an den Nützlichkeitskriterien für die hiesige Wirtschaft und nicht an menschenrechtlichen Standards und Bedürfnissen der Migrant*innen ausgerichtet ist, wurde vom Bundestag abgelehnt. Die Forderung nach der Möglichkeit eines „Spurwechsels“ von der humanitären in die Erwerbsmigration, die auch von den Linken vorgetragen wurde, hat allerdings trotzdem Eingang in das Gesetz gefunden. Auch wurde der Gesetzeszweck der „Begrenzung“ von Zuwanderung gestrichen.

 

GEAS-Reform

Am 08.06.2023 haben sich die europäischen Innenminister*innen beim Rat für Justiz und Inneres in Luxemburg über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt.

Ein Übereinkommen der EU Innenminister*innen gibt es bisher zur Asylverfahrensverordnung, die grundsätzlich den Zugang für schutzsuchende Personen zum Asylsystem verändert und der Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung zur Verteilung der Asylsuchenden in der EU.

Nun verhandelt das Europäische Parlament über die Reform, es könnte Anfang 2024 ein Votum geben. Vom EU-Innenrat beschlossene Änderungen, die von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie auch dem KOK stark kritisiert werden, sind bspw. die beschleunigten Grenzverfahren für Personen aus Herkunftsländern mit geringer Anerkennungsquote,  die dazu führen werden, dass Schutzsuchende bis zur Entscheidung unter haftähnlichen Bedingungen festhalten werden. Hierunter fallen auch vulnerable Personen und Familien mit Kindern. Beschleunigte Grenzverfahren bedeuten auch einen eingeschränkten Zugang zu Rechtsmitteln gegen ablehnende Asylbescheide. Gerade besonders vulnerable Personen, wie Betroffene von Menschenhandel werden in diesen Verfahren wohl meist nicht identifiziert.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat bereits eine Analyse über die möglichen Folgen der GEAS Reform veröffentlicht und weist darauf hin, dass aus menschenrechtlicher Perspektive eine faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl droht.

Der Migrationsforscher Bernd Kasparek (Humboldt-Universität zu Berlin) weist darauf hin, dass diese Reformbeschlüsse dazu führen würden, dass sich Menschen dazu gezwungen sehen, auf längere und gefährlichere Routen auszuweichen, um nicht beschleunigte Grenzverfahren zu durchlaufen, bzw. in den geplanten Asylzentren an den Außengrenzen unter haftähnlichen Bedingungen monatelang untergebracht zu sein.

Weitere Hintergrundinformationen finden Sie beispielsweise auf der Webseite von Pro Asyl,  Amnesty International, dem Mediendienst Integration

 

Gesetzesänderung im Sanktionsrecht

Der Bundestag beschloss am 22.06.2023 den Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Sanktionenrechts. „Geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe von Täter*innen wurden damit explizit strafschärfend in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB aufgenommen. Dadurch wurde eine langjährige Forderung des Deutschen Juristinnenbunds e.V (djb) umgesetzt. Zwar gab es bereits die Möglichkeit, diese Form von Motiven unter „menschenverachtende“ Beweggründe zu fassen, laut dem djb bedurfte es der Erweiterung aber, um eine Rechtspraxis umzusetzen, die sich patriarchaler Denkmuster bewusst ist und sich für intersektionale Diskriminierungsformen sensibilisiert. Die Gesetzesänderung ist auch für Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung relevant, da sich ein geschlechtsspezifischer Beweggrund i.S.d. § 46 StGB ebenfalls auf die Strafzumessung von Täter*innen bei der Verwirklichung dieses Deliktes auswirken kann.

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

Sonderedition Anti- Trafficking Review Home and Homelessness

Das Journal Anti- Trafficking Review der Global Alliance against Traffic in Women (GAATW) hat eine Sonderedition zu Home and Homelessness veröffentlicht. Sie untersucht die Zusammenhänge zwischen Wohnen, Obdachlosigkeit, Migration und Ausbeutung. Mit Beiträgen aus Neuseeland, Australien, Hongkong, Malaysia, Singapur, den Vereinigten Staaten und Ecuador werden Einwanderungs-, Strafrechts- und Sozialsysteme kritisiert, die Migrant*innen, Betroffene von Menschenhandel und andere marginalisierte Gruppen in Bezug auf ihre Wohnmöglichkeiten  benachteiligen.

 

Faire Mobilität veröffentlicht Dossier zur Fleischindustrie in Deutschland

Das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität hat ein Dossier zur Fleischindustrie in Deutschland veröffentlicht, in dem Erfahrungen aus der Beratungspraxis der Organisation vorgestellt werden. Insbesondere das Arbeitsschutzkontrollgesetz (ASKG), welches 2021 den weitverbreiteten Einsatz von Subunternehmen und Werkverträgen unterbinden sollte, wird hinsichtlich seiner Auswirkungen analysiert.

 

FIZ Projektbericht Ukraine: Neue Erkenntnisse zur digitalen Erreichbarkeit

Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich hat in einem Pilotprojekt mit Fokus auf geflüchteten Personen aus der Ukraine untersucht, wie Betroffene von Menschenhandel in digitalen Räumen erreicht werden können und die Ergebnisse in einem Projektbericht veröffentlicht. Die Nutzung von Internet und sozialen Medien ist hilfreich, um Betroffenen von Menschenhandel einen niedrigschwelligen Zugang zur Beratungsarbeit zu ermöglichen. Die größten Schwierigkeiten liegen dem Bericht zufolge darin, die Zielgruppe auch tatsächlich zu erreichen und die richtigen Kommunikationskanäle zu finden.

 

FRA’s Fundamental Rights Report 2023

Der Fundamental Rights Report 2023 der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) befasst sich mit den Entwicklungen und Defiziten des Menschenrechtsschutzes in der EU im Jahr 2022 und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf die Grundrechte in der EU.

 

Jahresbericht der Expert*innengruppe GRETA

Die Expert*innengruppe des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) veröffentlichte am 14.06.2023 ihren Jahresbericht für das Jahr 2022. Laut der Expert*innengruppe besteht für Personen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, eine besondere Gefahr, von Ausbeutung und Menschenhandel betroffen zu sein. Der Bericht enthält ein Kapitel zum Umgang mit den Risiken des Menschenhandels im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und nennt praktische Maßnahmen, die zu deren Minimierung ergriffen werden können. Der Jahresbericht geht zudem auf die besonderen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem zunehmenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ein.

 

Studie zu Sozialversicherungsbeiträgen und -ansprüchen migrantischer Arbeitnehmer*innen

Das European Trade Union Institute kam in der Veröffentlichung Report on the social security rights of short-term third-country national migrant workers zu dem Schluss, dass migrantische, Arbeitnehmer*innen aus Drittstaaten, die zeitlich sehr begrenzte Verträge haben, zwar Beiträge zur Sozialversicherung und Gesundheitsvorsorge zahlen. In den meisten Fällen haben sie jedoch durch die kurze Aufenthaltszeit in Europa keinen Anspruch auf die Leistungen selbst.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGSDATENBANK

VG Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.03.2023 über die Flüchtlingsanerkennung aufgrund der Zugehörigkeit zu der verfolgten ‚sozialen Gruppe‘ der Frauen

Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein setzt sich in seinem Urteil vom 21.03.2023 um Flüchtlingsanerkennung für eine von Zwangsheirat bedrohte Türkin mit der kontrovers entschiedenen Frage der Voraussetzungen einer asylrelevanten ‚sozialen Gruppe‘ auseinander und erklärt, dass eine Anknüpfung der Verfolgung allein an das Geschlecht ausreichend sei. Der deutsche Gesetzgeber habe mit der Regelung des. § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. mit § 3b Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz Asylgesetz (AsylG) bewusst weiter gehen wollen, als in den Mindeststandards der sog. Qualifikations-Richtlinie (RL 2011/95) vorgegeben. Außerdem stellt das Gericht sehr ausführlich die Situation der Frauen in der Türkei und die Nichteinhaltung internationaler Menschenrechtsverpflichtungen dar.

RUBRIK WISSEN – ECKPUNKTE ZUM GESETZ GEGEN DIGITALE GEWALT

Der Koalitionsvertrag sieht die Erarbeitung eines Gesetzes gegen digitale Gewalt vor. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat diesen Prozess im Frühjahr gestartet und ein Eckpunktepapier gegen digitale Gewalt veröffentlicht. Der Rechtsdurchsetzung von Betroffenen soll mit diesem Entwurf höhere politische Priorität zugemessen werden, da sich frühere gesetzliche Bemühungen eher auf strafrechtliche Verfolgung durch Plattformregulierung bezogen. Das geltende Auskunftsverfahren soll erweitert werden. Telemedienanbieter*innen sollen in diesem Rahmen Auskunft über IP-Adressen und Internetzugangsanbieter*innen über die dazu zugeordneten Personen geben. Ebenfalls ist vorgesehen, dass Anbieter*innen nach Einleitung eines Auskunftsverfahrens dazu verpflichtet werden können, Nutzungsdaten, sowie die betroffene(n) Äußerung(en) des mutmaßlich rechtsverletzenden Verfassers gezielt zu sichern. Ebenfalls ist die Möglichkeit einer Accountsperrung durch Dienstanbieter*innen vorgesehen. Mit einem Entwurf des BMJ für ein entsprechendes Gesetz ist in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu rechnen.

Zu den veröffentlichten Eckpunkten reichten zahlreiche Organisationen Stellungnahmen ein. Insgesamt wird der Vorstoß des BMJ begrüßt, sich dem Thema digitale Gewalt mit einem Gesetzgebungsprozess anzunehmen und der Rechtsdurchsetzung für Betroffene mehr Raum zu geben. Allerdings gibt es, zumindest in den Eckpunkten, nach Ansicht zivilgesellschaftlicher Organisationen noch erhebliche Lücken. Um digitale Gewalt wirklich wirksam zu bekämpfen, müsste sich der Fokus deutlich weiten.

So weist der Deutsche Juristinnenbund e.V. in seiner Stellungnahme beispielsweise darauf hin,  dass die Geschlechterdimension der Gewalt im digitalen Raum zu wenig Berücksichtigung in der Erarbeitung findet.

Ein Kritikpunkt bzw. eine Notwendigkeit, der in den Eckpunkten bisher nicht begegnet wird ist die fehlende Definition von digitaler Gewalt. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) bspw. weist darauf hin, dass sich die vorgelegten Eckpunkte hauptsächlich auf so genannte Hatespeech beziehen und eine Definition von digitaler Gewalt fehlt. Dabei werde im Fachdiskurs derzeit jede Gewalt als digitale Gewalt verstanden, die sich digitaler Hilfsmittel, d.h. informationstechnologischer Geräte, digitaler Medien und des digitalen Raums bedient. Der bff fordert in seiner Stellungnahme Transparenz darüber, welche Gewaltformen durch das Gesetz geregelt werden sollen. Eine Trennung von Maßnahmen gegen Gewalt im digitalen Raum, wie in den Eckpunkten vorgesehen, von Maßnahmen gegen technikgestützte Gewalt, die bisher nicht adressiert ist, ließe sich begründen, sollte aber transparent gemacht werden.

Der KOK unterstützt diese Forderungen nach einer Definition digitaler Gewalt. Auch im Bereich Menschenhandel und Ausbeutung spielt Digitalisierung eine immer größere Rolle. In einer Studie zur Digitalisierung von Menschenhandel des KOK wurde festgestellt, dass Täter*innen sich in jeder Phase des Ausbeutungsprozesses des Internets und sozialer Medien bedienen und so verschiedene Formen digitaler Gewalt für die Betroffenen immer präsenter werden, eine Definition allerdings noch fehlt. Formen digitaler psychologischer und sexualisierter Gewalt sind relativ neue Phänomene, die Überschneidungen aufweisen und häufig noch keine klaren Rechtsdefinitionen haben. Während manche dieser Gewaltformen schon in Medien und damit allgemeiner im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen zu sein scheinen, mangelt es an Verständnis für andere. Die Studie stellte außerdem fest, dass für die effektive Bekämpfung von Cybercrime eine allgemein akzeptierte Definition notwendig ist, die es ebenfalls noch nicht gibt.

Die Organisation HateAid weist in ihrer, gemeinsam mit weiteren Organisationen verfassten Stellungnahme, auf die Problematik der bildbasierten digitalen Gewalt hin, die in den Eckpunkten ebenfalls nicht adressiert wird. Spezialisierte Beratungsstellen haben immer häufiger mit Fällen bildbasierter digitaler Gewalt, vor allem gegen Frauen zu tun. Gleichzeitig beobachtet HateAid in diesen Fällen die größten Schutzlücken. Die juristische Bewertung allerdings würde in der überwiegenden Zahl der Fälle derartige Vorfälle lediglich als eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild einordnen.

Weitere wichtige Punkte, die sich in den Eckpunkten bisher nicht finden und auf die in diversen Stellungnahmen hingewiesen wird (u.a. vom djb), sind notwendige Schulungen zu Medienkompetenz und -dynamiken für die Strafverfolgung sowie die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Straftaten in Zusammenhang mit digitaler Gewalt und die Digitalisierung der Justiz, um die Rechtsdurchsetzung in diesem Bereich auch gewährleisten zu können.

Um digitale Gewalt in all ihren Formen effektiv bekämpfen und Betroffenen die Rechtsdurchsetzung gegen Täter*innen zu ermöglichen sollte der geplante Gesetzentwurf des BMJ die in den zahlreichen Stellungnahmen genannten Punkte unbedingt aufnehmen und den Fokus des Entwurfs über die in den Eckpunkten erfassten guten Ansätze hinaus weiten.

 

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