Der KOK Newsletter erscheint 4 mal im Jahr. Wenn Sie unmittelbar die neuesten Informationen des KOK e.V. erhalten möchten, dann können Sie gerne unseren Newsletter abonnieren. Das Abonnement kann jederzeit wieder abbestellt werden.

Zum Newsletter Abonnement >>

Ältere Newsletter finden Sie im Archiv >>

NEUIGKEITEN

Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

Am 09. April wurde von Union und SPD der neue Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode des deutschen Bundestags vorgestellt. Die Regierungsparteien haben darin weitreichende Entscheidungsabsichten festgehalten, die sowohl unmittelbar als auch indirekt Auswirkungen für das Handlungsfeld Bekämpfung von Menschenhandel und Unterstützung der Betroffenen haben. Zunächst fällt auf, dass eine explizite Erwähnung von Menschenhandel allein unter der irreführenden Überschrift „Prostituiertenschutzgesetz“ erfolgt.

Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution sind jedoch lediglich ein Ausschnitt eines sehr viel größeren Deliktsbereichs. In Deutschland werden nicht allein Frauen so ausgebeutet. Von Menschenhandel betroffen sind alle Geschlechter. Und es gibt sehr viel mehr Ausbeutungsformen, die einerseits strafrechtlich stärker verfolgt werden müssen und wo Betroffene deutlicher Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Rechte erfahren müssen. Dazu gehört aus Sicht des KOK beispielsweise auch ein Bleiberecht für Betroffene des Menschenhandels. Auch weitere Formen von Menschenhandel, wie Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung, Ausbeutung der Bettelei oder Ausbeutung der Begehung strafbarer Handlungen müssen durch die künftige Bundesregierung adressiert werden, gerade in Zeiten, in denen immer mehr Menschen in Deutschland, Europa und weltweit von Armut bedroht sind und sich in prekären Lebensverhältnissen befinden. Die Einschränkung regulärer Migrationswege macht Menschen gegenüber Ausbeutung und Zwangssituationen noch verletzlicher. Einige Punkte des Koalitionsvertrages sind begrüßenswert, für die Ausarbeitung des detaillierten Regierungsprogramms verweist der KOK auf seine Empfehlungen für die Koalitionsverhandlungen und hält u.a. ein klares Bekenntnis zu Betroffenenrechten sowie zur Umsetzung der Nationalen Aktionspläne und zur Verstetigung der Berichterstattungsstelle Menschenhandel für notwendig.

 

Bundesregierung veröffentlicht ersten Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit

Die Bundesregierung hat am 12. Februar den ersten Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit beschlossen. Er umfasst 83 Maßnahmen, die darauf abzielen, Prävention zu stärken, Betroffene zu schützen und Unternehmen sowie Behörden für das Thema zu sensibilisieren. Der Aktionsplan ist eine Reaktion auf völkerrechtliche Verpflichtungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Er beinhaltet vier Handlungsfelder: Das Handlungsfeld „Arbeitskräftegewinnung“ enthält u.a. Maßnahmen zur fairen Anwerbung und verstärkter Aufklärung über Arbeitsrechte in Herkunftsländern. Das Feld „Arbeitnehmerrechte und deren Durchsetzung“ umfasst auch Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsaufklärung, Beratungsangebote und Hilfestrukturen für Betroffene. Im Feld „Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz und staatliche Kontrollen“ finden sich Maßnahmen zum Ausbau behördlicher Kontrollen und Schulungen für Ermittlungsbehörden. Das Feld „Unternehmensverantwortung“ plant Maßnahmen zur Verpflichtung von Unternehmen zur Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen und Sensibilisierung für Risiken der Ausbeutung. Der Aktionsplan ist als „Living Document“ konzipiert, das kontinuierlich weiterentwickelt werden soll. Er ergänzt den bereits im Dezember veröffentlichten Nationalen Aktionsplan Menschenhandel.

 

Menschenhandel nicht länger Priorität

Im aktuellen Bericht „EU Serious and Organised Crime Threat Assessment (EU SOCTA)“ identifiziert EUROPOL die zentralen Bedrohungen durch schwere und organisierte Kriminalität in der EU. Der Bericht dient als Grundlage für strategische Prioritätensetzungen und Finanzierung von Maßnahmen in den kommenden Jahren.

Das Kapitel zu Menschenhandel hebt insbesondere die zunehmende Bedeutung der Online-Dimension hervor. Kriminelle Netzwerke nutzen digitale Plattformen zur Anwerbung von Betroffenen, zur Verschleierung illegaler Aktivitäten und zur Abwicklung finanzieller Transaktionen – häufig unter Einsatz von Kryptowährungen. Zudem zeigt der Bericht auf, dass Dokumenten- und Identitätsbetrug weiterhin eine zentrale Rolle in den Methoden von Menschenhändler*innen spielt.

Im Bericht wird festgestellt, dass junge Täter*innen zunehmend in schwere Gewaltverbrechen, einschließlich Menschenhandel, involviert sind. Zudem finden Kriminelle immer neue Wege, um Entdeckung zu vermeiden, und setzen vermehrt Manipulationsmethoden wie die sogenannte Loverboy-Methode ein, um Betroffene in ausbeuterische Situationen zu bringen und sie darüber im Unklaren zu lassen, dass sie Opfer einer Straftat sind.

Trotz der anhaltenden Relevanz von Menschenhandel wird dieser im EU SOCTA-Bericht schließlich nicht als prioritäres Kriminalitätsfeld genannt. Stattdessen werden Cyberangriffe, Online-Betrug, (digitale) sexuelle Ausbeutung von Kindern, Schleusung von Migrant*innen, Drogenhandel, Waffenhandel und Umweltkriminalität als zentrale Bedrohungen für die EU-Sicherheit eingestuft.

 

Auswirkungen der US-Ausgabensperre für Auslandshilfe

Die Ende Januar von US-Präsident Donald Trump herausgegebene Executive Order zur  Neubewertung und Neuausrichtung der US-Auslandshilfen (USAID), sieht eine sofortige 90-tätige Aussetzung der gesamten ausländischen Entwicklungshilfe, die Hilfsgelder für andere Länder, Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und Bundesauftragnehmer*innen auszahlt, vor. Die Programme sollen auf Kohärenz mit der Außenpolitik Trumps überprüft werden und können beendet werden, wenn sie nicht mit den Prioritäten der Regierung übereinstimmen. Die Finanzierungsstopps haben massive Auswirkungen auf die humanitäre Situation in vielen Ländern des globalen Südens. Auch die internationale Zivilgesellschaft, u.a. Anti-Trafficking Projekte und Programme, die Förderung aus den USA erhalten, sind betroffen. So berichtet das europäische Netzwerk La Strada International in einer Mitteilung vom 31. Januar, dass die Finanzierung von bis dato mindestens neun Projekten, an denen sieben der Mitgliedsorganisationen beteiligt sind, eingefroren wurden. Das wirke sich unmittelbar auf die Beratungsdienste, die Arbeit der mobilen Einsatzteams und die rechtliche und direkte Unterstützung der Betroffenen von Menschenhandel aus. Die humanitären Notlagen, die an vielen Stellen bereits existierten, würden sich dadurch verstärken. Am 19. Februar haben La Strada International, Freedom Collaborative, Freedom United und Global Learning Community ein gemeinsames Statement zur Sicherstellung der weltweiten Bekämpfung des Menschenhandels im Zuge des Stopps der US-Auslandshilfen veröffentlicht. Ohne das dringend notwendige Eingreifen anderer Regierungen und internationaler Organisationen bedrohten die Finanzierungslücken durch den „USAID-Freeze“ die Stabilität des politischen Engagements zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie der damit verbundenen Sensibilisierungs- und Unterstützungsprogramme für Betroffene und gefährdete Gruppen.

 

Einrichtung von Dublin-Zentren zur schnelleren Rücküberstellung von Asylsuchenden an zuständige EU-Staaten

In Brandenburg und Hamburg wurden die bundesweit ersten sogenannten Dublin-Zentren errichtet, um Asylsuchende, für deren Asylverfahren nach der Dublin-III Verordnung ein anderer EU-Staat zuständig ist, schneller in die entsprechenden Länder rücküberstellen zu können. In den Zentren erhalten Asylsuchende für die Zeit von zwei Wochen nur noch sogenannte Überbrückungsleistungen in Form von Sachleistungen. Die Rücküberstellung soll innerhalb dieser zwei Wochen erfolgen. Außerdem gilt in den Dublin-Zentren eine Residenzpflicht, was bedeutet, dass die Bewegungsfreiheit der Geflüchteten außerhalb der Einrichtung stark eingegrenzt wäre. „Durch die zentralisierte Unterbringung kann die Anwesenheit der Personen besser nachgehalten werden und Prozesse, wie die Zustellung von Bescheiden, vereinfacht werden. Nach Abschluss des Verfahrens erfolgt eine Überstellung direkt aus dem Dublin-Zentrum.“ schreibt das Bundesinnenministerium auf seiner Website. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl kritisiert, dass Dublin-Zentren nicht die Probleme der Bundesregierung lösen, aber drastisch die Lage der Menschen verschlechtern würden. Auch für die Identifizierung Betroffener von Menschenhandel stellen die Einrichtung der Zentren und die knappen Fristen ein großes Problem dar. Potenziell Betroffene können unter diesen Umständen kaum identifiziert werden und ihnen bleibt der Zugang zu Schutz und Beratung verwehrt.

 

Zwangsheirat als Form des Menschenhandels

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 08. März betonte La Strada International (LSI) in einem Statement die Notwendigkeit, Zwangsheirat als Verbrechen und als Form des Menschenhandels mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Zwangsheirat als Ehe ohne Zustimmung ist eine Form von Gewalt, bringt Grundrechtsverletzungen mit sich und kann unter bestimmten Bedingungen als Menschenhandel gelten. Jüngste EU-Gesetzgebungen wie die reformierte EU-Richtlinie Menschenhandel oder die EU-Gewaltschutzrichtlinie seien wichtige Schritte, da sie darauf abzielen, Zwangsheirat und Menschenhandel wirksam zu verhindern und zu bekämpfen. Nun kommt es darauf an, dass die Richtlinien von den Mitgliedstaaten vollumfänglich umgesetzt werden. LSI fordert zudem Schulungen und Sensibilisierung für Akteure, die mit Fällen von Zwangsheirat und Menschenhandel in Berührung kommen könnten, und Unterstützung für Betroffene.

                  

EU-Kommission berichtet über Bekämpfung des Menschenhandels

Die EU-Kommission hat Ende Januar ihren Fünften Bericht zur Bekämpfung des Menschenhandels veröffentlicht, der einen Anstieg der registrierten Opfer um 41 % zwischen 2021 und 2022 aufzeigt: von 7.155 Betroffenen im Jahr 2021 auf 10.093 Betroffene im Jahr 2022. Da viele Betroffene unentdeckt bleiben, liegt die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher. Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung bleibt mit 49 % die häufigste Form, gefolgt von Arbeitsausbeutung mit 37 %. Kinder machten insgesamt 19 % aller Opfer aus und Drittstaatsangehörige stellten mit 54 % die Mehrheit der Betroffenen. Die Kommission plant, eine Plattform zur Bekämpfung des Menschenhandels einzurichten, um den Austausch bewährter Verfahren und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu fördern. Seit 2022 hat die EU ihre Maßnahmen gegen Menschenhandel intensiviert, unter anderem durch eine überarbeitete Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, die 2024 in Kraft trat. Diese stärkt die Ermittlungsinstrumente, den Betroffenenschutz, die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung im Internet und den Schutz von Kindern.

 

Zivilgesellschaftliche EU-Plattform gegen Menschenhandel wird neu aufgesetzt

Die EU-Kommission hat zivilgesellschaftliche Organisationen der Mitgliedstaaten aufgerufen, sich für eine Neuauflage der „EU-Plattform der Zivilgesellschaft gegen Menschenhandel“ zu bewerben. Nach mehr als 10 Jahren soll die Erneuerung der Plattform das dynamische Umfeld des Menschenhandels sowie die sich engagierende Zivilgesellschaft besser abbilden.

Die Plattform ermöglicht Austausch darüber, wie der Menschenhandel am besten durch zivilgesellschaftliche Maßnahmen in Kooperation mit staatlichen Akteuren adressiert werden kann. Thematisiert werden Sensibilisierungsmaßnahmen, frühzeitige Identifizierung der Betroffenen und ihre Unterstützung. Die Plattform dient auch als Forum für die Zivilgesellschaft, um auf EU-Ebene mit dem Büro der Anti-Menschenhandelsbeauftragten und den nationalen Berichterstatter*innen zu Menschenhandel in Dialog zu treten, bewährte Verfahren auszutauschen und die Zusammenarbeit zu erleichtern.

 

Deutscher Juristinnenbund – Stellungnahme zum Sexkaufverbot

In einer Stellungnahme vom 05. Februar plädiert der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) für einen pragmatischen rechtspolitischen Ansatz, bei dem die Auswirkungen von Regulierung auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen im Mittelpunkt stehen. Folglich brauche es in erster Linie staatliche Maßnahmen gegen ausbeuterische Bedingungen, wie etwa im Bereich der sozialen Sicherung und des Migrationsrechts.

Eine pauschale Kriminalisierung des Sexkaufs, sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen, lehnt der djb ab. Eine Kriminalisierung suggeriere eine einfache, kostengünstige Lösung für komplexe Problemlagen und versperre damit den Blick auf tatsächlich notwendige Maßnahmen, um die Situation von Sexarbeiter*innen zu verbessern. Weiterhin argumentiert der djb, dass bestehende Strafnormen Menschenhandel und Zwangsprostitution bereits bestrafen und ein Verbot zu einer weiteren Verdrängung der Prostitution in gefährlichere, weniger kontrollierbare Bereiche führen könnte.

 

#ProtectNotSurveil: Analyse der Europol-Reform und Kritik an digitalen Überwachungsbefugnissen gegen Migrant*innen

Die Organisation #ProtectNotSurveil setzt sich dafür ein, dass Gesetze und politische Maßnahmen Menschen vor den Gefahren schützen, die von KI-Systemen ausgehen. Im Februar 2025 hat sie eine Analyse zur Europol-Reform veröffentlicht, die Teil eines Gesetzespakets „zur Verhinderung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten und von Menschenhandel“ ist, das die Europäische Kommission im November 2023 vorschlug. Die Reform sieht eine starke Ausweitung der Befugnisse von Europol vor, insbesondere im Hinblick auf ihre digitalen Überwachungsmöglichkeiten. #ProtectNotSurveil fordert das Europäische Parlament auf, die vorgeschlagene Verordnung in ihrer Gesamtheit abzulehnen. Die EU-Institutionen werden aufgefordert, die auf Abschottung setzende Grenz- und Migrationspolitik der EU zu ändern.

 

djb-Stellungnahme zum Diskussionsentwurf für Gesetz gegen digitale Gewalt

Die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) begrüßt ausdrücklich die vom Bundesministerium der Justiz geplanten Neuerungen im Diskussionsentwurf für das Gesetz gegen digitale Gewalt und die Ankündigung, dass auch unter einer neuen Regierung daran festgehalten werden soll. Der djb betont die dringende Notwendigkeit, den Kampf gegen digitale Gewalt, die insbesondere Frauen trifft, entschlossen fortzuführen. Dabei wird hervorgehoben, dass es nicht nur um den Schutz Einzelner gehe, sondern auch um den Erhalt einer wehrhaften Demokratie und die Sicherung der Teilhabe am öffentlichen Diskurs, insbesondere, da digitale Gewalt eine klare Geschlechterdimension aufweist und antifeministische sowie LGBTQ*-feindliche Haltungen im Netz verstärkt würden.

Allerdings stellt der djb auch wesentliche Lücken und Unzulänglichkeiten im vorliegenden Entwurf fest. Unter anderem fordert der djb die Einrichtung flächendeckender Schwerpunktstaatsanwaltschaften, umfassende Beratungsangebote für Betroffene, die Ausweitung von Entschädigungsregelungen und verpflichtende Fortbildungen für Justiz und Polizei zur Sensibilisierung für die geschlechtsspezifische Dimension digitaler Gewalt. Des Weiteren wird die Notwendigkeit betont, Strafbarkeitslücken zu schließen und den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Messengerdienste und VPN-Dienste auszudehnen.

 

Neue Qualitätsempfehlungen für Frauenhäuser

Die Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) hat ihre Qualitätsempfehlungen für Frauenhäuser in Deutschland aktualisiert, um dem staatlichen Schutzauftrag und der Istanbul-Konvention gerecht zu werden und auf das kürzlich verabschiedete Gewalthilfegesetz zu reagieren. Diese Empfehlungen definieren Standards für Struktur, Prozesse und Ergebnisse der Arbeit von Frauenhäusern, die gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern Schutz und Unterstützung bieten. Im Bereich der Strukturqualität wird beispielsweise empfohlen, dass die Unterbringung im Frauenhaus für alle Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten bieten und jede Frau über ein eigenes Zimmer für sich und ihre Kinder verfügen sollte; idealerweise ist diesem Zimmer ein eigener Sanitärbereich angeschlossen (Appartementstruktur). Die Empfehlungen berücksichtigen aktuelle Herausforderungen wie steigende Gewaltzahlen, fehlende Barrierefreiheit und die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Finanzierung sowie die besondere Situation mitbetroffener Kinder. Ziel ist es, bundesweit vergleichbare und qualitativ hochwertige Hilfestrukturen zu schaffen und die Zusammenarbeit im Hilfesystem zu stärken. Erarbeitet wurden die Qualitätsempfehlungen in enger Zusammenarbeit mit Fachkräften aus Frauenhäusern und Wohlfahrtsverbänden.

 

Suse-Projekt: Gewaltschutz in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung

Im Rahmen des Projekts „Suse – Gewaltschutz in Einrichtungen: Gewaltfrei leben und arbeiten“ des Bundesverbandes Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) wurden die sogenannten „Suse-Standards“ für den Schutz von Frauen und Mädchen, die in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung leben, erarbeitet. Diese Gruppe ist besonders häufig von Gewalt betroffen und sieht sich immer wieder mit großen Hürden bei der Suche nach Hilfe, Schutz und Beratung konfrontiert. Seit 2021 sind diese Einrichtungen laut § 37a SGB IX verpflichtet, ihre Nutzerinnen, durch einrichtungsspezifische Gewaltschutzkonzepte wirksam zu schützen. Die fachlichen Standards des Suse-Projekts konkretisieren diese gesetzlichen Vorgaben durch die Entwicklung und Implementierung von Gewaltschutzkonzepten und können als Orientierungshilfe für die Einrichtungen dienen. Ziel ist es, Handlungssicherheit zu schaffen, Transparenz und Vertrauen zu fördern sowie Räume für Veränderung und Reflexion zu bieten.

 

DIMR Information zum europäischen Einreise-/Ausreisesystem

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat eine Information zur neuen Datenbank der Europäischen Union veröffentlicht, die künftig alle Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt in die EU einreisen, beim Übertritt einer Außengrenze erfassen soll. In seiner Publikation stellt das DIMR das sogenannte Einreise-/Ausreisesystem (EES) vor, ordnet die Funktionen und Aufgaben der Datenbank ein und informiert über die wichtigsten grund- und menschenrechtlichen Bedenken. So kritisieren Menschenrechtsorganisationen und Wissenschaftler*innen, dass datenschutzrechtliche Bedenken und die Gefahr von Diskriminierung bestehen, da die Erhebung und Speicherung von Daten potenziell die Privatsphäre und Rechte der Betroffenen verletzen könnte. Eine zusammenfassende Meldung findet sich hier.

RUBRIK WISSEN – UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG UND ARBEITSAUSBEUTUNG

Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit stellen gravierende Menschenrechtsverletzungen dar und werden durch komplexe globale Lieferketten teilweise schwer nachvollziehbar. Oft sind diese Arten von Menschenhandel zumindest mittelbar mit europäischen Unternehmen verknüpft. Als Reaktion hierauf wurde in den letzten Jahren verstärkt eine Gesetzgebung zur Verantwortung von Unternehmen in ihren Lieferketten angestrebt. Besonders zwei aktuelle europäische Initiativen sind dabei hervorzuheben: das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit (Forced Labour Ban) sowie die Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD).

EU Forced Labour Ban

Die EU hat Ende 2024 eine Verordnung verabschiedet, welche Produkte, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, verbietet. Sie tritt am 14. Dezember 2027 in Kraft. Dieser sogenannte Forced Labour Ban soll verhindern, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in den Verkehr gebracht oder ausgeführt werden. Die Verordnung sieht die Einrichtung eines Unionsnetzwerks zur grenzüberschreitenden Koordination zwischen den Mitgliedstaaten zur effektiven Umsetzung des Verbotes vor. Außerdem sollen durch umfassende Kontrollmechanismen, unter anderem durch verstärkte Unternehmenssorgfaltspflichten sowie Marktaufsichtsbehörden, potenziell betroffene Produkte identifiziert und aus dem Verkehr gezogen werden. Problematisch ist allerdings an der Regulatorik, dass ausschließlich Güter, nicht jedoch Dienstleistungen umfasst sind und mithin nicht alle Formen der Zwangsarbeit berücksichtigt werden. Außerdem liegt im Falle der Einleitung von Untersuchungen die Beweislast bei den zuständigen Behörden, welche zur Feststellung der Produktionsbedingungen einen hohen Beweisaufwand betreiben müssen.

CSDDD auf EU-Ebene

Parallel dazu soll die CSDDD Unternehmen stärker dazu verpflichten, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihrer gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte ist die Verabschiedung der CSDDD im Vergleich zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) insbesondere deshalb zu begrüßen, da sie den Unternehmen ein stärker risikobasiert ausgerichtetes Vorgehen ermögliche und damit den bürokratischen Aufwand reduziere. Dies fördert neben der Möglichkeit, dass Unternehmen ihre Kapazitäten auf wirksame Vermeidung gravierendster Menschenrechtsverletzungen konzentrieren auch die effektive Prävention und Abhilfe durch verschlankte Dokumentationspflichten. Ähnlich dem 2021 beschlossenen LkSG auf nationaler Ebene müssen Unternehmen auch auf Basis europäischen Rechts künftig detaillierte Risikoanalysen der Geschäftspartner*innen und Lieferant*innen innerhalb der Lieferkette durchführen und effektive Maßnahmen zur Vermeidung von Sorgfaltspflichtverletzungen implementieren. Generell ist im Kontext von Menschenrechtsverletzungen dabei eine wesentliche Herausforderung die Frage der Mittelbarkeit: Wann und in welchem Umfang tragen Unternehmen Verantwortung für indirekte Menschenrechtsverletzungen, z.B. durch systemische Ausbeutung und Menschenhandel? Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten können einen Kreislauf der Vulnerabilität auslösen, in dem ohnehin marginalisierte Gruppen noch anfälliger für Ausbeutung werden. Fehlender Zugang zu sozialer Absicherung, niedrige Löhne und unsichere Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Arbeitnehmende gezwungen sind, riskante und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse einzugehen. Zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören Migrant*innen, informell Beschäftigte sowie Frauen und Kinder, die oft keine rechtlichen Schutzmechanismen in Anspruch nehmen können. Damit steht es in der Verantwortung der Unternehmen, rechtzeitig angemessene Löhne auszubezahlen, Gewerkschaftsgründungen nicht zu behindern und einen transparenten Arbeitsschutz zu gewährleisten. Die mittelbare Verantwortung von Unternehmen ergibt sich somit nicht nur aus direkten Verstößen in der Lieferkette, sondern auch aus unterlassenen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer eigenen Beschäftigten sowie der Beschäftigten entlang der Lieferkette entsprechend dem Anhang zur CSDDD. Dieser nennt im Rahmen der CSDDD relevante Menschenrechtsverletzungen auf Basis internationaler Vereinbarungen, u.a. im Arbeitskontext.

Reform der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels

Ein weiterer relevanter Aspekt ist die aktuelle Reform der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere die Neufassung des Artikel 6, welcher explizit die Verhängung von Unternehmenssanktionen vorsieht. Die neue Regelung könnte Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen und verpflichten, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitsausbeutung entlang ihrer Lieferketten zu verhindern. Mögliche im Artikel genannte Sanktionen umfassen u.a. den Ausschluss von Finanzierungen und Lizenzen, die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen oder die richterlich angeordnete Auflösung. Auch wenn die Reform als solche zu begrüßen ist, fehlt es insbesondere an der versprochenen umfassenden, menschenrechtsbasierten und bedarfsgerechten Stärkung der Rechte Betroffener. So fehlen u.a. sichere und vertrauliche Meldewege zur Anzeige von Menschenhandel, eine klarere Verknüpfung mit und Anpassung an benachbarte Initiativen sowie eine dringend notwendige Rechtssicherheit durch Schließung bekannter Wissens- und Anwendungslücken.

Nationale Entwicklungen: Alliance 8.7 und Nationaler Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung

Im Rahmen der Initiative „Alliance 8.7“ engagiert sich Deutschland als sogenannter Pathfinder. Die Initiative vereint Stakeholder, die sich seit 2017 vorgenommen haben, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit zu bekämpfen. Während Deutschland international für seine Vorreiterrolle gelobt wird, sind die konkreten nationalen Maßnahmen bislang jedoch eher begrenzt. Die Bundesregierung hat im Februar 2025 einen Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung (NAP AZ) veröffentlicht. Der NAP AZ sieht überwiegend unkonkrete Maßnahmen ohne Überwachungsstrategie in Bezug auf ihre Effektivität im Rahmen von „Handlungsfeld IV: Unternehmensverantwortung“ vor. Ohne rechtlich bindende Verpflichtungen besteht jedoch die Gefahr, dass es sich in der Praxis lediglich um symbolische Akte handelt, deren Umsetzung vernachlässigt wird. Damit werden die angedachten Maßnahmen dem globalen Ausmaß von Menschenhandel und Zwangsarbeit sowie dem Pathfinder-Status Deutschlands nicht gerecht. Es bedarf neben den Schulungsangeboten auch einer Ausweitung der verpflichtenden Maßnahmen, darunter strengere Kontrollen und Sanktionen für Unternehmen.

Fazit: Viel Bewegung, aber auch viel Luft nach oben

Während die aktuellen regulatorischen Entwicklungen wichtige Fortschritte in Richtung einer verantwortungsvolleren Unternehmensführung markieren, bleibt die Umsetzung oft hinter den Erwartungen zurück. Der bürokratische Mehraufwand steht mitunter nicht im Verhältnis zu den inhaltlich gewonnenen Erkenntnissen und die Prozesse zur Abhilfe sind oft langwierig und wenig konkret. Unternehmen müssen daher proaktiv menschenrechtliche Risiken adressieren – nicht nur aus ethischer Verpflichtung, sondern auch zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen. Auch aus der Politik muss es dazu ausreichend Anreize geben: Deutschland sollte vor allem seiner Vorreiterrolle als Pathfinder gerecht werden und über symbolische Maßnahmen hinausgehende Strategien entwickeln, um Arbeitsausbeutung im Unternehmenskontext wirksam zu bekämpfen. Dies könnte durch eine Verstärkung der Kontrollmechanismen und härtere Sanktionen gegen Unternehmen, die ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten missachten, geschehen.

Jetzt ganz einfach für den KOK spenden:

  • per Überweisung auf unser Spendenkonto: Evangelische Bank eG, IBAN: DE43 5206 0410 0003 9110 47, BIC: GENODEF1EK1
  • mit jedem Einkauf automatisch spenden über wecanhelp.de
  • über das Spendenformular auf unserer Webseite
  • Unser Projekt „Flucht und Menschenhandel“ fördern und auf betterplace.com bequem per Onlineformular spenden

VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Empfehlungen zur Bundestagswahl und für die Koalitionsverhandlungen

Die KOK-Forderungen zur Bundestagswahl 2025 stellen die Rechte und den Schutz Betroffener von Menschenhandel in den Mittelpunkt und weisen auf die Pflicht zur Einhaltung internationaler Abkommen, wie der Istanbul-Konvention und des Palermo-Protokolls, hin.

In einer Übersicht stellt der KOK die Wahlprogramme seinen zentralen Forderungen gegenüber.  Anhand des Vergleichs wird deutlich, inwieweit die Parteien sich ihren Programmen zufolge in der kommenden Legislaturperiode für eine wirksame Prävention, den Schutz und die Unterstützung von Betroffenen von Menschenhandel sowie die konsequente Strafverfolgung von Täter*innen einsetzen wollen.

Zum Start der Koalitionsverhandlungen schickte der KOK ein Übersichtspapier mit den wichtigsten Empfehlungen für die Koalitionsverhandlungen an die Verhandelnden, um die Bekämpfung des Menschenhandels und vor allem den Schutz Betroffener auf die Agenda zu setzen. Zur Einschätzung des am 09.04. vorgestellten Koalitionsvertrages siehe Neuigkeiten in diesem Newsletter und KOK-Website.

 

KOK-Jahresrückblick 2024

Der im Dezember 2024 veröffentlichte Jahresbericht des KOK gibt einen kompakten Überblick über wesentlicheAktivitäten und Publikationen des KOK zu den Themen Menschenhandel und Ausbeutung. Zudem werden wichtige politische Ereignisse mit Bezug zu Menschenhandel sowie Veranstaltungen und weitere Informationen gebündelt dargestellt. 

KOK-VERANSTALTUNGEN

Erste Mitgliederversammlung 2025

Am 27. und 28. März fand in Berlin die erste Mitgliederversammlung des KOK für das Jahr 2025 statt. Die Teilnehmer*innen tauschten in diesem Rahmen aktuelle Erfahrungen und Entwicklungen aus der Praxis aus und diskutierten mögliche Strategien und Maßnahmen, sodass die zwei Tage von einem intensiven und wertvollen Diskurs geprägt waren. Außerdem führten zwei Mitarbeiter*innen der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Deutschen Instituts für Menschenrechte einen Workshop zu einer geplanten explorativen Studie zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Menschenhandel und zur Unterstützung der Betroffenen mit den Teilnehmer*innen durch.

VERANSTALTUNGEN

2. Katholische Fachtagung gegen Menschenhandel

Am 10. und 11. Februar fand die 2. Katholische Fachtagung gegen Menschenhandel der bei der Deutschen Bischofskonferenz angesiedelten Arbeitsgruppe Menschenhandel und der Katholischen Akademie in Berlin statt. Ein Leitmotiv der diesjährigen Veranstaltung waren der Schutz der Betroffenen und die Durchsetzung ihrer Rechte. Auf der Tagung wurde u.a. der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel vorgestellt und es wurden die Zusammenhänge zwischen restriktiver Migrationspolitik und Menschenhandel beleuchtet. Der KOK war auf einer Podiumsdiskussion durch seine Geschäftsführerin vertreten und informierte dort über die geänderte EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und deren Implikationen für die Umsetzung in Deutschland. In einem Workshop stellte die Rechtsreferentin des KOK zudem das neue soziale Entschädigungsrecht SGB XIV vor.

 

Veranstaltung zu Menschenhandel und Sozialleistungsbetrug

Am 13. März fand im schwedischen Parlament in Stockholm ein Seminar zur Vorstellung und Diskussion der Studie „Human Trafficking for Benefit Fraud and Related Financial Fraud: Securing a Steady Revenue Stream“ statt. Menschenhandel und Sozialleistungsbetrug seien im Ostseeraum in zunehmendem Maße miteinander verknüpft, dennoch gebe es nach wie vor erhebliche Lücken in der evidenzbasierten Forschung, der rechtlichen Klarheit und dem allgemeinen Wissen zu diesen Verknüpfungen. Aus diesem Grund wurde in der Studie, durchgeführt von Märta Johansson von der Universität Örebro, der Leistungsbetrug im Zusammenhang mit dem Menschenhandel rechtlich konzeptualisiert und der Zusammenhang zwischen Leistungsbetrug, größerem Finanzbetrug und Menschenhandel untersucht. Die Studie geht auch der Frage nach, ob die Opfer solcher Machenschaften nach dem internationalen Rechtsrahmen als Betroffene des Menschenhandels angesehen werden können. Sie ist Teil des Projekts FRAUD – Tackling Financial and Benefit Fraud in the Baltic Sea Region, das vom Ostseerat gemeinsam mit u.a. dem Innenministerium Lettlands, der schwedischen Sozialversicherungsbehörde und der estnischen Tartu Universität von November 2023 bis Januar 2025 durchgeführt wurde.

 

Konferenz zu technologiegestützem Menschenhandel an der Universität Malta

Im Rahmen des EU-geförderten Projekts DISRUPT fand am 18. März an der Universität Malta die Konferenz „ Breaking the Chain: Using Digital Evidence to Tackle Trafficking” statt.   

Dabei diskutierten zahlreiche Expert*innen zu Themen wie neue Technologien und ihre Anwendung im Kampf gegen den Menschenhandel, Herausforderungen bei der Sammlung und Analyse digitaler Beweise oder zu Strategien für eine effektive Strafverfolgung unter Verwendung digitaler Beweismittel. Adina Schwartz (KOK-Vorstand/Leiterin von JADWIGA München) stellte die Entwicklungen in Deutschland und die Aktivitäten und Projekte des KOK im Bereich technologiegestützter Menschenhandel vor.            

Das DISRUPT-Projekt beschäftigt sich mit der Bekämpfung des technologiegestützten Menschenhandels, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Verwendung digitaler Beweismittel bei der Bekämpfung des Kinderhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung liegt.

 

Konferenz der Alliance against Trafficking in Persons

Die 25. Konferenz der bei der OSZE angesiedelten „Alliance against Trafficking in Persons“ fand vom 31. März bis 01. April in Wien statt. Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz war „Protecting Childhoods, Shaping Futures: A Call to End Child Trafficking“. Zahlreiche Expert*innen aus internationalen Organisationen, Behörden und Zivilgesellschaft (darunter auch Andrea Hitzke, KOK-Vorstand/Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission) tauschten sich u.a. über aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Menschenhandel zum Nachteil Minderjähriger, über Möglichkeiten zum Erkennen und Verhindern von Risikofaktoren und über gesellschaftliche Möglichkeiten zur Bekämpfung von Menschenhandel mit Minderjährigen aus. Zudem wurden zahlreiche Themen, wie bspw. Mobilisierung des Privatsektors und innovative Instrumente zur Bekämpfung des Kinderhandels oder die Verhinderung von Menschenhandel und Online-Ausbeutung unter vertriebenen Kindern in der Ukraine, diskutiert.

 

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

Gewalthilfegesetz beschlossen

Der Bundestag hat am 31. Januar den Entwurf für das Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt beschlossen, welches erstmals bundesweit einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz, Beratung und Unterstützung von betroffenen Frauen und ihren Kinder gewährleisten soll.

Das Gesetz zielt darauf ab, den Gewalttaten an Frauen verstärkt vorzubeugen sowie Betroffene bei der Inanspruchnahme von Hilfe und der Bewältigung der Folgen zu begleiten und umfassend zu unterstützen. Es stellt somit einen entscheidenden Schritt in dem Kampf gegen die Gewalt an Frauen dar und konkretisiert die staatlichen Schutzpflichten aus dem Grundgesetz sowie der Istanbul-Konvention.

Wichtigste Maßnahmen des Gewalthilfegesetzes:

  • Schaffung von ausreichenden, bedarfsgerechten und kostenfreien Schutz-, Beratungs- sowie Unterstützungsangeboten für Betroffene
  • Präventionsmaßnahmen inkl. Täterarbeit
  • Unterstützung der strukturierten Vernetzungsarbeit innerhalb der Hilfesysteme
  • Finanzielle Beteiligung des Bundes mit 2,6 Mrd. EUR bis 2036

Der KOK begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes als wichtigen Fortschritt, der der langjährigen Forderung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen nach einem Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt entspricht. Zu kritisieren ist jedoch der Ausschluss von trans*, inter* und nicht-binären Personen, welche ebenso von Gewalt betroffen und schutzwürdig sind. Zudem bezieht sich das Gesetz auf Betroffene von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, so könnten bspw. von Arbeitsausbeutung betroffene Frauen eventuell nicht vom Rechtsanspruch profitieren.

Das Gewalthilfegesetz soll voraussichtlich am 01.01.2032 in Kraft treten. Bis dahin wird den Ländern Zeit gewährt, um die notwendigen Strukturen für das Hilfesystem zu schaffen und auszubauen.

 

Bleibeperspektiven für Geflüchtete aus der Ukraine ohne ukrainische Staatsangehörigkeit

Während ukrainische Geflüchtete eine Verlängerung des Schutzstatus nach § 24 AufenthG bis zum 04. März 2026 erhalten haben, gilt dies nicht für Geflüchtete ohne ukrainische Staatsangehörigkeit, die in der Ukraine nur einen befristeten Aufenthaltstitel hatten. Diese verlieren in vielen Fällen diesen Schutz ab dem 05. März 2025, selbst wenn sie zuvor schon im Besitz der Aufenthaltserlaubnis waren. Die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA) hat nun eine Arbeitshilfe veröffentlicht, in der alternative Möglichkeiten dargestellt werden, die den Betroffenen dennoch eine Bleibeperspektive in Deutschland schaffen können. So erläutert die Arbeitshilfe zum Beispiel die Optionen Aufenthaltstitel für Ausbildung, Studium, Arbeit oder humanitäre Gründe, sowie rechtliche Grundladen, Voraussetzungen für neue Aufenthaltstitel und Handlungsmöglichkeiten wie Anträge auf Härtefallregelungen oder Abschiebungsverbote. Außerdem werden die aktuell geltenden Regelungen grundsätzlich erläutert.

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

UNDOC Bericht zu Menschenhandel weltweit

Das Büro der Vereinten Nationen zur Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) veröffentlich jährlich einen Bericht zu Menschenhandel weltweit. Dem aktuellen, im Dezember 2024 veröffentlichten Bericht zufolge wurden weltweit insgesamt 75.000 Fälle von Menschenhandel erfasst. Damit stieg die Zahl der identifizierten Betroffenen zwischen 2019 und 2022 um 25 %.

Wichtigste Erkenntnisse aus dem UNODC-Bericht:

  • Im Zeitraum 2020 bis 2023 wurden insgesamt 202.478 Betroffene identifiziert.
  • Davon waren 38 % Minderjährige und 62 % Erwachsene.
  • 42 % der identifizierten Personen waren von Arbeitsausbeutung betroffen, 36 % von sexueller Ausbeutung, 8 % von der Ausbeutung krimineller Handlungen und weitere 8 % von verschiedenen Ausbeutungsformen, u.a. Betteln und Zwangsheirat.
  • Es gab einen besorgniserregenden Anstieg bei Menschenhandel zulasten minderjähriger Personen: Im Vergleich zu 2019 gab es unter den minderjährigen Betroffenen einen Anstieg um 31 %, unter den weiblichen Betroffenen einen Anstieg um 38 %.
  • Die Fälle von Arbeitsausbeutung haben im gleichen Zeitraum um 47 % zugenommen.
  • Demgegenüber steht, dass die meisten Verurteilungen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung erfolgen: 72 % der Verurteilungen betreffen sexuelle Ausbeutung, 17 % hingegen Arbeitsausbeutung.
  • Frauen und Mädchen machen weiterhin die Mehrheit der weltweit entdeckten Betroffenen aus: 61 % im Jahr 2022. Die Mehrheit der festgestellten weiblichen Betroffenen (60 %) wird sexuell ausgebeutet.

Angesichts anhaltender Konflikte und klimabedingter Katastrophen bestehe die Gefahr eines weiteren Anstiegs des Menschenhandels, heißt es in dem Bericht.        

In einem Schwerpunktkapitel befasst sich der Bericht mit Menschenhandel innerhalb des afrikanischen Kontinents sowie Menschenhandel aus Ländern in Afrika in andere Weltregionen. Dazu wurden Daten aus allen Regionen Afrikas gesammelt, unter anderem mit Hilfe von UNODC-Außenstellen und gemeinsamen Initiativen mit Akteuren wie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) oder dem Institut für Statistik der Afrikanischen Union (STATAFRIC).

 

MIDEM-Studie: Ukrainische Frauen am Arbeitsmarkt – Ein Vergleich zwischen Deutschland, Italien und Polen

Die Studie „From Displacement to Employment. Comparing the Labor Market Integration of Ukrainian Women in Poland, Italy, and Germany“ des Forschungszentrums Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) vergleicht die Arbeitsmarktintegration ukrainischer Frauen in Polen, Italien und Deutschland. Demnach setzen Polen und Italien auf schnelle Integration, wohingegen Deutschland eher langfristige Perspektiven fördert. Die Arbeitsmarktintegration wird jedoch überall durch drei Faktoren erschwert: den temporären Schutzstatus, die Erreichung der Anerkennung von Berufsabschlüssen sowie die (mangelnde) Vereinbarkeit von Beschäftigung und familiären Betreuungspflichten. Das Papier empfiehlt, nachhaltige EU-weite Lösungen zu entwickeln, um die Unsicherheit des vorübergehenden Schutzes zu beseitigen. Zudem soll die Ausbeutung auf informellen Arbeitsmärkten bekämpft und Hindernisse bei der Anerkennung von Qualifikationen abgebaut werden. Zuletzt betont das Papier, dass geschlechtersensible Maßnahmen, wie der Ausbau zugänglicher Kinderbetreuungsangebote, Vorrang haben sollten, um die Integration nachhaltig zu fördern.

 

UNODC-Studie: Menschenhandel im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine

Am 19. Februar hat das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) eine Studie über Menschenhandel und Schleusung von Migrant*innen infolge des Kriegs gegen die Ukraine veröffentlicht. Die Studie betrachtet die Jahre 2022 bis 2024 und kommt zu dem Ergebnis, dass zur Zeit der Publikation kein Zusammenhang zwischen durch den Krieg gegen die Ukraine ausgelösten Fluchtbewegungen und Menschenhandel bestehe. Die Flüchtlingshilfe in Europa, u.a. die visafreie Einreise für Geflüchtete aus der Ukraine, gezielte Informationskampagnen oder verstärkte Anstrengungen zur Identifizierung von Betroffenen, hätten die Schleusung von Migrant*innen weitgehend verhindert. Diese Maßnahmen bedeuteten ein erhebliches Potenzial für die Übertragung auf andere Flucht- und Migrationsbewegungen in Europa und anderswo. Dennoch machten die prekären Beschäftigungs- und Unterbringungssituationen in den Aufnahmeländern Geflüchtete aus der Ukraine anfällig für den Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung. Die Tätigkeit geflüchteter ukrainischer Frauen in Prostitution und Sexarbeit in den Aufnahmeländern sei ebenfalls ein Hinweis auf Anfälligkeit für sexuelle Ausbeutung, auch online.

 

Diskriminierung von Migrant*innen im Recht auf angemessenes Wohnen

Der Bericht des UN Sonderberichterstatters für das Recht auf angemessenes Wohnen, Balakrishnan Rajagopal, betrachtet die Herausforderungen, mit denen Migrant*innen, einschließlich Geflüchtete, Asylsuchende und Betroffene von Menschenhandel, bei der Ausübung ihres Rechts auf angemessenen Wohnraum konfrontiert sind. Das Recht auf angemessenes Wohnen gilt für alle Menschen. In vielen Ländern sind es nach der öffentlichen Meinung Migrant*innen, die die globale Wohnungskrise verschärften. Rajagopal entkräftet diese Behauptung und betont stattdessen, dass Migrant*innen oft selbst Opfer dieser Krise seien. Häufig fehle es an Unterstützung für migrantische Wohnungssuchende, außerdem sei der Übergang von temporären zu langfristigen Wohnlösungen eine Herausforderung. Auf dem privaten Wohnungsmarkt seien Migrant*innen konfrontiert mit rassistischen und diskriminierenden Denkmustern, die sie an den Rand der Gesellschaft drängten und ihnen den Zugang zu Wohnraum erschwerten, wenn nicht verunmöglichten. Der Bericht fordert eine globale politische Antwort sowie inklusive Wohnungsstrategien, um Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum zu beenden.

 

Menschenhandel und Arbeitsausbeutung unter Personen aus der Ukraine

Der im Februar von La Strada international veröffentlichte Bericht „Assisting Displaced Persons from Ukraine: Indications of Human Trafficking and Labour Exploitation" analysiert Fälle von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung unter Vertriebenen aus der Ukraine. Die Studie basiert auf einer Umfrage und Interviews mit Mitgliedsorganisationen sowie der detaillierten Analyse von 42 Fällen. Die Ergebnisse zeigen, dass Arbeitsausbeutung die häufigste Form der Ausbeutung war, gefolgt von sexueller Ausbeutung und Ausbeutung krimineller Handlungen. Baugewerbe, Hausarbeit und Landwirtschaft wurden als besonders risikoreiche Sektoren identifiziert. Die Mehrheit der von den Mitgliedsorganisationen unterstützten Personen war männlich, obwohl die meisten Geflüchteten aus der Ukraine Frauen seien. Der Bericht hebt hervor, dass der Zugang zu temporärem Schutz die Betroffenen nicht vollständig vor Ausbeutung schütze, da viele informell arbeiteten. Online-Plattformen, über die Arbeitsangebote veröffentlicht werden, spielen eine entscheidende Rolle bei der Rekrutierung und Ausbeutung. Im Bericht werden die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern dargestellt und das Fehlen von Strafgesetzen für bestimmte Formen der Arbeitsausbeutung betont. Schließlich werden Empfehlungen an die Staaten gegeben, um den Schutz und die Unterstützung von Geflüchteten zu verbessern und Ausbeutung zu verhindern:

 

Jahresbericht Menschenrechte und Demokratie weltweit

Über das Europäische Parlament wurde der Bericht zu Menschenrechten und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich veröffentlicht. Der Bericht konstatiert eine Zunahme von Autoritarismus, Totalitarismus und Populismus, die die regelbasierte Weltordnung und die Menschenrechte bedrohen. Er betont die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte und bekräftigt die Verpflichtung der EU, Demokratie und Menschenrechte weltweit zu fördern und zu schützen. Untersucht werden die dafür zur Verfügung stehenden Instrumente der EU, darunter der EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie, die Rolle des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, die Entwicklungs- und internationale Zusammenarbeit. Betrachtet werden verschiedene Menschenrechtsbereiche, darunter auch die Rechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter, die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden und Menschenrechte im Zusammenhang mit Wirtschaft. Der Bericht äußert Sorge über die weltweite Zunahme an Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen und steigenden Fällen von Frauen- und Mädchenhandel.

 

Schattenbericht 2025: Armut in Deutschland

Die Nationale Armutskonferenz beleuchtet in ihrem Schattenbericht umfassend die Situation von Armut in Deutschland. Der Bericht enthält Daten und Fakten zu verschiedenen Aspekten von Armut, wie beispielsweise Kinder- und Altersarmut, zu Gesundheit, Wohnen und sozialer Ausgrenzung. So stellt der Bericht beispielsweise fest, dass im Jahr 2022 17,7 Millionen Menschen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren. Dies entspricht mehr als einem Fünftel der Bevölkerung und umfasst neben einkommensarmen Personen auch diejenigen, die beispielsweise übermäßig verschuldet sind oder sich keine regelmäßigen, gehaltvollen Mahlzeiten leisten können. Die Statistiken im Bericht zeigen, dass soziale Benachteiligung, Armut und soziale Ausgrenzung in hohem Maße geschlechtsspezifisch bestimmt sind. Zudem haben Menschen, die von anderen rassistisch markiert werden, ebenfalls ein deutlich höheres Armutsrisiko. Schlussendlich werden Forderungen und Vorschläge zur Armutsbekämpfung an Politik und Gesellschaft formuliert. Der Schattenbericht dient damit als wichtige Grundlage, für ein Verständnis der vielfältigen Dimensionen von Armut in Deutschland und für die Entwicklung gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituationen Betroffener.

 

DIMR veröffentlicht Kurzpublikation zum Verschwindenlassen von Migrant*innen

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat eine Kurzpublikation zum Verschwindenlassen von Menschen im Kontext von Migration veröffentlicht. Darin wird ein hohes Risiko für Migrant*innen, auf ihrem Weg zum Zielland Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen zu werden, festgestellt und beschrieben, wie Staaten Menschen davor schützen können. Im Kontext restriktiver Grenzkontrollmaßnahmen seien es Praktiken wie Freiheitsentziehung, Push-backs und Kettenabschiebungen, systematische Unterlassung von Such- und Rettungsaktionen und die Kollusion zwischen staatlichen Stellen und organisierten kriminellen Gruppen, die zu der Problematik beitragen.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGSDATENBANK

SG Karlsruhe hebt im Eilverfahren Leistungsausschluss in „Dublin-III-Fall“ auf

In einer Eilentscheidung vom 19. Februar 2025 zum Leistungsausschluss in sog. Dublin-Fällen erklärt das Sozialgericht Karlsruhe den im Oktober 2024 eingeführten Leistungsausschluss in diesen Fällen für voraussichtlich verfassungs- und europarechtswidrig. In der Entscheidung ging es um eine über Kroatien eingereiste Asylbewerberin. Ihr waren sämtliche Leistungen abgesprochen und auch der Zugang zu ihrer Unterkunft verwehrt worden. Auf Ihren Antrag auf einstweilige Anordnung verpflichtet das Gericht das Sozialamt zur vorläufigen Zahlung von Leistungen.

Das Vorenthalten einer materiellen Existenzgrundlage beruhe vorliegend auf migrationspolitischen Erwägungen, welche bereits eine bloße Leistungsabsenkung nicht zu rechtfertigen vermögen, und verletzte daher voraussichtlich das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, so das Gericht.

PDF aktueller Newsletter >>

Ältere Newsletter finden Sie im Archiv >>

Gefördert vom
Logo BMFSFJ
KOK ist Mitglied bei

Kontakt

KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Lützowstr.102-104
Hof 1, Aufgang A
10785 Berlin

Tel.: 030 / 263 911 76
E-Mail: info@kok-buero.de

KOK auf bluesky