Symposium "10 Jahre Europaratskonvention gegen Menschenhandel - Stillstand oder Fortschritt?" 15.-16.10.2015

  • KOK Symposium 15.-16.10.2015

  • Podium I: Klara Skrivankova (Anti Slavery), Evelyn Probst (Lefö/IBF), Mechtild Maurer (ECPAT), Ulrike Gatzke (Moderation)

  • Podium I: Mechtild Maurer (ECPAT), Ulrike Gatzke (Moderation)

  • Podium I

  • Christine Morgenstern, Leiterin der Abteilung 4 Gleichstellung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

  • Ruth Pojman, Stellvertretende Sonderbeauftragte und Koordinatorin der OSZE zur Bekämpfung des Menschenhandels

  • Maria Grazia Giammarinaro, UN-Sonderberichterstatterin zu Menschenhandel

  • Martina Renner (LINKE), Eva Högl (SPD), Petra Follmar-Otto (DIMR), Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Helmut Sax (GRETA-Kommission)

  • Helmut Sax (GRETA-Kommission), Naile Taniş (KOK), Ulrike Gatzke (Moderation)

  • Prof. Dr. Joachim Renzikowski (Universität Halle-Wittenberg)

  • Wolfgang Herrmann (Katholische Betriebsseelsorge Rottenburg-Stuttgart), Andrea Hitzke (Vorstand KOK/Dortmunder Mitternachtsmission)

Symposium "10 Jahre Europaratskonvention gegen Menschenhandel - Stillstand oder Fortschritt?" 15.-16.10.2015

Am 15. und 16. Oktober fand in den Räumen der Bremer Landesvertretung in Berlin das vom KOK organisierte Fachsymposium  „10 Jahre Europaratskonvention gegen Menschenhandel – Stillstand oder Fortschritt?“ statt. Verschiedene Referent*innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Praxis, Strafverfolgungsbehörden, Bundes- und Länderministerien und internationalen Organisationen gaben dabei Einblick in aktuelle Entwicklungen allgemein und zur Frage „Wie effektiv sind die Maßnahmen für die Betroffenen in Deutschland?“ im Speziellen.

Zentral wurde dabei das Thema beleuchtet wie weit Deutschland in der Umsetzung von internationalen Rechtsrahmen, vor allem der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel (2011/36) und der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels vorangeschritten ist und in welchen Bereichen weitere Entwicklungen angetrieben werden müssen. Insbesondere die Frage, wie mit
weiteren Ausbeutungsformen wie erzwungener Bettelei oder der Ausnutzung strafbarer Handlungen und mit deren Betroffenen zukünftig umgegangen werden soll, wurde diskutiert. Es wurde beleuchtet, welche Erfahrungen und Empfehlungen es aus anderen europäischen Ländern gibt, welche bereits die EU-Richtlinie umgesetzt haben. Ferner, welche Erfahrungen es in den Bundesländern in Deutschland bezüglich der strukturellen Weiterentwicklung des Themas Menschenhandels bereits gibt und welche Anregungen aus diesen Erfahrungen aufgenommen werden können für den weiteren Umgang mit dem Thema Unterstützung Betroffener aller Formen des Menschenhandels und der Ausbeutung. Im Weiteren wurde der weitere Ausbau der Strukturen in Deutschland, die Fortentwicklung der jeweiligen Kooperationen zwischen den Fachakteuren und einer fachlich angezeigten Implementierung in die Gesetze besprochen.

Die anwesenden Expert*innen aus In- und Ausland hatten dabei die Möglichkeit in drei ausführlichen Podiumsveranstaltungen verschiedene Aspekte dieser Thematik zu diskutieren. Mit Beiträgen aus der Praxis in Deutschland, Erfahrungsberichten aus den Ländern Österreich und Großbritannien sowie Einblicken in die Empfehlungen zum Handlungsbedarf in Deutschland, wurden diese Diskussionen mit wertvollen Inhalten unterfüttert. Ein mit Politikerinnen und einem Vertreter der GRETA-Kommission besetztes Podium diskutierte konkret, welche Maßnahmen in Deutschland politisch bereits umgesetzt wurden und wo noch Handlungsbedarf besteht. Mit den Hauptvorträgen der Vertreterinnen der Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wurde die Thematik in globale Zusammenhänge eingeordnet.

Die Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Morgenstern, wies in ihrem Schlusswort darauf hin, dass das Phänomen Menschenhandel in einem breiten Kontext betrachtet werden müsse, um umfassende effektive Maßnahmen zur Bekämpfung und zur Unterstützung der Betroffenen umsetzen zu können. Sie betonte zudem die Wichtigkeit der Kooperation mit der Zivilgesellschaft.

Eine ähnliche Veranstaltung, die einen solchen breiten Ansatz hatte, alle Ausbeutungsformen berücksichtigte und Erfahrungen aus Bundesländern, der Bundesebene und der internationale Ebene aufnahm, fand in dieser Art und Weise nicht im Jahr 2015 statt.

Mit insgesamt knapp 100 Teilnehmer*innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Polizei und Strafverfolgung, von Behörden, aus der Wissenschaft und aus Ministerien war das Symposium sehr gut und interdisziplinär besucht.

Die Agenda der Konferenz können Sie hier einsehen.
Eine ausführliche Vorstellung der Referent*innen des Symposiums können Sie hier herunterladen.

Im Folgenden finden Sie die Dokumentation der Tagung einschließlich der Redebeiträge, sowie der detaillierten Zusammenfassungen der veranstalteten Podien. 

Ablauf des Symposiums und Redebeiträge

Donnerstag 15.10.2015

ERÖFFNUNG

Naile Tanış, Geschäftsführerin KOK e.V.  

Ulrike Hiller, Staatsrätin, Bevollmächtigte der Freien Hansastadt Bremen beim Bund und für Europa

Andrea Hitzke, KOK Vorstand/Dortmunder Mitternachtsmission

VORTRAG

Ruth Freedom Pojman, stellvertretende Sonderbeauftragte und Koordinatorin der OSZE zur Bekämpfung des Menschenhandels

PODIUM I

Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer – Beispiele und Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, aktuelle Herausforderungen in Deutschland

PODIUM II

Strukturelle Weiterentwicklung in Bezug auf verschiedene Ausbeutungsformen – Erfahrungen aus den Bundesländern Hamburg und Baden-Württemberg   

Freitag, 16.10.2015

VORTRAG

Maria Grazia Gimmarinaro, UN-Sonderberichterstatterin für Menschenhandel

PODIUM III

Welcher Handlungsbedarf ergibt sich aus den GRETA Empfehlungen? Halbzeitbilanz des Koalitionsvertrag – MdBs diskutieren

SCHLUSSWORT

Christine Morgenstern, Leiterin der Abteilung 4 Gleichstellung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 

Audiomitschnitte der Hauptvorträge

Den Eröffnungsvortrag von Ruth Freedom Pojman, Vertreterin der OSZE, sowie den Hauptvortrag von Maria Grazia Gimmarinaro können Sie in voller Länge mit den unterstehenden Links anhören.

Audiomitschnitt Ruth Freedom Pojman: Eröffnungsvortrag

Audiomitschnitt Maria Grazia Gimmarinaro - Hauptvortrag

PODIUM I: Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU -Beispiele und Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, aktuelle Herausforderungen in Deutschland

Zunächst sprach Frau Kroeger, Leiterin des Referats II A 2 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, die sich kurzfristig bereit erklärt hatte, den Sachstand bezüglich der Umsetzung der EU Richtlinie gegen Menschenhandel 2011/36 und der vorliegenden Formulierungshilfe des BMJV an den Rechtsausschuss des Bundestages vorzustellen.
Anschließend stellte Prof.Dr. Renzikowski in seinem Einführungsvortrag seine Einschätzung des Gesetzesvorhabens dar.
Im darauf folgenden Podium wurden Beispiele und Erfahrungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgestellt.

Podium I - Inhalte

Podiumsgäste

Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Lehrstuhl Strafrecht, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Klara Skrivankova, Projektkoordinatorin, Anti Slavery International, London

Evelyn Probst, Leitungsteam, Lefö IBF, Wien

Helga Gayer, stv. Leiterin Referat Menschenhandel, BKA

Mechtild Maurer, Geschäftsführerin, ECPAT Deutschland e.V. 

Moderation: Ulrike Gatzke

Zunächst sprach Frau Kroeger, Leiterin des Referats II A 2 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, die sich kurzfristig bereit erklärt hatte, den Sachstand bezüglich der Umsetzung der EU Richtlinie gegen Menschenhandel 2011/36 und der vorliegenden Formulierungshilfe des BMJV an den Rechtsausschuss des Bundestages vorzustellen. 

Insbesondere stehe die Umsetzung der EU-Richtline zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2011/36) im Vordergrund. Um eine tiefgehende Reform garantieren zu können, sollen die gesetzgeberischen Maßnahmen in einem umfassenden Verfahren mit der Überarbeitung des Koalitionsvertrags verbunden werden. Die aktuellen Gesetzestexte zu Menschenhandel (§232, §233, §233a StGB) sollen dabei vollständig durch Regelungen ersetzt werden, die sich an den Phasen des Menschenhandels (Anwerben, Transport, Ausbeutung) orientieren. Stellungnahmen von Verbänden und Expert*innen, der Länder sowie verschiedener Ressorts zur Formulierung der neuen Gesetzgebung wurden eingeholt und werden derzeit im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ausgewertet. Nach einer Abstimmung in der Koalition soll das Gesetzgebungsverfahren zügig weitergeführt werden. Eine ausführliche Darstellung der Ausführungen von Frau Kroeger können Sie hier nachlesen.

Einführung in das Thema des Podiums

Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Lehrstuhl Strafrecht, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,

"Strafbarkeit des Menschenhandels – Reformbedarf entsprechend der EU-Richtlinie 2011/36."

Eine Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Renzikowski von 2015 zu der Formulierungshilfe an den Rechtsausschuss zur Reform der §§ 232 ff. StGB im Kontext der Vorgaben der EU-Richtlinie können Sie hier einsehen. 

Im Einführungsvortrag stellte Herr Renzikowski zunächst klar, dass, wenn von Menschenhandel 1 Quelle: Cyrus, Norbert in KOK e.V. (2011): Entwicklung tragfähiger Unterstützungsstrukturen für die Betroffenen von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung in Deutschlandgesprochen wird, drei Ebenen unterschieden werden müssen: Rekrutierung (= Anwerbung), Logistik (=Befördern, Weitergabe; Handel) und Ausbeutung, die an sich nicht zum Menschenhandel im eigentlichen Sinne gehört, auch wenn das im deutschen Strafrecht immer so behandelt wurde und immer wieder zu Unklarheiten geführt hat. Mit Bezug auf das Modell der Pyramide von Norbert Cyrus wurden die Stufen von Ausbeutung1 grafisch dargestellt: Menschenhandel wie er in der Europaratskonvention beschrieben ist, nämlich als schwere Menschenrechtsverletzung, bezieht sich auf die beiden oberen Ebenen. Auf der unteren Ebene finden sich Fälle nichteingehaltender Schutzvorschriften oder nichtgezahlter Sozialabgaben. Hier geht es vorrangig um Verstöße gegen das Sozialsystem, nicht um den Schutz Einzelner. Prof. Renzikowski kritisierte unter anderem, dass es auch im neuen Entwurf keine „Ausbeutung light“ gibt, d.h. das Ausbeutung bei der keine Zwangselemente hinzukommen weiterhin nicht erfasst wird bzw. nur im Nebenstrafrecht für Nicht-EU-BürgerInnen (z.B. im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz).

Bezüglich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist nach Prof. Renzikowski u.a. die Art und Weise kritikwürdig wie nun durch die vorgelegte Formulierungshilfe das Thema Freierstrafbarkeit neu diskutiert wird. Zwei Vorschläge (einmal im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie und dann im Rahmen der Reformierung des Sexualstrafrechts) sehen für nicht-einvernehmliche sexuelle Handlungen unterschiedliche Strafmaße vor. Unklarheit besteht auch in der Abgrenzung zwischen den Straftatbeständen der dirigistischen Zuhälterei und dem Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung.

Gegenwärtig ist zudem nie absehbar, welcher Straftatbestand letzen Endes angeklagt und verurteilt wird.

Hinsichtlich erzwungener Betteltätigkeit muss eine rechtliche Regelung eingeführt werden, die diese Form der Ausbeutung erfasst.

Die Ausnutzung strafbarer Handlungen ist aus Sicht Herrn Renzikowskis sehr schwierig zu regeln; hier passt das Bild der Pyramide nicht, da strafbare Handlungen grundsätzlich nicht begangen werden dürfen. Die Ausnutzung strafbarer Handlungen sei im Allgemeinen durch die deutsche Gesetzgebung abgedeckt (u.a. Anstiftung von Straftaten, mittelbare Täterschaft) aber es gibt es noch keine Regelung die Zwang zur Begehung strafbarer Handlungen einschließt.  Zudem gibt es folgendes Problem: im Hinblick auf Minderjährige ist nach internationalen Vorgaben kein Zwang notwendig. Dies führt dazu, dass die vorgeschlagene Regelung problematisch ist, da möglicherweise jugendtypische Straftaten erfasst werden können (wenn z.B. Jugendliche von Gleichaltrigen für eine Mutprobe zum Klauen geschickt werden). Eine mögliche Lösung könnte sein, auf fortgesetzte Begehung abzuzielen.

Am Ende verwies Herr Renzikowski noch auf die österreichische strafrechtliche Regelung §104a, die klar strukturiert ist und zeigt, dass es durchaus möglich ist, in einer Norm die wesentlichen Voraussetzungen aufzunehmen.

  • Helga Gayer, stellvertretende Referatsleiterin des Referats Menschenhandel im BKA gab zunächst Einblick in die besonderen Problemstellungen der polizeilichen Arbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels und forderte eine deutlich verbesserte praktische Handhabbarkeit der Straftatbestände. Insbesondere die Aufnahme von weiteren Ausbeutungsformen des Menschenhandels in die nationale Gesetzgebung, sowie eine kommende Schwerpunktsetzung auch auf Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft, brauchen eine multidisziplinäre Kooperation  aller Akteure, sowie die Verbesserung der bestehenden gesetzlichen Regelungen zur effektiven Ahndung des Tatbestandes Menschenhandel. Aufgrund begrenzter Ressourcen muss es vor allem durch eine verbesserte Vernetzung gelingen, die Zusammenarbeit zwischen den bestehenden Gremien und Institutionen zu verbessern und redundante Strukturen zu beseitigen. Im Weiteren bedarf es eines Ausbaus von Unterstützungsmöglichkeiten für männliche und jugendliche Betroffene, sowie Betroffene mit Behinderung. Weitere Forderungen betreffen personelle Aufstockungen sowie einen erhöhten Ausbildungsbedarf in Fachberatungsstellen und Strafverfolgungsbehörden. 
  • Mechtild Maurer, Geschäftsführerin von ECPAT Deutschland e.V. („End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes”), geht auf Schwierigkeiten der aktuellen nationalen Gesetzgebung ein, die die Unterstützung von gehandelten Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen: es wird mit unklaren Begrifflichkeiten gearbeitet, zahlreiche Akteure mit unterschiedlich ausgeprägter Sensibilisierung und zum Teil unklaren Zuständigkeiten sind in die Unterstützung von minderjährigen Betroffenen von Menschenhandel involviert und Regelungen aus unterschiedlichen Gesetzesbereichen sind für die Arbeit der Organisation relevant. Handel mit Minderjährigen ist nicht nur eine Nebenform des Menschenhandels und müsse mit umfassenden und effektiven Maßnahmen angegangen werden. Insbesondere müssten die Schutzmöglichkeiten für geflüchtete Kinder und Kinder „on the move“, Kinder mit Behinderungen und Jungen verbessert werden und nationale Schutzkonzepte entwickelt und implementiert werden, um auch weitere Akteure als Kooperationspartner*innen zu gewinnen.
  • Anschließend erörterten Klara Skrivankova, Projektkoordinatorin bei Anti Slavery International in London, und Evelyn Probst, Mitglied des Leitungsteams von Lefö IBF (Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel) in Wien die Umsetzung europäischer Rechtsrahmen in die nationalen Kontexte von Großbritannien, beziehungsweise Österreich.
  • Die Menschenhandelsrichtlinie des Europäischen Parlaments (Richtlinie 2011/36/EU) wurde bereits 2013 durch eine Reform der nationalen Gesetzgebung in Österreich umgesetzt. Hauptpunkte dieser Reform waren die Aufnahme weiterer Ausbeutungsformen des Menschenhandels in die Gesetzgebung, sowie die Schaffung eines Koordinierungsmechanismus zur Verbesserung der landesweiten Zusammenarbeit. Eine landesweite Task Force in Österreich hat drei verschiedene Arbeitsgruppen, die sich mit den Themen sexuelle Ausbeutung, Arbeitsausbeutung und Handel mit Minderjährigen beschäftigen, als Koordinierungsmechanismen etabliert. Die Reform der österreichischen Gesetzgebung stellt einen Fortschritt dar, der aber noch praktischer Implementierungsmaßnahmen bedarf. Insbesondere bestehen noch Defizite bei der Unterstützung und dem Schutz männlicher Betroffener von Menschenhandel sowie bei der Umsetzung der so genannten „Non punishment clause“, also die Straffreiheit für Betroffene von Menschenhandel. Unterstützungsangebote für männliche Betroffene und minderjährige Betroffene wurden zum Teil bereits geschaffen.
  • Die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel ist in Großbritannien bereits erfolgt. Dort gab es 2014 eine Gesetzesänderung mit der Verabschiedung des Gesetzes zu Moderner Sklaverei. Im Vereinigten Königreich gibt es aufgrund der Strukturen mit administrativ unabhängigen Ländern eigentlich drei verschiedene Gesetze zum Thema Menschenhandel: Das Gesetz gegen moderne Sklaverei (gilt in England und Wales, Teile des Gesetzes gelten aber für das ganze Land), das Gesetz gegen Menschenhandel und Ausbeutung von 2014 in Nordirland  und das Gesetz gegen Menschenhandel und Ausbeutung von 2015 in Schottland. Die Straftaten sind ähnlich definiert, aber in anderen Bereichen, z.B. in Bezug auf Opferschutz gibt es Unterschiede. Vor allem gibt es aktuell in England viele Fälle von Ausbeutung der Arbeitskraft, zum Teil mit Elementen von Menschenhandel. Dass die Identifizierung von Fällen zur Arbeitsausbeutung im Vergleich zu Fällen von sexueller Ausbeutung zur Zeit überwiegt, liegt vor allen Dingen daran, dass der Fokus in Großbritannien auf diese Form von Menschenhandel gelegt wurde und Sensibilisierungsmaßnahmen effektive Identifikationsstrukturen geschaffen haben. Fälle von vietnamesischen Migrant*innen, darunter sehr häufig Kinder und Jugendliche, die zur Arbeit auf Marihuana Plantagen gezwungen wurden, haben insbesondere öffentliches Interesse geweckt. Auch gäbe es vermehrt Fälle zu Menschenhandel zur Ausbeutung von Bettelei oder zur Ausnutzung strafbarer Handlungen. Vor einigen Jahren gab es einen großen Fall mit rumänischen Betroffenen, v.A. Frauen und Kinder. Hierzu wurde die so genannte „Operation Golf“ ins Leben gerufen; gemeinsame rumänisch/englisches Ermittlungsteams. In diesem Bereich gibt es also bereits viel Erfahrungen.  Vulnerable Gruppen in Großbritannien umfassen ebenfalls Staatsbürger*innen, v.a. obdachlose Personen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Suchtverhalten, die in Europa Opfer von Ausbeutung werden. Aktuelle Diskussionen im nationalen Kontext betreffen vor allem das zunächst gegebene Einverständnis von Betroffenen von Menschenhandel, welches laut Richtlinie unerheblich sein muss.

Die anschließende Diskussion berührte unter anderem Aspekte der Opferschutzmaßnahmen, die in der EU-Richtlinie aufgeführt sind. Die Nichtstrafbarkeit von Betroffenen von Menschenhandel („non-punishment-clause“) ist in der deutschen Gesetzgebung nicht entsprechend den Voraussetzungen der EU Richtlinie 2011/36  geregelt. Auch in England ist die Straffreiheit von Betroffenen für Straftaten,  die als direkte Folge ihrer Ausbeutung geschahen, nicht immer gewährleistet, obwohl es seit Juli 2015 ein entsprechendes Gesetz gibt, das die Straffreiheit regelt. Dieses lässt allerdings viele Ausnahmen zu. Im Weiteren wurde ebenfalls die Konzentration auf Zeug*innenaussagen bei Fällen von Menschenhandel diskutiert. Die Regelung dass Aufenthaltstitel von Betroffenen an die Bereitschaft zur Aussage geknüpft sind, wurde kritisch beleuchtet. Um Maßnahmen zum Opferschutz bieten zu können, die den Vorgaben der Richtlinie entsprechen, müssten Aufenthaltstitel auch nach den Verhandlungen bereit gestellt werden.

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass Menschenhandel eng verknüpft ist mit der ökonomischen zum Teil sehr schlechten Situation der Betroffenen. Dies sei auch erst in diesem Jahr erneut durch eine aktuelle Studie der Grundrechteagentur FRA zu Arbeitsausbeutung bestätigt worden. Daher ist es auch so wichtig, dass ein ökonomischer Ausgleich für die Betroffenen durch eine entsprechende Kompensation (durch Schadensersatz, entgangenen Löhne etc.) stattfindet.

Evelyn Probst plädiert dafür, von der bisherigen Konzentration politischer Maßnahmen auf die Identifikation  von Betroffenen abzuweichen und anstatt dessen die Identifizierung von Ausbeutungssituationen mehr in den Fokus zu stellen und somit schnelle Reaktionen auf die tatsächliche Ausbeutung zu gewährleisten. 

Klara Skrivankova weist zum Abschluss der Diskussion darauf hin, dass zur effektiven Bekämpfung von Ausbeutungssituationen eine Reform der politischen Ökonomie nötig sei, um bestehende Machtungleichheiten anzugehen und damit Ausbeutung von vulnerablen Gruppen vorzugreifen. Hierzu ist der politische Wille notwendig. Menschenhandel rein strafrechtlich bekämpfen zu wollen, reicht nicht aus.

PODIUM II: Strukturelle Weiterentwicklung in Bezug auf verschiedene Ausbeutungsformen - Erfahrungen aus Hamburg und Baden-Württemberg

Mit der Vorstellung des Konzepts zur „Unterstützung Betroffener von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ durch die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel – KOOFRA e.V. wurde zunächst am konkreten Beispiel von Hamburg dargestellt, wie eine bestehende Unterstützungsstruktur Betroffene weiterer Ausbeutungsformen effektiv einbinden kann. 

Nach der Vorstellung des Konzepts erläuterten die anwesenden Podiumsgäste die Situationen, Entwicklungen, Strukturen und Empfehlungen zu diesem Thema jeweils aus den Erfahrungen in Baden-Württemberg, Hamburg und Dortmund. In der sich anschließenden Diskussionsrunde wurden generell die notwendigen Kooperationen und Vernetzungen zwischen den Fachakteuren, wie beispielsweise zwischen den spezialisierten Fachberatungsstellen und den gewerkschaftlichen Beratungsstellen, hervorgehoben. 

Podium II - Inhalte

Podiumsgäste

Katrin Kirstein, KOOFRA, Hamburg

Martina Felz, Referat Opferschutz, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Hamburg

Wolfgang Hermann, Leiter der Katholischen Betriebsseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Andrea Hitzke, Leiterin Mitternachtsmission Dortmund, KOK-Vorstand

Moderation: Ulrike Gatzke

Einführung in das Thema des Podiums

Katrin Kirstein, Projektkoordinatorin, KOOFRA, Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel e.V., Hamburg

"Vorstellung des Konzepts für die Erweiterung des Arbeitsfeldes von KOOFRA e.V. um den Bereich der Unterstützung von Betroffenen von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft"

Eine Übersicht der vorgestellten Arbeit von KOOFRA zur Einbindung von Betroffenen von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung in die Unterstützungsstrukturen kann hier eingesehen werden.

Auf Basis der Strukturen zur Unterstützung von Betroffener von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung wurden konkrete Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Betroffenengruppen herausgearbeitet um ein möglichst effizientes Vorgehen zu gewährleisten, welches sich dennoch an den konkreten, verschiedenen Bedürfnissen von Betroffenen orientiert.

  • Martina Felz, stellvertretende Referatsleiterin im Referat Opferschutz der Behörde Arbeit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg, unterfütterte den Einführungsvortrag von KOOFRA zunächst mit Hintergrundinformation zur Initiierung der Konzeptplanung auf politischer Ebene. Aufgrund der bestehenden Expertise zu Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und ihrer Vertrauensstellung in dem Netzwerk und der jahrelangen belastbaren Kooperation wurde die Fachberatungsstelle KOOFRA beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten. Das Landesprogramm zu geschlechtsspezifischer Gewalt, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege gab dabei den Anstoß die Unterstützungsstruktur für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft zu untersuchen und auszubauen. Um ein koordiniertes Vorgehen zu gewährleisten, liegt die Steuerung in Hamburg zu allen Ausbeutungsformen ministeriell in einer Hand.
    Nach der Erarbeitung des Konzepts durch KOOFRA sollen die darin enthaltenen Maßnahmen umgesetzt werden. Hierzu gehören auch die Sensibilisierung und Fortbildung von relevanten Stellen zur Identifikation von Betroffenen u.a. Eine bestehende Kooperationsvereinbarung in Hamburg zwischen der Fachberatungsstelle KOOFRA und der Servicestelle „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ definiert klare Rollen bei der Identifizierung und Unterstützung von Betroffenen. Ein Runder Tisch zum Thema Frauenhandel, der zivilgesellschaftliche Akteure und Fachberatungsstellen umfasste und in Hamburg seit mehreren Jahren bestand, diente als Basis für die Etablierung eines neuen Runden Tisches, welcher nun auch die Thematik des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung mit einschließt und themenspezifisch zweimal jährlich zusammentrifft. Neben KOOFRA und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, nehmen auch Vertreter*innen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, des Zolls, der Arbeitsagenturen und Jobcenter an diesem Treffen teil.
  • Als Leiterin der Mitternachtsmission Dortmund gab Andrea Hitzke den Anwesenden einen Überblick zum Netzwerk und zu den Unterstützungsstrukturen für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung in Dortmund. Da die ursprüngliche Rednerin Doris Köhncke (FIZ Stuttgart) leider kurzfristig absagen musste, erklärte sich Frau Hitzke bereit, einzuspringen. Sie stellte den Teilnehmer*innen die strukturelle Weiterentwicklung am Beispiel von Dortmund vor. In Bezug auf Betroffene von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung stehe in Nordrhein-Westfalen offizielle Finanzierung nur für die Unterstützung von Frauen aus Drittstaaten (Ausnahme: Frauen aus Bulgarien und Rumänien) zur Verfügung. Dabei wurde betont, dass insbesondere auch die Betreuung und Beratung männlicher Betroffener schwierig ist, da sie durch die finanziellen Mittel des Landes Nordrhein-Westfalen zur Zeit leider nicht abgedeckt werden kann. Den spezialisierten Fachberatungsstellen ist es jedoch ein Anliegen, das Thema Arbeitsausbeutung weiter voranzubringen. Generell wurde für Dortmund im Rahmen der neu gegründeten Arbeitsgruppe „Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung“ vereinbart, dass einzelne Fälle von jenen Instanzen betreut werden, mit denen sie als erstes in Kontakt treten. Prinzipiell bestehen gute Kooperationen und Strukturen in Dortmund, so zum Beispiel das Netzwerk „Neue Armutszuwanderung“ zu dem das niedrigschwellige Beratungsangebot „Willkommen in Europa“ gehört. Nichtsdestotrotz brauche es weitere finanzielle Ressourcen um ausreichende Unterstützung (z.B. auch Unterbringung von Betroffenen) und Schutz für alle Betroffenen gewährleisten zu können.    
  • Der Leiter der Katholischen Betriebsseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Wolfgang Hermann, referierte aus Sicht einer Mitgliedsorganisation über die spezifischen Erfahrungen des Landesbündnisses „Faire Arbeitsmigration“ (weitere Informationen zur Arbeit des Bündnisses finden Sie auf der Homepage). Es gilt als ein Beispiel einer erfolgreichen Vernetzung zu dem Thema in einem Flächenland. Im Gegensatz zur Bekämpfung von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, bestehen keine umfassenden Regelungen und Aktionspläne auf Landesebene zur Bekämpfung und Prävention von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung. Vor diesem Hintergrund wurde ein Notfallsystem für Betroffene von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung aufgebaut, an dem Beratungsstellen, Rechtsanwält*innen und Behörden beteiligt sind. Konkrete Forderungen zur künftigen Entwicklung beinhalten unter anderem die institutionalisierte Vernetzung von relevanten Akteur*innen, die Etablierung weiterer qualifizierter Fachberatungsstellen sowie der Anstoß gesellschaftlicher Debatten zur normativen Bewertung von prekären Arbeitsbedingungen und Arbeitsausbeutung.

Im Austausch mit den Podiumsgästen wurde die Rolle von Gewerkschaften bei der Unterstützung und der Gewährleistung von Schutzmaßnahmen für Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft diskutiert. Insbesondere auch zur Bereitstellung von Rechtsbeistand und Rechtsschutz könnten Gewerkschaften etablierte Unterstützungsstrukturen bieten, welche im Moment durch bürokratische Hürden (z.B. Mindestzeit der Mitgliedschaft) erschwert wird. Es bestehen aber zum Teil noch Lücken bei konkretem Opferschutz (z.B. Unterbringung), die auch von den gewerkschaftlichen Stellen nicht gefüllt werden (können). Hier sind zum Teil schon die bestehenden Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel aktiv, stoßen aber wegen begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen an ihre Kapazitätsgrenzen.

Im Weiteren wird eine verbesserte Abstimmung zwischen Ressorts, mehr proaktive Arbeit von Behörden, das Schließen von rechtlichen Lücken im Arbeitsrecht zur Bekämpfung von Niedriglohnstrukturen, sowie eine umfassende Unterstützung für Nicht-EU-Bürger*innen und eine Etablierung konkreter Opferschutzmaßnahmen (z.B. Unterbringung von Betroffenen) gefordert. Auch die Notwendigkeit der Vernetzung und Kooperation wird betont.

PODIUM III: Welcher Handlungsbedarf ergibt sich aus den GRETA-Empfehlungen?
Halbzeitbilanz des Koalitionsvertrages - MdBs diskutieren

Helmut Sax gab als Einleitung in das Podium einen umfassenden Einblick in die durch die Expert*innengruppe GRETA ausgearbeiteten Empfehlungen zur Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels an Deutschland.

Anschließend diskutierten die anwesenden Bundestagsabgeordneten über aktuelle und künftige Gesetzesvorhaben zum Thema Menschenhandel und zur Umsetzung internationaler Vorgaben sowie u.a. zur Einordnung der Thematik in den weitreichenden Kontext der aktuellen Situation von Geflüchteten.

Podium III - Inhalte

Podiumsgäste

Helmut Sax, GRETA-Mitglied, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, Wien

MdB Elisabeth Winkelmeier-Becker, Fraktion CDU/CSU

MdB Dr. Eva Högl, Fraktion SPD

MdB Martina Renner, Fraktion die LINKE

Moderation: Dr. Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/ Europa, Deutsches Institut für Menschenrechte

Einführung in das Thema des Podiums

Mag. Helmut Sax, GRETA-Mitglied, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, Wien,

"Menschenrechte im föderalen Staat – zur Umsetzung der Menschenhandelskonvention des Europarates durch Deutschland aus der Perspektive von GRETA."

Die Zusammenfassung der Empfehlungen der Expert*innengruppe GRETA, welche im Rahmen des Fachsymposium vorgestellt wurde, kann hier eingesehen werden.  

Die anwesenden Bundestagsabgeordneten bekamen im Anschluss an den Einführungsvortrag und die Vorstellung der GRETA-Empfehlungen an Deutschland auf dem Podium die Möglichkeit, ihre Einschätzungen und Positionen hierzu vorzustellen und zu diskutieren.

  • Elisabeth Winkelmeier-Becker von der Faktion CDU/CSU, erläuterte dabei zunächst geplante und umgesetzte Gesetzesmaßnahmen, die in Zusammenhang mit der Umsetzung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrags stehen. Sowohl die künftigen Gesetzespakete zur Definition von Menschenhandel und Ausbeutung (siehe PODIUM I zum aktuellen Stand der Gesetzesinitiative)  als auch die geplante Reform des Prostituiertenschutzgesetzes und die Verabschiedung der Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung wurden dabei als Maßnahmen genannt. Ebenfalls wären die Straffreiheit von Betroffenen sowie Neuregelungen zu Werk- und Leihverträgen geplante rechtliche Aspekte. Im Weiteren wurde auf die Relevanz der Gewinnabschöpfung bei den Täter*innen hingewiesen sowie zur Gewährung von Aufenthaltstiteln bei Kooperation der Betroffenen informiert. Es müsse mehr aufsuchende Arbeit betrieben werden, da die Kontaktaufnahme mit Betroffenen von Menschenhandel aufgrund der prekären Situationen in denen sie sich befinden, besonders schwierig ist.
  • Martina Renner von der Fraktion die LINKE, wies auf die Defizite bei der Verwirklichung von europäischen Vorgaben in Deutschland hin. Insbesondere hob sie das Versäumnis der Schaffung einer unabhängigen nationalen Berichterstattungsstelle und die immer noch bestehende Voraussetzung der Kooperationsbereitschaft von Betroffenen zur Gewährung von Aufenthaltstiteln und damit zum Zugang zu Opferschutzmaßnahmen hervor. Es müsse beachtet werden, dass Informationen zum Thema Menschenhandel auf Ebene der Bundesländer gesammelt werden und damit schwer vergleichbar und aggregierbar sind. Im Weiteren gestalten sich die Unterstützungsstrukturen auf den jeweiligen Länderebenen unterschiedlich, so gibt es zum Beispiel in Thüringen, als einzigem Bundesland, keine spezialisierte Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel.
  • Als Vertreterin der Fraktion SPD wies Dr. Eva Högl auf die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes hin, nach der Betroffene von Menschenhandel aus den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes herausgenommen wurden und allgemeine Sozialleistungen erhalten können. Nichtsdestotrotz sieht sie vor allem Defizite bei der Integration von Betroffenen von Menschenhandel, und Migrant*innen allgemein, in den deutschen Arbeitsmarkt, was wiederum die Vulnerabilität bestimmter Gruppen in Hinblick auf Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung verstärke. Ebenfalls fordert sie die Schaffung einer umfassenden Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels in Deutschland, sowie die Etablierung einer unabhängigen nationalen Berichtserstattungsstelle und eine Ausweitung von Fachberatungsstellen.

In der sich anschließenden Diskussion wurde die Thematik u.A. vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssituation beleuchtet. Dabei fordert Martina Renner die Schaffung von sichereren Fluchtwegen um die Vulnerabilität von Geflüchteten und Migrant*innen für Ausbeutungsverhältnisse zu unterbinden. Sie betont die Verantwortung staatlicher Behörden zum Schutz von Geflüchteten und Betroffenen von Menschenhandel und fordert verstärkte Bemühungen in Erstaufnahmeeinrichtungen und verbesserte Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderhandel.

Auf Nachfrage von Dr. Bärbel Heide-Uhl hin diskutierten die anwesenden Bundestagsabgeordneten über die Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung, die  Opferschutzmaßnahmen nicht gefährden dürfe. Frau Winkelmeier-Becker betonte, dass durch Vorratsdatenspeicherung lediglich die Speicherung von Verbindungsdaten erfolge womit sensible Daten geschützt werden sollen. Daraufhin erklärt Martina Renner von der Fraktion die LINKE, dass Nachweise von Verbindungen ebenfalls sensible Informationen bedeuten können und der Zugriff durch Sicherheitsbehörden verhindert werden müsse.     

Frau Winkelmeier-Becker nimmt aus der Veranstaltung mit, dass Menschenhandel als Querschnittsthema verstanden werden müsse, da viele Bereiche in der Bekämpfung dieses Phänomens berührt werden. Des Weiteren stellt sie Thematik des Kinderhandels nochmals in den Vordergrund.

Frau Dr. Eva Högl hebt zum Abschluss der Diskussion hervor, dass Betroffene von Menschenhandel gestärkt werden müssten und das insbesondere dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt werden müsse, da hierfür noch keine ausreichende Grundlage vorliege.

Schlußwort

Das Schlußwort der Leiterin der Abteilung 4 Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christine Morgenstern können Sie hier herunterladen.

Gefördert vom
Logo BMFSFJ
KOK ist Mitglied bei

Kontakt

KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Lützowstr.102-104
Hof 1, Aufgang A
10785 Berlin

Tel.: 030 / 263 911 76
E-Mail: info@kok-buero.de

KOK auf bluesky