Wir unterscheiden zwischen Menschenhandel und den verschiedenen Formen der Migration, die nicht unter Bedingungen von Zwang, Täuschung, Ausbeutung oder Gewalt ablaufen und dennoch oft prekäre Lebenssituationen für Migrant*innen bedeuten. Immer mehr Menschen sind in die nationale und internationale Arbeitsmigration involviert. Frauen machen nach der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mittlerweile die Hälfte der ca. 100 Mio. Arbeitsmigrant*innen weltweit aus.
Im Gegensatz zum Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung sind vom Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung überwiegend Migrant*innen betroffen.
Ausbeutung der Arbeitskraft in Deutschland kommt vor allem dort vor, wo Personal unabdingbar, aber der Einstieg relativ einfach, d.h. auch ohne bestimmte Qualifikationen möglich ist.
Da der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Migrant*innen außerordentlich eingeschränkt ist, sind viele Migrant*innen vor allem in unregulierten Arbeitssektoren tätig, z.B. im Haushalt und in der Pflege oder im Unterhaltungssektor. Zwar schafft dieser Umstand neue Verdienstmöglichkeiten, gleichzeitig sind aber einige der migrierenden und zum Teil illegalisierten Personen mit extremen Arbeitsbedingungen konfrontiert. Diese bergen gesundheitliche Beeinträchtigungen und das Risiko, gehandelt, ökonomisch und sexuell ausgebeutet, diskriminiert und somit Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu werden.
Beispielhaft für einen unregulierten Arbeitssektor sind die Arbeit im Haushalt oder die häusliche Pflege zu nennen, Branchen, in denen überwiegend Frauen (häufig Migrantinnen) arbeiten.
Nicht selten handelt es sich dabei um ein "halbfeudales" Arbeitsverhältnis, bei der die Bezahlung weniger durch Geld, sondern weitgehend durch freie Kost und Logis erfolgt. Die scheinbar dauernde Verfügbarkeit der Person scheint in dem Fall gegeben, wenn sie im Haushalt auch wohnt. In diesem "privaten" Bereich befinden sich die betroffenen Personen häufig in einer sehr prekären Situation. Illegalisierter Status, fehlende Arbeitsrechte und die unproblematische Ersetzbarkeit der Hausangestellten bedingen, dass Bezahlung und Sicherheit nicht garantiert sind, und viele Betroffene in diesen Bereichen unter sklavenähnlichen Verhältnissen leben und arbeiten.
Die Gefahr der Belästigung und sexualisierten Gewalt ist groß, denn diese findet überall auf der Welt am häufigsten im privaten häuslichen Bereich statt. Sich zur Wehr zu setzen, ist sehr schwierig, da die Beweislast auf Seiten der Betroffenen Personen liegt. Kommt der illegalisierte Status hinzu, hat sich die betroffene Person nicht nur durch den unerlaubten Aufenthalt, sondern auch durch die Arbeitsaufnahme strafbar gemacht. Die Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen besteht daher bei den Betroffenen noch zusätzlich.
In Deutschland arbeiten häufig Menschen ohne Aufenthaltsrecht (sehr häufig auch Frauen) ungeschützt in diesem informellen Sektor. Die Vertretung ihrer Interessen kann aufgrund ihrer zum Teil rechtlich schwierigen Situation, ihrer Vereinzelung und Isolation sowie dem fehlenden Zugang für Beratungsangebote und/oder andere Akteure besonders schwierig sein.
Aber auch in scheinbar eher regulierten und offeneren Arbeitssektoren, wie z.B. dem Baugewerbe, der Landwirtschaft, der fleischverarbeitenden Industrie oder der Hotel- und Gaststättenbranche kommen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung vor. Betroffene können einzelne Frauen und Männer aber auch Familien oder ganze Gruppen von Personen sein.
Sie werden wirtschaftlich ausgebeutet und arbeiten zum Teil unter sklavereiähnlichen Bedingungen. Beispielsweise wird ihnen der vereinbarte Lohn vorenthalten oder es gibt unverhältnismässige Abzüge für Vermittlung, Unterkunft, Verpflegung etc., sie müssen unverhältnismässig lange arbeiten und/oder dies auch noch unter gefährlichen Bedingungen (Arbeitsschutzstandards werden nicht eingehalten), es gibt keine Ansprüche auf Freizeit, Urlaub etc.
Durch Unkenntnis über ihre Rechte und Möglichkeiten in Deutschland (z.B. Arbeitsrechte, Recht auf Lohnzahlung, Beratungsmöglichkeiten) und/oder durch Drohungen, Zwang und Druck oder Gewalt durch die Arbeitgerber*innen ist es schwierig für die Betroffenen, der Situation zu entkommen.