Gesetzliche Grundlagen für die Europäische Union

Auch auf europäische Ebene wurden in den letzten Jahren einige Rechtsakte zur Bekämpfung des Menschenhandels erlassen. Zumeist handelt es sich dabei um Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten erst in verbindliches nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Richtlinie 2011/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates vom 05. April 2011

Ziel der Richtlinie ist eine rigorosere Prävention und Strafverfolgung sowie der Schutz der Rechte der Betroffenen. Bezweckt wird, dass jede Form des Menschenhandels mit effizienten Mitteln bekämpft wird. Daher erfasst die Richtlinie zusätzliche Formen des Menschenhandels, welche bislang vom Rahmenbeschluss 2002/629/JI des Rates nicht erfasst worden sind, wie beispielsweise die Betteltätigkeit als eine Form der Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen im Sinne des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1930. Gesondert wird in der Richtlinie im Artikel 8 der Verzicht auf Strafverfolgung oder die Straffreiheit der Opfer ausgeführt sowie in Artikel 11 die Unterstützung und Betreuung und der Schutz der Betroffenen bei Strafermittlungen und Verfahren gemäß Artikel 12. Artikel 17 sieht die Entschädigung der Opfer vor und Artikel 18 erläutert die notwendigen Präventionsmaßnahmen. Den Text der Richtlinie finden Sie hier.

 

Richtlinie 2009/52/EG über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen

Die Richtlinie 2009/52/EG ist zwar nicht als opferschützende Norm konzipiert, wird aber aufgrund der Beweislastumkehr bei der Dauer von Arbeitsverhältnissen etc Auswirkungen auf Betroffene des Menschenhandels haben. Zusätzlich soll Folgendes gelten: Wenn die Zuwiderhandlungen gegen das Verbot der illegalen Beschäftigung mit besonders ausbeuterischen Arbeitsbedingungen einhergehen oder Minderjährige betreffen, sollen die Mitgliedstaaten vergleichbar mit der so genannten Opferschutzrichtlinie 2004/81/EG befristete Aufenthaltstitel gewähren können. Für diesen Fall können die Mitgliedstaaten Bedingungen festlegen, unter denen die Gültigkeitsdauer dieser Aufenthaltstitel verlängert werden kann, bis die Lohnzahlungen an den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin erfolgt sind.

 

Richtlinie 2004/81/EG des Rates über die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels für Opfer von Menschenhandel (Opferschutzrichtilinie)

Mit der sog. Opferschutzrichtlinie wird das Ziel verfolgt, in den Mitgliedsstaaten einheitliche Regelungen für ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel aus Drittstaaten zu schaffen. Dieses ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Zum einen müssen sie Betroffenen mit den Behörden kooperieren, zum anderen ist die Erteilung des (auf mindestens sechs Monate) befristeten Aufenthaltstitels an die Dauer des innerstaatlichen Strafverfahrens gekoppelt. Dies hat zur Folge, dass eine Verlängerung nach dessen Abschluss ausgeschlossen ist (Artikel 8 und 13). Das Recht des Opfers zum weiteren Verbleib im Zielland bestimmt sich im Anschluss nach den allgemeinen Vorschriften des Ausländerrechts (Artikel 13 Abs. 2 ).

Allein die Kooperationsbereitschaft des Opfers reicht für die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht aus. Die Behörden müssen außerdem zu dem Schluss gelangen, dass seine Anwesenheit für die Ermittlungen oder das Gerichtsverfahren nützlich ist (Artikel 8 Abs. 1). Liegen diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vor, ist neben der Nichtverlängerung auch der Entzug des Aufenthaltstitels zulässig. Den Betroffenen ist eine Bedenkzeit einzuräumen, in der sie nicht abgeschoben werden dürfen und an deren Ende sie sich entscheiden müssen, ob sie mit den Behörden zusammenarbeiten (Artikel 6). Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf enthält die beschlossene Richtlinie keinerlei Angaben bezüglich der Mindestdauer dieser Bedenkzeit. Die Festlegung des Beginns und der Dauer dieser Zeitspanne bleibt vielmehr ausdrücklich den Mitgliedsstaaten vorbehalten.

Neben der Einführung eines befristeten Aufenthaltsrechts enthält die Richtlinie für die Mitgliedsstaaten auch die Pflicht, bereits vor Erteilung des Aufenthaltstitels Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer zu treffen. Hierzu zählen insbesondere der Zugang zu medizinischer Notversorgung und die Gewährung von Mitteln zur Sicherstellung des Lebensunterhalts (Artikel 6 Abs. 2 i.V.m. Artikel 7 Abs. 1). Außerdem sind den Opfern Übersetzungs- und Dolmetscherdienste zur Verfügung zu stellen, wenn und soweit dies erforderlich ist. Schließlich kann ihnen unentgeltlicher Rechtsbeistand gewährt werden, wenn das innerstaatliche Recht diese Möglichkeit vorsieht und die Voraussetzungen dafür erfüllt sind (Artikel 7 Abs. 4).

Deutschland hat die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 in nationales Recht umgesetzt.

Siehe hierzu auch: KOK (2009): Koopmann-Aleksin, Internationale und europäische Instrumente zur Bekämpfung des Menschenhandels, S. 131ff.

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