Regelung des Aufenthaltsrechts

Unter den Betroffenen von Menschenhandel in Deutschland befinden sich Personen verschiedenster Staatsangehörigkeiten. Für Drittstaatsangehörige ist in der Regel das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) anwendbar.

Nach Ablauf der sog. Bedenk- und Stabilisierungszeit nach § 59 Abs.7 AufenthG bzw. gänzlich losgelöst davon, gibt es im Aufenthaltsgesetz weitere Aufenthaltsmöglichkeiten für Betroffene von Menschenhandel. Diese hängen im Wesentlichen von der Beteiligung und Kooperation der Betroffenen in Strafverfahren gegen die Menschenhändler*innen ab.

 

§ 25 Abs. 4a AufenthG

Im Aufenthaltsgesetz wurde mit § 25 Abs. 4a ein spezieller Aufenthaltstitel für Betroffene von Menschenhandel, Zwangsarbeit/Zwangsprostitution und Ausbeutung der Arbeitskraft, die in Strafverfahren kooperieren, geschaffen.

Voraussetzungen für die Erteilung des § 25 Abs. 4a AufenthG sind:

  1. die Anwesenheit der Betroffenen wird für ein Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet, weil ohne die Angaben der Opferzeug*innen die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
  2. die Person hat jede Verbindung zu denjenigen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen und
  3. die*der Betroffene ist bereit, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeug*in auszusagen.
     

Die Aufenthaltserlaubnis wird zunächst für ein Jahr erteilt und ist insgesamt an die Dauer des Strafverfahrens geknüpft. Bei Einstellung des Verfahrens endet die Aufenthaltserlaubnis regelmäßig mit Ablauf des Titels. Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit der*des Ausländer*in im Bundesgebiet erfordern.

Gemäß § 25 Abs. 4a S. 4 AufenthG kann den Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden.

Personen, die einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a AufenthG besitzen, sind leistungsberechtigt nach SGB II oder SGB XII.

In der Praxis stellt die Voraussetzung, dass die Anwesenheit der Betroffenen im Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht für notwendig erachtet werden muss, um den Sachverhalt der Tat aufzuklären, eine besondere Hürde dar. Da die Aussagen der Betroffenen oft als unzureichend erachtet werden, wird eine Aufenthaltserlaubnis häufig nicht erteilt. Der KOK setzt sich deshalb schon seit langem für ein vom Strafverfahren unabhängiges Aufenthaltsrecht für Betroffene von Menschenhandel ein.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 ist ein solches vorgesehen.

 

§ 25 Abs. 4b AufenthG

§ 25 Abs. 4b AufenthG regelt einen vorläufigen Aufenthaltstitel für Ausländer*innen, die in Deutschland in einem auffälligen Missverhältnis zu deutschen Arbeitnehmer*innen und ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt wurden.

Hierunter fallen Straftaten nach § 10 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) (Beschäftigung von Ausländer*innen ohne Genehmigung oder ohne Aufenthaltstitel und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen), § 11 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (unerlaubte Beschäftigung einer Person unter 18 Jahren) und § 15a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) (Entleih von Ausländer*innen ohne Genehmigung).

Wie auch bei § 25 Abs. 4a AufenthG muss die Aussage für das Strafverfahren erforderlich und der*die Ausländer*in zur Aussage bereit sein. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4b AufenthG setzt – im Gegensatz zu Abs. 4a – nicht voraus, dass der Kontakt zu den Täter*innen abgebrochen wird.

Die Aufenthaltserlaubnis kann nach Abschluss des Verfahrens nur verlängert werden, wenn der betreffenden Person noch Vergütungsansprüche zustehen und es eine besondere Härte bedeuten würde, diese aus dem Ausland zu verfolgen.

In der Vergangenheit spielte dieser Aufenthaltstitel in der Praxis kaum eine Rolle und wird nach wie vor nur selten erteilt.

§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG – Abschiebungsverbot

Wenn weder Asylberechtigung noch Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz vom BAMF gewährt werden, kann unter bestimmten Umständen ein Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) festgestellt werden. Eine Rückführung in den Zielstaat darf nicht durchgeführt werden, wenn diese eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) darstellt oder im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die konkrete Gefahr kann sich auch auf eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung beziehen, welche sich durch eine Rückführung wesentlich verschlimmern würde.

§ 29 Abs. 3 AufenthG - Familiennachzug

Inhaber*innen eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a AufenthG haben die Möglichkeit des Familiennachzugs gem. § 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG. Die Aufenthaltserlaubnis darf den Familienmitgliedern allerdings nur erteilt werden, wenn völkerrechtliche oder humanitäre Gründe vorliegen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Zudem müssen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sein (u.a. gesicherter Lebensunterhalt, ausreichend Wohnraum).

Ein Familiennachzug ist für Angehörige von Personen mit einem Aufenthalt nach § 25 Abs. 4b AufenthG nicht vorgesehen.


Zuletzt aktualisiert: Mai 2023

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