Betroffene von Menschenhandel können sich gemäß § 395 StPO im Strafverfahren als Nebenkläger*innen anschließen und sich hierzu ein*e Anwäl*tin als Nebenklagevertreter*in nehmen. Dieser Rechtsanspruch ist auch finanziell abgesichert.
Betroffenen von Menschenhandel, wie allen nebenklageberechtigten Zeug*innen stehen als Nebenkläger*innen bestimmte Rechte im Strafverfahren zu.
Diese ergeben sich aus § 397 StPO.
Durch die Verfahrensbeteiligung wird den Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt, aktiv auf das Verfahren einzuwirken. So soll insbesondere auch sekundäre Viktimisierung verhindert werden.
Selten jedoch wird der Straftatbestand des Menschenhandels zum Anklagebestandteil. Häufiger wird seitens der Strafverfolgungsbehörden auf einfacher zu handhabende Straftatbestände wie z.B. Schleusung oder Zuhälterei nach § 180a StGB ausgewichen. Dieses Ausweichen auf andere Straftatbestände ist für den Bereich der Nebenklage nicht unproblematisch, denn sie sind nicht nebenklagefähig.
Zu prüfen und zu befürworten ist in solchen Fällen die Beiordnung eines Rechtsbeistandes nach § 406f StPO. Dieser Beistand hat allerdings nicht dieselben Befugnisse wie ein*e Nebenklagevertreter*in. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann auch Zeug*innen nach § 68 StPO ein anwaltlicher Beistand beigeordnet werden. Dieser kann die Zeug*innen jedoch lediglich über ihre Rechte und Pflichten im Verfahren aufklären und erhält eine sehr geringe Bezahlung.
Wenn Betroffenen vorgeworfen wird, selbst strafbare Handlungen begangen zu haben, z. B. Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, dann kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 154c Abs. 2 StPO von der Verfolgung eines von der Betroffenen selbst begangenen Vergehens absehen. Voraussetzung ist, dass die Straftat erst durch die Anzeige der*des Betroffenen hinsichtlich Menschenhandels bekannt wird. Die Entscheidung der Einstellung im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Sie hat zu prüfen, ob wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist.
Mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz wurden der Schutz und die Betreuung von Betroffenen von Straftaten vor Gericht gestärkt (vgl. hierzu auch die Rubrik Opferrechtreformgesetz).
Viele der Regelungen, die die Rechte aber auch Pflichten der Betroffenen im Strafverfahren regeln, finden sich in der Strafprozessordnung.
Wesentliche Regelungen sind u.a.:
Prüfung der Schutzbedürftigkeit:
Nach § 48 StPO ist während des gesamten Strafverfahrens die besondere Schutzbedürftigkeit der Zeug*innen zu prüfen. Zum Beispiel ist stets zu prüfen, ob Zeug*innen getrennt von anderen, insbesondere den Beschuldigten (§ 247 StPO) zu vernehmen sind und ob eine Videovernehmung ( § 247a StPO ) durchzuführen ist, ob die Öffentlichkeit bei einer Vernehmung auszuschließen ist ( § 171 b GVG ) und ob auf besonders den persönlichen Lebensbereich der Zeug*innen betreffende Fragen verzichtet werden kann. Dabei ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen stets besonders zu berücksichtigen.
Informations- und Auskunftsrechte:
Den Betroffenen wurden mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz umfassende Informations- und Auskunftsrechte im Strafverfahren eingeräumt.
Beispielsweise muss nach § 158 StPO der Eingang ihrer Anzeige schriftlich bestätigt werden.
Gemäß § 406 d StPO ist ihnen auf ihren Antrag hin die Einstellung des Verfahrens, der Ort und Zeitpunkt der Hauptverhandlungen sowie die Anklagevorwürfe und der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens mitzuteilen.
Die zur Wahrnehmung der prozessualen Rechte erforderlichen Unterlagen sind auf Antrag der nebenklageberechtigten Betroffenen zu übersetzen.
Diese Informationen stehen ihnen auch zu, wenn eine Hauptverhandlung gar nicht stattfindet oder sie nicht gehört werden.
Auch über ihre Rechte außerhalb des Strafverfahrens müssen die Betroffenen informiert werden wie z.B. über die Möglichkeit der Geltendmachung vonSchmerzensgeldansprüchen vor dem Zivilgericht oder die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes, des Opferentschädigungsgesetzes oder anderer Entschädigungsmöglichkeiten. Auch haben gem. § 406h StPO die Strafverfolgungsbehörden Informationspflichten und die Hinweispflicht, dass die Verletzten die Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten können, etwa in Form von Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung. Der Hinweis muss frühzeitig, schriftlich und in einer für die Verletzten verständlichen Sprache erfolgen.
Rechtsbeistand:
Jede betroffene Person hat das Recht, zu einer Vernehmung von einem Rechtsbeistand begleitet zu werden. In besonderen Fällen kann ein/e Rechtsanwält*in gem. § 68b Abs. 2 StPO beigeordnet werden, die von der Justizkasse bezahlt wird.
Verletzte Zeug*innen können sich gem. § 406f Abs. 2 StPO auch durch eine Person ihres Vertrauens begleiten lassen, sofern dies nicht den Untersuchungszweck gefährdet. Eine solche Gefährdung wird z.B. dann angenommen, wenn die Begleitung selbst in dem Verfahren als Zeug*in in Betracht kommt oder in einem besonderen Näheverhältnis zu den Beschuldigten steht. Grundsätzlich ist dies ohne vorherige Antragstellung möglich, es bietet sich aber an, vorher bereits anzukünden, dass eine Begleitung beabsichtigt ist.
Die StPO regelt aber auch die Pflichten von Zeug*innen:
Diese sind in den §§ 48 ff Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Hierzu gehören einerseits die sog. Erscheinenspflicht, also die Pflicht auf Ladungen der Ermittlungsbehörden hin zu den anberaumten Terminen zu kommen. Andererseits besteht die Pflicht, wahrheitsgemäß auszusagen. Unter bestimmten Bedingungen kann jedoch die Aussage verweigert werden
Darüber hinaus gibt es die Zeugnisverweigerungsrechte der sog. Berufgeheimnisträger*innen wie etwa von Rechtsanwält*innen, Ärtz*innen oder psychologischen Psychotherapeut*innen in Ausübung ihres Berufes gem. § 53 StPO. Auch Berufshelfer*innen, wie etwa Dolmetscher*innen für Konsultationen mit Rechtsanwält*innen verfügen über ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53a StPO.
Mitarbeiter*innen von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel verfügen nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dies stellt in der Praxis häufig ein Problem dar, da die Berater*innen die Klient*innen von Anfang an darüber informieren müssen, dass sie unter Umständen als Zeug*innen vor Gericht aussagen müssen. Dies kann das Vertrauensverhältnis belasten. Zudem kann eine Aussage vor Gericht eine Gefährdung der Berater*innen bedeuten.
Der KOK und seine Mitgliedsorganisationen fordern daher seit Jahren ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiter*innen von Fachberatungsstellen.
Die hier dargestellten Informationen sind zum Teil entnommen aus der „Handreichung für die Beratungspraxis Rechte der Verletzten – insbesondere durch Menschenhandel verletzte Personen – im Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Änderungen durch das 3. Opferrechtsreformgesetz“, Autorin Christina Clemm, im Auftrag des KOK. Die Handreichung enthält detaillierte Beschreibungen zu den hier kurz beschriebenen sowie weiteren Rechten im Strafverfahren.